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Mittelachse des Turmhelms von St. Marien ist erhaltenswert / Ausstellung zu Baugeschichte geplant Kostbarer Kern im morschen Mantel

Von Nora Knappe 25.05.2013, 03:16

Stendal. Vom einst maroden Turmhelm des Dachreiters der Marienkirche ist jetzt nur noch sein Innerstes übrig. Die Mittelachse, der sogenannte Kaiserstiel, soll für eine künftige Ausstellung bewahrt werden. Gestern wurde das Bauteil aus seinem Zwischenlager zurück in die Marienkirche transportiert.

Er ist alt und hinfällig und doch ein wahrer Schatz. Der Turmhelm von St. Mariens Dachreiter - dem kleinen Glockentürmchen also - ist im Oktober 2011 vom Dach gehievt worden, weil er umsturzgefährdet war. Seitdem lagerte er in einer Art Gnaden-Domizil auf dem Hof der Stendaler Zimmerei Vack, wo er nun in seine Einzelteile zerlegt wurde. Dabei zeigte sich jedoch, dass außer morschem, wurmstichigem und faulem Holz noch einiges Wertvolles in ihm steckt.

Tischler und Zimmerer Manfred Vack ist begeistert von der soliden Handwerksarbeit, die vor ihm liegt. Der zehn Meter lange Kaiserstiel, die mittlere Achse des Turmhelms, ist aus Eichenholz und stammt aus dem mittleren 16. Jahrhundert. "So gut erhalten und so gut gearbeitet", sagt er fasziniert und schaut sich die Holznägel einmal genauer an, mit denen ein innerer Abstandshalter verankert ist. "Die sind entlang der Holzfaser gespalten, nicht geschnitten, und die haben bis heute gehalten."

Auch die handgeschmiedeten Nägel, manche lang wie eine Männerhand und beinahe dick wie ein kleiner Finger, bringen ihn zum Staunen. Sein Urteil: "Eine exzellente Schmiedearbeit."

Zum Schmunzeln: Historische Schmiererei

Relativ gut erhalten ist auch der massive Ankerring, die Unterlage des Turmhelms sozusagen, mit seinen massiven Einzelteilen. Beim Abbau machte Manfred Vack eine unterhaltsame Entdeckung - eine gewissermaßen historische Schmiererei brachte ihn zum Grinsen: "¿Gerd ist ein notorischer Saufsack\' stand da."

Solcherlei Anekdotisches ist es aber nicht, was diese alten Bauteile erhaltenswert macht. Dem Glockenförderverein geht es darum, Baugeschichte verständlich zu machen. Und deshalb werden die Reste des Turmhelms nun in St. Marien aufbewahrt, wo sie künftig als Teil einer Ausstellung im Dachstuhl über dem Gewölbe gezeigt werden. "Wie wurde gebaut, womit, welche Techniken wurden angewandt - das sind Fragen, die wir mithilfe solcher Objekte anschaulich beantworten können", sagt Reinhard Weis vom Glockenförderverein.

Seit gestern Vormittag kann er zu dem bereits vorhandenen Steckgerüst, einer historischen Winde und einem Ledereimer sowie Bildern vom Gewölbebau nun auch den Kaiserstiel zählen. Der waghalsige Transport des zehn Meter langen Balkens auf einem Anhänger vom Nordwall durch die Breite Straße zur Marienkirche hat reibungslos geklappt. Regen- sicher verstaut ist das Teil auch, wie Weis noch bestätigte: "Drei Möbelpacker haben uns beim Reintragen geholfen."