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Sparkassen-Skandal Stendal "Es waren nur zwei Augen da"

Falsch deklarierte Rechnungen, künstlich unter einem Volumen von 10.000
Euro gehaltene Aufträge, mangelnde Kontrolle durch die Leitung und eine
lückenhafte Dokumentation bei den Bauprojekten - vor dem Stendaler
Landgericht gab es am Mittwoch aufschlussreiche Einblicke im
Sparkassen-Skandal.

26.02.2015, 01:30

Stendal l Sie waren die letzten der acht Zeugen, die die Vorsitzende Richterin Haide Sonnenberg aufrief. Vor der Ersten Zivilkammer des Landgerichtes lieferten der langjährige Abteilungsleiters Gerhard U. und der Bauunternehmer Hans-Joachim M. dann fast zwei Stunden lang vielsagende Inneneinsichten in das System der Abrechnung von Bauten der Stendaler Kreissparkasse.

Zunächst betrat M. nach der Mittagspause den großen Sitzungssaal. Bis zu 61 Teilrechnungen habe es für Bauprojekte gegeben, hielt die Richtern dem Bauunternehmer vor. Sonnenberg: "Dass Sie das nicht verwundert?" M.: "Die Regel ist das nicht." Die Angebote habe er schon komplett erstellt. "Wie ich die Rechnungen aufteilen sollte, hat mir Herr U. dann vorgeben."

Sonnenberg staunend: "Haben Sie Herrn U. danach gefragt, warum das so gemacht werden soll?" "Einmal. Da er darauf keine richtige Antwort gegeben hat, habe ich es sein gelassen." Da die Rechnungen so zumeist unter 10.000 Euro landeten, habe er vermutet, dass bis zu dieser Summe die Vergabekompetenz von U. liege.

Beim 80.000 Euro teuren Weinkeller sind auf den 20 Rechnungen Bezeichnungen wie Werbemittellager aufgetaucht. Auch dies habe U. so veranlasst. "Die Rechnungen sind aber korrekt", bekräftigte der Bauunternehmer. Die Richterin atmete da tief durch.

Bei Gerhard U. hakte Sonnenberg dann gleich nach: "Wurden Aufträge künstlich gesplittet?" "Nein." "Herr M. hat exakt das Gegenteil ausgesagt", mahnte sie den Ex-Abteilungsleiter, "stets die Wahrheit zu sagen". Was U. dann auftischte, sorgte nicht nur im Publikum für eine Mischung aus Ungläubigkeit und Erstaunen. Der Bauingenieur erklärte, er habe von 1997 an Baumaßnahmen in unzählige Kostengruppen je Bauarbeiten eingeteilt und derart gesplittet abrechnen lassen.

Sonnenberg: "60 Teilrechnungen - das fanden Sie nicht ungewöhnlich?" U.: "Das ist nie beanstandet worden. Auch nicht von den externen Prüfern. Von der Warte musste ich davon ausgehen, dass es so in Ordnung ist." "Dann kann ich jede Baumaßnahme so atomisieren, dass kein Bauvorhaben mehr bleibt, wo Sie ihre Kompetenzen überschritten. Und Sie können sich nicht vorstellen, dass das nicht richtig ist", fragte die Richterin hartnäckig, sie habe "eine solche Abrechnung über 20 Jahre hinweg noch nicht erlebt". "Nein, wenn ich in einem einzelnen Gewerk über 10.000 Euro lag, habe ich mir die Unterschrift vom Chef geholt."

Inzwischen hätte man im Gerichtssaal eine Stecknadel fallen gehört. "Haben Sie irgendwann Aufträge vernichtet", wollte Sonnenberg nun wissen. "Nein." "Sie sollten sich überlegen, was Sie sagen." "Wenn Angebote und Rechnungen übereinstimmten, habe ich Angebote vernichtet", räumte U. ein. Warum? "Vielleicht war es mir zuviel Papier."

Da wurde nicht nur das Publikum unruhig. "Aber vom Vier-Augen-Prinzip haben Sie schon etwas gehört", bohrte Sparkassen-Anwalt Bernhard Steinkühler nach. "Ja. Das hat für mich aber keine Rolle gespielt. Ich hatte ein ungutes Gefühl, aber es waren nur zwei Augen da." Dass Rechnungen falsch deklariert worden waren, musste der ehemalige Bauverantwortliche auch einräumen.

Dieter Burmeister soll von alledem nichts mitbekommen haben. Aber: Der Ex-Chef sei bei den Bauplanungen intensiv eingebunden gewesen. Auch auf Baustellen habe er oft Präzenz gezeigt. "Hat er auch einmal Unterlagen geprüft", wollte die Richterin wissen." "Das glaube ich nicht." "Er hat aber mit den Zimmererleuten auf der Baustelle gesprochen", konterte Sonnenberg trocken.

Es dürfte nicht der letzte Auftritt von Gerhard U. und Hans-Joachim M. vor der Ersten Zivilkammer gewesen sein. "Scheinrechnungen kommen noch", kündigte die Vorsitzende Richterin einen weiteren Themenkomplex an. "Bald."

Sonnenberg will bis zu den Sommerferien noch fünf Verhandlungstage terminieren. Eine Ende ist auch danach nicht abzusehen.