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Vierjähriger aus Tangerhütte will nach schwerem Verkehrsunfall in seinem Kindergarten bleiben "Feuerwehrmann Lennard" kämpft sich zurück in ein normales Kinderleben

Von Birgit Schulze 27.02.2014, 02:22

Der vierjährige Lennard ist ein fröhliches Kind. Das war auch schon vor dem schweren Verkehrsunfall im Sommer vergangenen Jahres so. Seit Januar geht er wieder in seinen Kindergarten, allerdings nur halbtags und nur zur "Erprobung" bis Ende März. Das belastet auch Mutter Selina Strauß, die bisher nicht weiß, wie es dann weitergehen soll.

Tangerhütte l Ein schweres Schädel-Hirn-Trauma sorgte im vergangenen Jahr dafür, dass Lennard sechs Wochen lang ans Bett gefesselt, zum Teil im Wachkoma und querschnittsgelähmt, war. Der kleine Junge, der die Trickfilmfigur "Feuerwehrmann Sam" über alles liebt und immer schon ein "kleiner Sonnenschein" gewesen ist, wie Mutter Selina und Großmutter Sylvia erzählen, kämpft sich zurück in ein normales Kinderleben.

Das Leben des Jungen hing nach dem Unfall am seidenen Faden

Auch wenn er dafür auf Zehenspitzen laufen muss, weil sein Körper noch nicht so funktioniert, wie er es vor dem Unfall tat. Im Juli 2013 verunglückte er mit Mutter Selina kurz vor Mahlpfuhl, sein Leben hing am seidenen Faden.

Die Gehirnschwellung, die viele Ausfälle bedingte, ging nach und nach zurück, auch die Trachealkanüle, ein direkter Zugang zur Beatmung über die Luftröhre am Hals, trägt er nicht mehr. Was geblieben ist, sind Einschränkungen - vor allem beim Laufen und bei der Koordination, noch hat er einen Behindertenausweis - übergangsweise - hoffen Mutter und Großmutter. Seit Januar geht er zur Erprobung wieder in seinen alten Kindergarten, doch in der normalen Gruppe Gleichaltriger kann er aufgrund seiner Beeinträchtigungen nicht mehr betreut werden.

In der Gruppe mit vier bereits voll besetzten Integrationsplätzen ist er derzeit untergebracht -halbtags. "Wenn ich ihn mittags abhole, dann fragt mich Lennard manchmal: `Mama, warum wollen die mich nicht mehr haben?`", erzählt Mutter Selina. Auch sie hat Schäden davon getragen, aber "jetzt geht es erstmal um mein Kind", sagt die 29-Jährige tapfer.

Sie versteht, dass es gesetzliche Vorschriften für die Betreuung gibt, aber sie hofft noch immer, ihren Sohn bald wieder ganztags in seine angestammte Einrichtung bringen zu können. Sie sagt: "Wir haben doch auch einen Anspruch auf Ganzstagsbetreuung!"

Doch dass er überhaupt wieder in der Tangerhütter Tagesstätte "Anne Frank" betreut wird, sei eine Übergangslösung "mit der wir der Mutter entgegenkommen wollten", erklärt Barbara Stutzer, beim Träger, der Einheitsgemeinde Stadt Tangerhütte, für die Kindertagesstätten zuständig.

Sowohl Kita-Leitung als auch Träger waren sich einig, nach diesem schweren Schicksalsschlag müsse man helfen. Barbara Stutzer erklärt aber auch: "Die Kapazität für eine Vollzeitbetreuung des Jungen in der Einrichtung `Anne Frank` ist derzeit nicht da."

Stoll: Landkreis will jetzt Betreuungsangebot für Lennard machen

Gemeinsam mit dem Jugendamt laufen intensive Bemühungen, eine Lösung für Lennard zu schaffen. "Wir sind von Anfang an auf der Suche gewesen, um helfen zu können", sagt Barbara Stutzer.

Auch beim Jugendamt des Landkreises in Stendal hat man Verständnis für die Sorgen der jungen Mutter aus Tangerhütte. "Es haben sich viele Leute mit dem Fall Lennard beschäftigt", sagt Sebastian Stoll, zweiter Beigeordneter des Landrates auf Volksstimme-Nachfrage. Allerdings hält er sich mit einer Auskunft über eine mögliche Lösung noch bedeckt.

In den kommenden Tagen soll es ein Betreuungsangebot geben, das den Bedürfnissen des Kindes entspreche, dem werde man aber derzeit nicht vorgreifen, erklärt er nach Rücksprache mit dem für Fälle wie diesen zuständigen Jugendamt.

Wie Barbara Stutzer weiter erläuterte, sei die Einrichtung "Anne Frank" keine integrative Tagesstätte und dort würden auch die vier integrativen Plätze nur auf Einzelantrag und nach Einschätzung der Beeinträchtigung vergeben.

Selina Strauß möchte nicht, dass ihr Kind "als behindert abgestempelt" wird. Sie spricht von einer emotional schwierigen Zeit für die ganze Familie. "Er macht ja Fortschritte und er bekommt eine Frühförderung. Ich möchte einfach, dass mein Kind eine Chance auf ein normales Leben bekommt, auch wenn noch niemand weiß, wie sich alles entwickelt", sagt sie.

Die junge Mutter hat Angst, dass ihr Sohn ab April, wenn die Probezeit in der Kita vorbei ist, ganz zu Hause bleiben muss. Aus Gesprächen mit dem Gesundheitsamt berichtet sie, dass Lennard, der aus der Reha-Klinik als kitafähig entlassen worden war, nun eine Integrationseinstufung bekommen soll, was eine Betreuung unter speziellen Voraussetzungen ermöglicht.

"Lennard braucht den sozialen Kontakt zu anderen Kindern", betont seine Mutter, "auch um nach der langen Krankenhauszeit wieder seine eigenen Grenzen zu finden." Und auch wenn sie sich im Moment manchmal allein gelassen fühlt, so kann sie sich doch auf eine starke Familie verlassen. Lennards Großeltern, Sylvia und Jens-Uwe Fleischer, sowie Onkel Daniel Strauß waren von Anfang an eine große Stütze. Sie waren in der Klinik in Brandenburg dabei und sind auch heute noch Begleitung und Hilfe bei wichtigen Terminen.

"Trotz des schlimmen Unfalls gab es auch Gutes", sagt Selina Strauß und ihre Mutter pflichtet ihr bei. "Es ist schon eine Weile her, aber wir wollen auch mal allen Feuerwehrleuten, den Helfern im Krankenwagen und den anderen Helfern am Unfallort ein ganz liebes Dankeschön sagen, sie haben tolle Arbeit geleistet!" Ganz besonders bei Andreas Bredow aus Mahlwinkel, der damals als Ersthelfer am Unfallort gewesen war, will sich Selina Strauß bedanken, "er hat mir auch danach viel Zuspruch gegeben".