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Netto-Baustelle: Gutachter stufte Villa und Park für die Tiere als sehr wichtiges Quartier ein Fledermäuse und Vögel zählten nicht

Von Bernd-Volker Brahms 21.08.2013, 03:14

Der Bauherr des Discount-Marktes an der Tangermünder Straße muss Ersatzpflanzungen für die 30 gefällten Bäume vornehmen. Es sind auch Dutzende Nistkästen anzubringen. Es ist fraglich, ob die Auflagen nach dem Kahlschlag noch wie geplant umgesetzt werden können.

Stendal l In dem Baumbestand an der Netto-Baustelle in Stendal an der Tangermünder Straße gab es eine erhebliche Anzahl an schützenwerten Fledermausarten sowie eine Vielzahl an Brutvögeln. Dies geht aus dem Artenschutz-Gutachten hervor, das Bestandteil der Baugenehmigung durch die Stadt Stendal ist. Das Gutachten liegt der Volksstimme komplett vor.

Wie vor kurzem berichtet, waren vor anderthalb Wochen auf der Baustelle 30 zum Teil sehr alte Bäume gefällt worden. Die Stendaler Stadtverwaltung hatte die Baugenehmigung erteilt und die Fällung von 30 der 34 Bäume auf dem Grundstück erlaubt. Von dem ehemaligen Park an der Käthe-Kollwitz-Kita stehen nun noch vier Bäume. Wie aus dem Lageplan zum Gutachten und zur Baugenehmigung hervorgeht, wollte der Bauherr CKS Bau- und Entwicklungs GmbH bis zu 14 Bäume stehenlassen. Dies schien vertretbar mit den Bauplänen. Die CKS mit Sitz in Güstrow setzt das Projekt für Netto Marken Discount um.

Kommunalaufsicht sieht keine Verfahrensfehler

Eine Anfrage an die Stadtverwaltung, warum die Fällung fast des gesamten Baumbestandes zugelassen wurde, blieb gestern noch unbeantwortet. Eine Antwort darauf werde erfolgen, wenn die Fachämter sich den Vorgang noch einmal angesehen haben, teilte Stadtsprecher Klaus Ortmann mit.

Unterdessen teilte die Kreisverwaltung auf Anfrage mit, dass die Kommunalaufsicht keine Beanstandungen zu dem Bauprojekt hat. Der Bebauungsplan der Stadt sowie der Bauantrag wurden durch das Umweltamt sowie das Bauordnungsamt des Kreises geprüft. "Es wurden keine Verstöße festgestellt", sagt Pressesprecher Edgar Kraul. Es gebe keinen Grund für die Kommunalaufsicht, nach den Regelungen der Gemeindeordnung des Landes einzuschreiten. Eingeschaltet worden war die Kommunalaufsicht durch Thomas Larek, der in unmittelbarer Nachbarschaft zur Netto-Baustelle wohnt. "Ich habe Ende letzter Woche eine Stellungnahme vom Kreis bekommen", sagt der Stendaler. Am Montag hatte er zudem ein persönliches Gespräch im Landratsamt.

Der Sprecher des Landkreises betont, dass die Untere Naturschutzbehörde beim Kreis nicht für die Fällgenehmigung der Bäume zuständig war. Die Behörde hatte sich lediglich damit zu beschäftigen, inwiefern eine Ausnahmegenehmigung für die Fällung der Laubbäume außerhalb der generellen Fäll-Verbotszeit zwischen dem 1.März und dem 30. September erteilt werden könne. Die Naturschutzbehörde des Kreises erteilte diese Ausnahme in Kenntnis des Artenschutzrechtlichen Gutachtens. "Das Umweltamt des Landkreises hatte wegen fehlender Zuständigkeit im dem Verfahren keine Möglichkeit, die Fällung zu verhindern", sagte Kraul.

Gutachter Bernd Thielke vom Artenschutzzentrum in Steffenshagen, der von der CKS beauftragt worden ist, kommt zu folgendem Urteil: "Die historische Villa mit ihren idealen Gebäude- und Vegetationsstrukturen im Park mit Altbaumbestand gehört zu den letzten Rückzugsgebieten im Stadtgebiet der Hansestadt Stendal." Die Wertigkeit des Planungsgebietes für Fledermäuse und Brutvögel sei als "sehr hoch" einzustufen. Rodung und Abriss auf dem Gelände könnten "zu einem kompletten Verlust" der Quartiere führen. Und weiter: "Bereits im vergangenen Zeitraum wurden im Stadtgebiet von Stendal viele Sanierungs-, Rodungs-, und Abbruchmaßnahmen oftmals ohne Kompensation durchgeführt, so dass es bereits zu großen Einbußen der lokalen Population kam."

Der Gutachter zählte vier strenggeschützte Fledermausarten (Zwergfledermaus, Braunes Langohr, Abendsegler sowie die jagende Breitflügelfledermaus) auf. Darüber hinaus gab es eine Zahl Kleinvögel, allerdings keine mit Brut besetzte Nester.

Nach dem Gutachten muss die CKS am Neubau des Netto-Marktes insgesamt 30 Nistkästen, Fledermausquartiere und Nisthöhlen anbringen. Ersatzpflanzungen für die gefällten Bäume sind zum Teil auf dem Gelände vorzunehmen - auch Vogelnistkästen sind dabei zu berücksichtigen.