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Pegel bei Tangermünde sinkt / Lage in Schelldorf nach wie vor kritisch / Krisenstab warnt vor Hochwassertourismus Entspannung, aber keine Entwarnung

Von Nora Knappe 24.01.2011, 05:30

Während die Lage im Norden weiter angespannt ist, geht der Hochwasserpegel im südlichen Landkreis deutlich zurück. Kritischer Punkt ist nach wie vor das elbnahe Schelldorf, wo das THW gestern eine Pumpstation aufbaute. Der Krisenstab warnt nochmals ausdrücklich vor Hochwassertourismus. Das sei nicht nur gefährlich, sondern behindere die Arbeit.

Stendal. "Der Scheitel hat Sachsen-Anhalt verlassen. Das ist die Botschaft des Tages." Ein bisschen Entspannung traut sich Landrat Jörg Hellmuth schon am Sonnabendvormittag zu zeigen. Schränkt aber auch gleich ein: "Das ist erfreulich, aber kein Grund zur Entwarnung."

Lag der Elbe-Pegel bei Tangermünde am Sonnabendmorgen noch bei 7,13 Meter, waren es einen Tag später nur noch 6,89 Meter. Und am Abend war der Pegel bereits auf 6,76 Meter gesunken. Der Tanger, so berichtete Hellmuth, laufe bereits wieder aus den Niederungen heraus. "Demker, Weißewarte und Elversdorf werden stündlich entlastet."

Sonntagmittag wurde die Sperrung der Straße zwischen Weißewarte und Demker wieder aufgehoben, so dass der Berufs- und vor allem der Schülerverkehr auf dieser Strecke ab heute wieder rollen kann (wenn auch mit Einschränkungen).

Problematisch sei es nach wie vor in Schelldorf, das mit Rückstau und Sickerwasser aus dem Elbdeich zu kämpfen habe (siehe auch die Berichterstattung auf der Tangerhütte-Seite). "Das Wasser geht dort noch nicht zurück, und der Wasserstand ist hoch", so Landrat Hellmuth. Auf Anfrage der Gemeinde wurde mit dem Technischen Hilfswerk am Sonntag eine Pumpstation aufgebaut. "Ob wir den Wasserstand damit etwas drücken können, wird sich wohl erst am Montag zeigen", sagte Hellmuth nach der Krisenstabsitzung am Sonntagvormittag.

Sickerstellen an Deichen indes gebe es vor allem auf ostelbischer Seite zwischen Klietz und Scharlibbe. "Die wurden bereits verbaut", so der Landrat.

Sandsäcke zur Abdichtung und Verstärkung der Deiche gebe es genug. Havelberg – wo der Pegel gestern bei 4,39 Meter stand und, schon zurückgehend, die Prognosen nicht übersteigen werde – habe mehrere tausend Sandsäcke in Reserve. Auch im Stendaler Lager im Hangar auf dem Flugplatz lägen 7000 befüllte Säcke bereit. "Vor 14 Tagen haben wir nochmal 60 000 Säcke geordert", sagte Hellmuth.

Schwerpunkt der Beobachtungen bleibe nach wie vor die Region Aland mit dem Zehrengraben im Norden des Landkreises. Am Freitag wurde der Deichfuß auf 500 Metern Länge verstärkt. "Wir konnten uns überzeugen, dass das Wirkung zeigt und der Deich abgeschlossen ist", so Hellmuth. Die jetzt vom Wasser eingenommene Fläche sei jedoch weitaus größer als nach den Hochwassern 2002 und 2006. "Das sind vorwiegend landwirtschaftliche Nutzflächen, es muss mit sehr großen Ernteausfällen gerechnet werden", verdeutlichte Flussbereichsleiter Reinhard Kürschner und mahnte auch in Richtung aller Hausbesitzer: "Wenn die Welle durch ist, heißt das noch lange nicht Sorglosigkeit." Aufgeweichte Keller könnten noch immer Gefahren für die Stabilität der Häuser bergen.

Eine dringende Bitte richtet Landrat Hellmuth nochmals an die Bevölkerung: "Die Deiche dürfen nicht betreten werden. Ich warne vor Hochwassertourismus. Das ist nicht nur gefährlich, sondern behindert auch unsere Arbeit." Burkhard Henning, Direktor des Landesbetriebs für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW), erklärte: "Die Deiche sind völlig durchnässt, selbst für die Deichläufer, die Kontrollgänge machen, ist das riskant. Selbst wenn es nicht so aussieht, der Deichkörper ist in seiner Festigkeit nicht berechenbar."

Es wurden vor allem Autos mit Brandenburg-Kennzeichen beobachtet, die in abgesperrten Bereichen geparkt waren. Die Polizei geht verstärkt auf Streife. Wer als Hochwassertourist erwischt wird, kassiert nicht nur einen Platzverweis, sondern wird wegen einer Ordnungswidrigkeit mit Strafgeldern von mehreren tausend Euro belangt.

Ein Bauvorhaben, das seit vielen Jahren geplant ist, sich aber noch durch eine Klage des Bunds für Umwelt und Naturschutz verzögert, rückt für das LHW jetzt wieder in den Fokus: ein Aland-Überleitungsbauwerk. "Wir haben die Genehmigung seit 2009 und jetzt die Anordnung der sofortigen Vollziehung beantragt", so LHW-Chef Henning. "Diese Überleitung ist wichtig, damit in Situationen wie jetzt ein Teil des Alands in die Seege übergeleitet werden kann."