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Sebastian Stoll und Björn Malycha äußern sich zu fremdenfeindlichen Bewegungen "Ich sehe aktuell keine Gefahr"

15.01.2015, 01:08

Die Pegida-Demonstrationen in Dresden, aber auch deren Ableger schlagen derzeit hohe Wellen. Auch in Magdeburg soll es bald die erste Demonstration (Magida) geben. Volksstimme-Redakteurin Tanja Andrys wollte von Sebastian Stoll und Björn Malycha wissen, welche Auswirkungen das auf den Landkreis Stendal hat, vor allem vor dem Hintergrund steigender Asylbewerberzahlen.

Volksstimme: Herr Stoll, Herr Malycha, wenn man vom Attentat in Paris hört, klingt das weit weg. Kürzlich gab es einen Anschlag auf die Hamburger Morgenpost, das ist schon viel näher. Aus der Sicht des Landkreises Stendal betrachtet - wie nah gehen einem solche Ereignisse?

Sebastian Stoll: Das regt natürlich zum Nachdenken an. Auch als Landkreis versucht man abzuwägen, was das für die Region bedeutet, worauf man achten muss beziehungsweise was in Zukunft noch kommen könnte. Aber man wird künftig sensibler im Umgang mit diesem Thema sein.

Björn Malycha: Ich sehe aber aktuell kein Gefahrenpotenzial für den Landkreis.

Sind denn Vorfälle wie Paris oder Hamburg Nährboden für fremdenfeindliche Reaktionen, auch hier vor Ort?

Malycha: Solche Ereignisse bewegen die Menschen, das merkt man schon. Aber mir ist nicht bekannt, dass sich jetzt hier vor Ort einzelne Personen oder Gruppierungen aktiv gegen den Islam und die Muslime positionieren.

Stoll: Das sehe ich auch so. Ich denke aber, es wird auf jeden Fall noch mal auf Landesebene mit den Amtsleitern diskutiert und beraten werden.

Gibt es denn allgemein im Landkreis Reaktionen fremdenfeindlicher Art?

Malycha: Nein, das ist mir nicht bekannt.

Stoll: Wir hatten in der Vergangenheit keine Probleme. Auch im Hinblick auf unsere Aufgabe 2015, dass wir sehr viele Asylbewerber bekommen werden, die wir unterbringen müssen, haben wir bisher keine Gegenwehr erlebt. Im Gegenteil. Viele Bürger, Firmen, Wohnungsbesitzer und Vermieter haben ihre Hilfe angeboten.

In Dresden und Leipzig formieren sich seit einiger Zeit anti-islamische Bewegungen wie Pegida oder Legida. Selbst in Magdeburg wird im Internet schon zur Magida aufgerufen. Das ist dann aber doch sehr vor der Haustür. Könnte das ein Problem werden?

Stoll: Wir sind auch Versammlungsbehörde und gucken auch ganz genau, unter welchem Thema eine Versammlung angemeldet wird. Wenn sich da aus irgendeinem Grund so etwas entwickelt, dann muss man auch spontan reagieren. Bis jetzt ist das noch etwas weiter weg von uns, aber wir würden die Augen nicht davor verschließen.

Malycha: Ich kann nicht ausschließen, dass auch aus unserem Landkreis viele Menschen mit Magida oder Pegida sympathisieren. Magida ist bisher nur eine Onlineplattform. Was daraus wird, bleibt abzuwarten.

2015 ist für den Landkreis Stendal mit steigenden Asylbewerberzahlen zu rechnen. Mit welchen Präventionsmaßnahmen versuchen Sie, Fremdenfeindlichkeit vorzubeugen?

Malycha: Wir haben Fördermittel aus dem Bundesprogramm "Demokratie leben!" bewilligt bekommen. Die wollen wir auch nutzen, um die Bevölkerung des Landkreises unter anderem über Asylgründe, Asylrecht, Asylbewerberleistungen zu informieren und Begegnungsmöglichkeiten zu schaffen. So wollen wir Ängste und Vorurteile abbauen und Fremdenfeindlichkeit vorbeugen.

Wie sieht das praktisch aus?

Malycha: Allgemein gesagt: Informationen aufarbeiten, der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen und den Dialog suchen.

Stoll: Das Modellprogramm ist nur eine Möglichkeit, die wir aufgegriffen haben. Es gibt aber auch Projekte wie "Schule ohne Rassismus / Schule mit Courage", die bei uns im Landkreis bereits umgesetzt werden. Das sind Projekte, bei denen unsere Jugend aufgeklärt wird, wie man mit solchen Themen umgeht und welche Extreme es im Umgang mit anderen Menschen gibt. Im Hinblick auf die steigenden Asylbewerberzahlen gewinnt das immer mehr an Bedeutung.

Bei Ihrer Arbeit im Umgang mit Asylbewerbern legen Sie viel Wert auf Sprachsensibilität. Sie sprechen von steigenden Asylbewerberzahlen, in den Medien wird oft von einer Asylbewerberflut gesprochen. Warum ist dieses Wort so schwierig?

Malycha: Weil es von vornherein etwas Negatives, eine Gefahr suggeriert. Eine Flut gefährdet mein Leben und mein Eigentum, das haben wir doch hier im Landkreis 2013 erlebt. Da muss man sehr vorsichtig sein, dass sich solche Assoziationen nicht in den Köpfen der Bevölkerung festsetzen. Das Thema Sprachsensibilität wird daher auch ein Teil unserer Präventionsarbeit sein.

Stoll: Genauso wird es auch bei uns im Haus gehandhabt. Wir sagen nicht: Die steigenden Asylbewerberzahlen sind ein Problem, dem wir uns stellen müssen. Wir sagen immer: Das ist eine Aufgabe. Wir haben die Aufgabe, diese Menschen unterzubringen. Und dieser Aufgabe stellen wir uns.