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Neue Jule-Serie: Gespräch mit lokalen Prominenten / Heute: Politikerin Katrin Kunert "Schon als Kind bin ich mit dem Kopf durch die Wand"

16.12.2010, 04:25

Welche Aufgaben ein Politiker hat, wie man überhaupt Politiker wird und was man schon als junger Mensch erreichen kann, erzählte Linke-Bundestagsabgeordnete Katrin Kunert im Interview mit Kristin Schröder und Katrin Wurm. Auch Eure Fragen, liebe Jule-Leser, haben wir der 46-Jährigen gestellt. Dieses Gespräch ist der Auftakt einer neuen Jule-Serie: Lokale Prominente aus Politik, Wirtschaft und Kultur im Gespräch. In loser Reihenfolge werden Interviews mit Unternehmern, Politikern und Künstlern folgen.

Jule: Warum sollten sich Jugendliche für Politik interessieren?

Katrin Kunert: Junge Leute sollten mitbestimmen. Es ist wichtig, dass sie an ihren Lebensbedingungen und deren Entwicklung teilhaben.

Jule: Welche Möglichkeit gibt es für Kinder und Jugendliche sich einzubringen?

Kunert: Es gibt die Möglichkeit von Kinder- und Jugendparlamenten. Die sind aber nur temporär gut besetzt – natürlich hängt das vom jeweilig behandelten Thema ab.

Jule: Was denken Sie über die Jugend? Viele meckern über schlechte Manieren und Desinteresse, sehen Sie das genauso?

Kunert: Die Jugend kann immer nur so gut sein, wie die Gesellschaft es ihnen ermöglicht. Wenn Kinder und Jugendliche nicht mehr das Umfeld haben, welches zum Aufwachsen wichtig ist, dann geht was schief. Moralische Grundwerte müssen eingehalten und vorgelebt werden, sonst braucht man sich nicht zu wundern, dass Kinder unartig sind.

Jule: Wie waren Sie als Kind? Eher rebellisch oder artig?

Kunert: Ich war sehr impulsiv, habe mich immer eingesetzt und bin auch mal mit dem Kopf durch die Wand. Außerdem habe ich immer meine Meinung gesagt.

Jule: Wussten Sie schon als Kind, dass Sie Politikerin werden wollten?

Kunert: Nein, das wusste ich noch nicht. Erst wollte ich Leistungssportlerin, danach Sportlehrerin und dann Dekorateurin werden. Schließlich landete ich in der Landwirtschaft.

Jule: Wie wird man überhaupt Politiker?

Kunert: Es ist ein langer Weg. Politik fängt vor Ort an, da kann man sich schon einmischen. Vollzeitpolitiker oder Berufspolitiker ist man, wenn man sich hauptberuflich mit der Politik beschäftigt, also im Landtag oder im Bundestag ist.

Jule: Welche Fähigkeiten sollte man für den Beruf des Politikers mitbringen?

Kunert: Vor allem sollte man bleiben, wie man ist. Wichtig sind auch eine abgeschlossene Berufsausbildung oder ein abgeschlossenes Studium. Ich würde jedem raten, erstmal im Kleinen anzufangen – in der Kommunalpolitik oder bei sich im Jugendclub.

Jule: Wie viel verdienen Sie im Bundestag?

Kunert: Das Gehalt eines Bundestagsabgeordneten nennt man Diät. Die Diät beträgt 7638 Euro. Davon gibt es einige Abzüge wie die Krankenversicherung.

Jule: Wie sieht Ihr politischer Alltag in Berlin aus?

Kunert: Ich pendle ja immer von Stendal nach Berlin. Es wird im Bundestag in Sitzungswochen und sitzungsfreie Wochen unterschieden. Ungefähr zwei Sitzungswochen gibt es im Monat. In einer Sitzungswoche hat man von Dienstag bis Freitag Präsenzphase, das heißt, man muss anwesend sein und sich auch in eine Anwesenheitsliste eintragen.

Jule: Waren Sie sehr aufgeregt, als Sie zum ersten Mal im Bundestag waren?

Kunert: Ja, klar. Aber diese Aufgeregtheit legt sich. Ich habe zweieinhalb Jahre gebraucht, ehe ich in Berlin so richtig klargekommen bin und wusste, wohin zu welcher Zeit.

Jule: Warum sind Sie bei der Linken und nicht etwa bei den Grünen oder der FDP?

Kunert: Ich war zu DDR-Zeiten bereits in der SED und habe während der Wende miterlebt, was eigentlich alles in der DDR verkehrt lief. Die Staatsführung hat dem Volk nicht vertraut, und die freie Meinungsäußerung war auch nicht möglich. Aber wir hatten ein gutes Gesundheitswesen und eine gute Kinderbetreuung. Das fehlt heute. Ich bin für den sozialen Gedanken meiner Partei.

Jule: Waren Sie nervös, als Sie Angela Merkel das erste Mal trafen?

Kunert: Nein, nervös war ich nicht. Mir ist Frau Merkel auch nicht sympathisch. Mich stört, dass sie sich nicht an Verhaltensregeln hält. Trotzdem habe ich auch gute Bekannte oder Kollegen in anderen Parteien.

Jule: Wie viel Kontakt hat man als Bundestagsabgeordnete zum Ausland?

Kunert: Die Ausschüsse sind oft unterwegs. Ich sitze in Berlin im Sportausschuss. Zusammen waren wir in Tansania und haben uns ein Sportprojekt angesehen, welches im Rahmen deutscher Entwicklungshilfe vor Ort gefördert wird. Ich bin auch schon mit dem Verteidigungsministerium im Kongo, in Israel und im Libanon gewesen.

Jule: Wie fühlen Sie sich, wenn Sie auf der Straße von den Leuten angesprochen werden?

Kunert: Es kennen einen definitiv mehr Leute als man selbst kennt (lacht). Man wird halt auch mal beim Bäcker oder im Drogeriemarkt auf Politik angesprochen, aber das finde ich okay.

Jule: Haben Sie manchmal die Nase voll von der Politik?

Kunert: Ich drücke es mal anders aus: Manchmal entwickelt sich eine produktive Wut. Aber das ist natürlich. Die Nase voll habe ich aber nicht von der Politik. Aufgeben gibt‘s für mich nicht – schließlich haben mir die Bürger eine Aufgabe erteilt. Sie haben mich per Direktmandat in den Bundestag gewählt und mir so ihr Vertrauen geschenkt.

Jule: Haben Sie überhaupt noch Freizeit?

Kunert: Ich habe wenig Zeit für die Familie. Mein Sohn ist aus dem Haus und lebt in Baden-Württemberg. Mein Mann begleitet mich manchmal auf Veranstaltungen.

Jule: Was ist Ihr Lieblingsort in der Altmark?

Kunert: Ich bin in Arendsee aufgewachsen und immer noch gerne dort. Aber auch die Havel gefällt mir sehr. Jede Ecke hat was für sich.

Jule: Was zeichnet die Altmark aus?

Kunert: Die herrliche Landschaft. Es wird den Altmärkern ja immer nachgesagt, sie seien stur. Aber das stimmt nicht, sie sind eher konsequent.

Jule: Was sind Ihre Hobbys?

Kunert: Rad fahren um den Arendsee und das Laufen. Auch mich ums Haus und den Garten kümmern, ist zu meinen Hobbys geworden.

Jule: Was haben Sie zuletzt im Kino gesehen?

Kunert: Im Kino war ich schon lange nicht mehr. Ich mag aber Krimis – vor allem die skandinavischen.

Jule: Welche Musik hören Sie gern?

Kunert: Wie haben wunderbare Musiker in der Altmark. Den Chor der Osterburger Schule habe ich letztens gehört – der war super. Sonst höre ich Radio – vor allem das Moderne gefällt mir.