Obdachloser sagt aus

16.12.2011, 04:27

Staßfurt/Magdeburg (no) l In dem Prozess um den Obdachlosen Jens D. vor dem Landgericht in Magdeburg wird am kommenden Montag das Urteil gesprochen. Angeklagt ist der Staßfurter in zwei Fällen, unter anderem wegen versuchter Tötung (Volksstimme berichtete). Bei der Vernehmung von Jens D. und den zur Tatzeit anwesenden Zeugen durch das Schöffengericht ergaben sich einige Unklarheiten.

Die Richterin fragte nach dem Lebenslauf des Angeklagten, "um sich ein Bild von ihm zu machen". Der 40-Jährige hat wegen Alkohols seinen Führerschein verloren. Zweimal. Er verlor seinen Job. Flüchtete sich weiter in den Alkohol. Konnte daher keine Anstellung finden. Ohne Arbeit kein Geld, ohne Geld keine Wohnung. Ein Teufelskreis. Seit Januar 2011 ist Jens D. im Obdachlosenheim in Staßfurt untergekommen.

Dort geschah die erste Tat: Aus Sicht des Angeklagten wurde er von einem anderen während des Essens derart provoziert, dass ihm Jens D. aus einer Wut heraus ein Besteckmesser an den Hals hielt, um ihm zum Aufhören zu bewegen. Er verletzte den Mann nur leicht. Jens D. ist nach eigenen Worten "erschrocken über seine Tat". Als Folge von ihr musste er das Obdachlosenheim verlassen und kam in der Wohnung von einem Bekannten unter. Hier ereignete sich drei Monate später die zweite Tat. Jens D. stach viermal auf Steffen K. ein. Dieser war zu Besuch. Wie es dazu kam, versuchte das Gericht durch gezielte Fragen herauszufinden. Allerdings waren die Aussagen unstimmig. Nur soviel: Steffen K. habe Jens D. geprügelt. Daraufhin habe Jens D. ein Klappmesser gezogen und auf sein Gegenüber eingestochen. Er habe sich bedroht gefühlt, weil Steffen K. ohne Grund auf ihn eingeprügelt habe. Das Opfer wiederum fühlte sich nach eigener Aussage durch Beleidigungen provoziert, ihm fehlt allerdings jegliche Erinnerung an diesen Abend. Dies macht es nicht einfach, die Tat einzuschätzen. Handelte Jens D. aus Notwehr? Dies würde das Strafmaß senken. Und wenn ja, reagierte er nicht übertrieben, indem er gleich mehrmals auf Steffen K. einstach? Dann läge ein sogenannter Notwehrexzess vor, der ihm umgekehrt zur Last gelegt werden würde. Es bleibt das Urteil abzuwarten.