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Im Gespräch mit Gerhard Miesterfeldt, erster Landrat im neuen Großkreis Stendal "Das war eine sehr intensive Zeit"

25.06.2014, 01:15

Stendal | Als erster Landrat im 1994 neu gebildeten Landkreis Stendal hat Gerhard Miesterfeldt die Anfangsjahre maßgeblich mitgestaltet. Volksstimme-Mitarbeiter Donald Lyko sprach mit ihm über die Aufbauarbeit nach der Fusion, die Herausforderungen jener Tage und seine Wünsche für die Zukunft.

Volksstimme: Aus drei Landkreisen mache einen. Wie war damals die Ausgangssituation?
Gerhard Miesterfeldt: Es gab den großen Landkreis Stendal (alt) mit viel Fläche und vielen Einwohnern, den großen Landkreis Osterburg mit wenigen Einwohnern und den kleineren Landkreis Havelberg mit noch weniger Einwohnern. Die Stadt Stendal war das unumstrittene Zentrum. Die zweitgrößte Stadt war weder Osterburg noch Havelberg, sondern Tangermünde.
Die gesamte Region war und ist landwirtschaftlich geprägt, wesentliche Industrieansiedlungen gab es nur in Stendal, Tangermünde und auf dem Industriegebiet bei Arneburg. Der Rückgang der Einwohnerzahlen nahm seinen Lauf. Weit über 100 selbstständige Gemeinden und die Verwaltungsgemeinschaften prägten das kommunale Bild. In ihnen wohnten über 150000 bodenständige Altmärker, Ostelbier, Westprignitzer und Zugereiste, zu denen auch ich gehörte.

War es schwierig, aus zwei altmärkischen Altkreisen und einem aus der Prignitz einen gemeinsamen Landkreis zu bilden?
Etwas Neues auf den Weg zu bringen, ist nicht nur im Norden von Sachsen-Anhalt immer eine besondere Herausforderung.
Die drei Landräte Karlheinz Mewes, Lothar Riedinger und Jörg Hellmuth, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der drei Kreisverwaltungen und die drei Kreistage haben die Fusion in hervorragender Weise vorbereitet. Das wurde mir richtig bewusst, als ich vier Jahre später Regierungspräsident in Magdeburg wurde und tiefere Einblicke in den Entwicklungstand der anderen Landkreise bekam.

War die Fusion zur damaligen Zeit die richtige Entscheidung?
Die Kreisgebietsreform 1994 in Sachsen-Anhalt war unumgänglich. Aber sie war nicht konsequent. Es entstand der sechstgrößte Landkreis Deutschlands, nämlich Stendal, und es blieb zum Beispiel der sehr kleine Landkreis Schönebeck. Die Fusion von sechs Landkreisen im Norden unseres Landes zu zweien war der richtige Weg. Diese beiden Landkreise in der Region Altmark haben von Anfang an sehr gut zusammengearbeitet und unterschieden sich auch darin positiv von anderen Teilen Sachsen-Anhalts. Ich erinnere mich sehr gern an das kollegiale Miteinander mit Landrat Hans-Jürgen Ostermann aus dem Altmarkkreis Salzwedel.

Vor welchen Herausforderungen standen die Verwaltung und der Kreistag im neu gebildeten Landkreis?
Drei unterschiedlich geführte Verwaltungen mussten zusammengeführt werden. Das ist uns gelungen, auch weil mit Jörg Hellmuth und Dr. Wolfgang Hedermann zwei führende Vertreter aus den Altkreisen Havelberg und Osterburg Dezernenten wurden. Die Mitglieder des Kreistages, dem ehrenamtlichen Verwaltungsorgan des Landkreises, mussten ebenfalls eine gemeinsame Sprache und Herangehensweise finden. Sie fanden sie. Den Menschen in den Altkreisen musste gezeigt werden, dass die Fusion für alle ein Gewinn ist. Dazu gehörten ganz praktische Vorhaben wie der Bau der Elbbrücke bei Tangermünde.

Was hat Sie gereizt, Landrat in einem Landkreis zu werden, der erst einer werden musste?
Ich gehe sehr gern neue Aufgaben und Herausforderungen an. Es bereitet mir Freude, Menschen zusammenzuführen. Ich wollte ihnen die Angst vor dem Neuen nehmen und ihnen zeigen, dass es nicht Sieger und Verlierer geben muss, sondern dass wir diese Aufgabe gemeinsam stemmen können.

Wie haben Sie persönlich diese Aufbaujahre erlebt?
Das war eine sehr intensive Zeit. 1990 bin ich als Seiteneinsteiger in die öffentliche Verwaltung gegangen. Es folgten harte Lehrjahre. Daran konnte ich 1994 anknüpfen. Der Wahlsieg in der Stichwahl am 26. Juni 1994 zum ersten vom Volk direkt gewählten Landrat im neuen Landkreis Stendal waren eine Ehre und Verpflichtung zugleich. Ich habe diese Verpflichtung sehr gern angenommen und gemeinsam mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den Mitgliedern des Kreistages gemeistert.

Welche drei Ereignisse oder Entscheidungen während Ihrer Amtszeit würden Sie spontan als die benennen, die Ihnen persönlich besonders in Erinnerungen geblieben sind?
Die ermutigenden Besuche in den Gemeinden, in denen die Bürgerinnen und Bürger mich nicht mehrheitlich gewählt hatten. Sie besuchte ich zuerst.
Den Planungsstopp für die Mülldeponie in Erxleben bei Osterburg. Sie hätte den Menschen im Landkreis Stendal sehr viel Geld gekostet.

Seit Jahren schauen Sie ja nun mit dem Blick des Landespolitikers auf die Altmark und kennen den demografischen Wandel. Sollten die beiden Altmark-Landkreise in den kommenden Jahren fusionieren?
Am Stichtag zur Kommunalwahl 1994 wohnten im Landkreis Stendal (neu) über 153000 Menschen. Am 31. Dezember 2012 waren es 116000, in der Region Altmark etwas über 200000.
Die Region und das Land werden sich diesen Entwicklungen stellen müssen. Sollte es zu einer erneuten Gebietsreform kommen, muss sie konsequent mit einer Funktionalreform einhergehen. Das gilt aber nicht nur für die Altmark und die Westprignitz. Ich kann mir fünf Regionalkreise im Sachsen-Anhalt der Zukunft vorstellen.

Welchen Geburtstagswunsch hat Gerhard Miesterfeldt für den Landkreis Stendal?
Zuerst gratuliere ich ganz herzlich zu diesem Geburtstag und freue mich auf die Festivitäten.
Ich wünsche, dass viele Menschen die Schönheiten dieses Landstriches auf den zweiten Blick entdecken.
Ich wünsche die zeitnahe Vollendung der A14 und dass sie auch zu einem wirtschaftlichen Aufschwung in einer der am dünnsten besiedelten Regionen Deutschlands führt.