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Andreas Bredow rettet dreijährigem Lennard das Leben "Ich wusste nicht, ob alles richtig war"

Ein Unfall kann Szenen wie aus einem Horrorfilm bieten. Der Albtraum
jedes Autofahrers ist dann, Ersthelfer am Unfallort zu sein. Für Andreas
Bredow (47) wurde dieses Szenario zur Realität.

Von Nadin Hänsch 07.03.2014, 02:23

Stendal l "Es war einer der schicksalhaftesten Tage für mich. Diesen Tag werde ich mein Leben lang nicht vergessen", beschreibt Andreas Bredow den 7. Juli 2013. Er war Ersthelfer am Unfallort und rettete dem damals dreijährigen Lennard das Leben. Der schwere Unfall passierte auf der Landstraße zwischen Mahlpfuhl und Tangerhütte (die Volksstimme berichtete). Selina Strauß war mit ihrem Sohn Lennard mit dem Auto unterwegs. Als die junge Frau die Kontrolle über das Fahrzeug verlor, kam sie von der Straße ab. Das Auto überschlug sich und endete in einem zwei Meter tiefen Straßengraben auf dem Dach. Lennard wurde dabei schwer verletzt. Seither kämpft er sich in sein Kinderleben zurück.

Am Unfalltag kam Andreas Bredow, wie jeden Tag, an der Unfallstelle vorbei. "Ein 16-jähriges Mädchen stand mit ihrem Fahrrad am Straßenrand und winkte mich heran", erinnert er sich. Dann ging alles sehr schnell. Das Mädchen erzählte ihm verzweifelt, dass ein Unfall passiert wäre und deutete auf den Graben. Der Graben war mit Unkraut und Gestrüpp verwuchert. "Ich sah nur die Räder herausgucken, rannte hinunter." Von da an habe er gewusst, dass etwas Schlimmes passiert sein musste.

"Ich hatte Angst, wie der Junge aussehen würde."

Eine blutüberströmte Frau kam ihm bereits entgegengekrochen. "Als sie sich auf den Rücken drehte, hat ein Knochen aus ihrem Bein herausgeguckt", erzählt Bredow.

Die junge Frau war Selina Strauß. Sie gab Bredow zu verstehen, dass ihr Kind noch im Auto sei. "Ich hatte Panik und Angst, wie das Kind aussehen würde, als ich die Frau gesehen habe." Er rannte zum Auto und trat das Unkraut ringsum platt, um etwas sehen zu können. "Dann habe ich den kleinen Jungen gesehen. Er hing kopfüber in seinem Kindersitz, ein Arm war nach hinten verdreht." Es war ein schockierender Anblick für den Ersthelfer, als er die Beifahrertür öffnete. "Blut lief aus seinem Mund und einem Ohr. Ich dachte nur, er hat eine sehr schwere Verletzung erlitten."

Seine schlimmste Befürchtung sei ein Genickbruch gewesen. "Er hing so komisch da und atmete schwer, als ob er etwas im Mund hatte. In diesem Moment kam ein Mann dazu und half mir, den Jungen in einer stabilen Lage aus dem Auto zu heben." Bredow forderte den anderen Helfer auf, den Jungen vorsichtig und bedacht aus dem Kindersitz zu befreien. "Er muss wie eine Feder rausgehoben werden", hat er gesagt. Es gelang den beiden Männern, das Kind vorsichtig auf den Fahrradweg in die stabile Seitenlage zu legen. "Er atmete so schwer und sein Kiefer war verkrampft. Ich musste meinen Finger in seinen Mund schieben, damit er nicht an dem Blut erstickt, das herauslief."

Schock: Alles war auf der Mailbox zu hören

In der Zwischenzeit hatte das Mädchen den Krankenwagen und den Opa des Jungen verständigt, da sie die Familie kannte. Als Hilfe eintraf, hat Bredow aufgeatmet und er war beruhigt, als die Mutter und das Kind im Krankenwagen behandelt wurden. Seine eigenen Erste-Hilfe-Kenntnisse hatte er, wie jeder Autofahrer, in einem Kurs erworben.

"Es war furchtbar, sogar die Feuerwehrleute waren geschockt", erzählt Bredow. Die Ärztin habe damals am Unfallort immer wieder gesagt, es sehe nicht gut aus. "Ich habe dem Opa des Jungen meine Visitenkarte gegeben, in der Hoffnung, er würde sich melden, wie es dem Jungen geht."

Als Bredow nach Hause kam, der nächste Schock: Sein Handy war die ganze Zeit an. "Ich hatte in der Panik versucht, meine Lebensgefährtin anzurufen, um ihr zu sagen, dass ich später komme. Der ganze Ablauf am Unfallort wurde so auf der Mailbox aufgezeichnet." Bredow beschreibt die Zeit danach als besonders schlimm: "Ich habe mir Vorwürfe gemacht, ob ich alles richtig gemacht habe oder dem Jungen noch mehr Schaden zugefügt habe." Es hat ihn sehr beschäftigt. "Ich fahre jeden Tag an dieser Stelle vorbei und habe immer gehofft, dass dort kein Kreuz steht."

14 Tage nach dem Unfall meldete sich der Großvater bei dem Lebensretter und erzählte, dass Lennard den Unfall überlebt hat. Das schönste Geschenk war für Andreas Bredow, als er sah, dass es dem Jungen gut geht. "Lennard stand mit seiner Familie vor Weihnachten vor meiner Tür und überreichte mir eine große Schachtel `Merci`, auf der stand: `Danke sagt der kleine Lennard`."