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Ein ehemaliger Drogenabhängiger spricht über ein Tabu "Ich habe Heroin geraucht"

Von Nadin Hänsch 05.03.2014, 10:20

Die meisten Drogenkarrieren beginnen mit Cannabis und enden nicht selten mit Heroin. Ein Ex-Heroinsüchtiger erzählt wie schwer es ist, sein Leben wieder in den Griff zu bekommen.

Stendal l Ben (28) (Name wurde von der Redaktion verändert) erzählt, er sei er in einem guten Elternhaus aufgewachsen, hat seinen Realschulabschluss gemacht und im Anschluss eine Ausbildung im Straßenbau abgeschlossen. Seine Drogenkarriere fing an, als er nach seiner Ausbildung von Grieben nach Stendal gezogen ist. "Ich habe in Stendal meinen Zivildienst gemacht und bin dann auch noch früh Vater geworden. Vielleicht hat mich das damals alles überfordert", erzählt der Stendaler. Ben hat zum Ende seiner Zivizeit 2007 mit Cannabis angefangen. Denn Stoff habe er von einem Bekannten geholt. "Als ich was zum Rauchen holen wollte, saßen bei dem Dealer in der Wohnung einmal ein paar Russen. Die haben mit Aluröllchen etwas geraucht", erinnert sich Ben. "Aus Neugier wollte ich das auch ausprobieren und mir ist danach schlecht geworden und ich musste mich übergeben."

Neugier führte in die Abhängigkeit

Erst später war ihm klar, dass er das erste Mal Heroin geraucht hatte. "Ich wusste damals nicht, dass das Heroin ist", erzählt er.

"Danach habe ich mich mit den Russen angefreundet und es wieder probiert." Am Anfang habe er nicht gemerkt, wie abhängig das Zeug macht, sagt er. "Erst nach ein paar Tagen ohne hatte ich starke Entzugserscheinungen, Übelkeit, Erbrechen. Ich konnte weder sitzen, liegen noch stehen." Er beschreibt den Entzug wie eine "richtig dolle Grippe".

Heroinsucht: "Man lebt in einer Parallelwelt"

Die Sucht bestimmte seinen Alltag. Durch den Konsum von Heroin verlor er seinen Führerschein, an Arbeit war nicht zu denken.

"Man lebt mit dem Stoff in einer Parallelwelt. Ich war nur auf der Suche, um Geld zu besorgen, um neuen Stoff zu kaufen", erinnert sich Ben. Auch die Eltern hatten ihm irgendwann den Geldhahn zugedreht und er rutschte in die Beschaffungskriminalität ab. " Ich stand fast jeden zweiten Tag bei meinen Eltern vor der Tür, weil ich Geld brauchte. Irgendwann haben sie von meiner Sucht erfahren und der Kontakt brach ab." Die Sucht sei vergleichbar mit der großen Lieben, von der man sich nur schwer trennen kann, macht Ben deutlich.

"Ich habe, um an Geld zu kommen, Leute abgezogen, Körperverletzung war auch dabei", berichtet Ben. 2009 versiegte seine Heroinquelle. "Irgendwann wurden dann die drei Vietnamesen, die in der Albrecht-Dürer-Straße den Stoff verkauft haben, hochgenommen. Der Block steht heute nicht mehr", erinnert sich Ben.

"Man konnte damals schon von einer Heroin-Szene in Stendal sprechen. Es gab rund 30 Abhängige." Wie es heute ist, weiß der Stendaler nicht, denn er hat den Absprung geschafft.

"Im Dezember 2009 wurde ich von der Polizei verhaftet und musste für ein halbes Jahr ins Gefängnis und habe einen Entzug gemacht", sagt Ben. "Ich war am Rande des Wahnsinns und hatte starke Krämpfe, erinnert sich der Stendaler. "Ich habe während des kalten Endzugs sogar davon geträumt, wie ich Heroin zum Konsum vorbereite und es nehme."

Nach dem Gefängnis habe er eine Therapie gemacht und hat den Weg in sein Leben vor den Drogen zurückgefunden. "Ich arbeite wieder in meinem Beruf und spiele jetzt sogar Fußball." Zu seinem Eltern habe er auch wieder ein gutes Verhältnis.

"Schämt euch nicht, zur Drogenberatung zu gehen, denn Sucht zieht sich durch jede Gesellschaftsschicht", gibt Ben mit auf den Weg. Durch die Hilfe in der Beratungsstelle habe er es auch geschafft.

Alkohol und Zigaretten sind nach wie vor die Spitzenreiter unter den Süchten. Doch nicht jeder, der Alkohol trinkt, wird gleich Alkoholiker. Wenn junge Leute heutzutage in die Discos gehen, ist Alkohol nur ein Problem. Wer heute jung ist und feiern geht, wird nicht nur mit Alkohol und Zigaretten konfrontiert, sondern auch mit Cannabis, Speed, Koks, Ketamin, Extasy, Liquid, und schlimmstenfalls Crystal und Heroin. Leider ist das heute nichts Ungewöhnliches mehr, Leute zu kennen, die so etwas nehmen oder dealen. Wer einmal an einem Joint zieht, ist auch nicht gleich ein Kiffer. Auf Crystal und Heroin trifft diese Aussage auf keinen Fall zu!

Oft verlaufen die klassischen Drogenkarrieren nur in eine Richtung, kein Zurück mehr in ein normales Leben. Mit Kiffen fängt alles an und eh man sich versieht, zieht man weißes Pulver durch die Nase raucht schließlich Heroin.