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Büro-Serie / Heute: Bernd Zürcher, Regionalleiter des Paritätischen Ein Genie für Chaos, Kunst und Soziales

Jeder kennt es und fast jeder hat eines - ein Büro. Mal unaufgeräumt,
mal ordentlich, aber immer einzigartig und oft ganz persönlich. Die
Volksstimme stellt in der Serie "Mein Büro und ich" in loser Reihenfolge
Arbeitszimmer vor. Heute: Bernd Zürcher, Regionalleiter des Paritätischen.

Von Sibylle Sperling 06.02.2014, 01:18

Stendal l "Da müssten wir uns eigentlich in meinem Auto treffen", so die Antwort von Bernd Zürcher, Regionalleiter beim Paritätischen, als er nach seinem Büro gefragt wird. Der 59-Jährige ist viel unterwegs - bereist die Landkreise Stendal und Börde, um sich in den vielen Mitgliedsorganisationen, Beiräten und Ausschüssen helfend einzubringen. Seinen Beifahrersitz müsse er erstmal freiräumen, sagt er, und nimmt sich sofort in die Zwickmühle. "Nur ein Genie beherrscht das Chaos. Das Genie wird leider älter und vergisst, wo manches liegt."\'

Immerhin gibt es dann doch noch ein richtiges - nein, nicht Genie, sondern Arbeitszimmer. Das befindet sich in der Osterburger Straße in Stendal und ist übersichtlich und sehr aufgeräumt. Seit über zehn Jahren "bewohnt" Zürcher es, hat aus dem ehemaligen Versammlungszimmer für Selbsthilfegruppen ein kleines Kunstrefugium geschaffen. Die Kultur begleitet den Mann fürs Soziale stetig - denn mit der Kunst könne man Menschen überzeugen, findet er.

Acrylmalereien: "Das sind zwei Bilder von der Künstlerin Vera Berg. Sie hat in Projekten der Kunstplatte mitgewirkt. Als ich in Leipzig bei ihrer Vernissage war, habe ich die Bilder gekauft. Das rote heißt "Das Tier", das grüne "Ruhe im Sturm". Ich fand, dass ich beides in mir habe, das wilde Tier und die Ruhe."

Grafik: "In dem Bild von Michael Hentschel entdecke ich immer wieder Neues. Kurz bevor ich Vorsitzender der Kunstplatte wurde, hatte er dort eine Ausstellung gemacht. Er war damals noch ein junger Mann, studierte in Halle."

Spruch: "Nicht siegen ist wichtig, sondern dabei sein und gewinnen." Ohne Worte. Als ich den Spruch in der Buchhandlung sah, dachte ich nur: Bernd, so bist du!"

Reflect-DVD: "Wir sollten 2006, im Jahr der europäischen Chancengleichheit, als Regionalverband dazu etwas auf die Beine stellen. Ich habe mich mit Andreas Bredow vom Offenen Kanal und mit dem Theater zusammengesetzt. Der Wettbewerb, den wir initiierten, sollte nur ein Mal stattfinden. Von der Reaktion der Menschen waren wir dann so überwältigt, da haben wir gesagt: "Das muss weitergehen!""

Kalender: "Er ist von meiner Tochter Judith mit Bildern von meinem Enkel. Ich habe eigentlich drei Enkel. Aber bei Judith war ich von Anfang dabei. Als sie schwanger war, haben wir das in ihre Rolle im Musical "Über Sieben Brücken" eingebaut. Wenn der Kleine mal singen kann, trällert er alle Lieder, die er im Bauch gehört hat."

Malerei: "Dazu gibt es eine Anekdote. An die denke ich jedes mal, wenn ich auf das Bild schaue. Es hängt gegenüber vom Schreibtisch. Ein autistischer Bewohner der GIW Schollene, einer Einrichtung für Menschen mit Behinderungen, hat es gemalt. Er malt unheimlich gern, und so hatten die Mitarbeiter für ihn eine Vernissage organisiert. Als ich ihn dort ansprach, hat er doch tatsächlich gesagt: "Für 5 Euro kannst du das Bild haben." Ich habe es genommen. Nach einem Pressebericht einen Tag nach der Ausstellung ging ein Anruf bei der GIW ein, er solle seine Einnahmen beim Sozialamt abgeben. Die Schnelligkeit, mit der der Anruf passierte, hat mich betroffen gemacht und erinnert mich daran, wofür wir kämpfen."