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Tod eines Feldwebels Verkettung unglücklicher Umstände

Die beiden wegen fahrlässiger Tötung angeklagten Bundeswehrsoldaten (22
und 30) sind gestern vor dem Amtsgericht Gardelegen freigesprochen
worden. Ihnen war keine Mitschuld am Tod eines im Mai 2013 von einem
Panzer überrollten Feldwebels nachzuweisen.

Von Thomas Pusch 25.03.2015, 02:21

Gardelegen l 25. Mai 2013, Gefechtsübungszentrum "Altmark". Gegen 11.45 Uhr gibt der Kommandeur eines Schützenpanzers Typ Marder per Handzeichen den Befehl, ihm etwa 100 Meter rückwärts entgegenzukommen. Der Truppführer an Bord leitet den Befehl an den Kraftfahrer weiter. Das 600 PS starke Gerät setzt sich in Bewegung. Der Truppführer gibt per Funk zwei, drei Richtungsänderungen durch, der Fahrer folgt aufs Wort. Etwa 20 Meter vor dem Kommandeur gibt der Truppführer den Befehl: "Anhalten", doch nichts passiert. Verzweifelt ruft er immer wieder und lauter, doch der Fahrer hört ihn nicht. Der 33,5 Tonnen schwere Panzer überrollt den Kommandanten. Der 28-jährige Jürgen B. erliegt noch am selben Tag seinen schwersten Verletzungen.

Im September vergangenen Jahres wurden Truppführer Stefan B. (30) und Fahrer Ludwig B. (22) vor dem Landgericht Stendal wegen fahrlässiger Tötung zu Geldstrafen in Höhe von mehreren tausend Euro verurteilt.

Staatsanwalt Thomas Kramer wollte die genaue Höhe nicht beziffern. Gegen den Strafbefehl legten die beiden Verurteilten aber Einspruch ein und so kam es gestern zum Prozess vor dem Amtsgericht Gardelegen. Der Vorwurf lautete, dass mit einer offensichtlich defekten Bordfunkanlage die Fahrt mit dem Panzer nicht hätte fortgesetzt werden dürfen. "Und das Gutachten hat ergeben, dass dieser Verschleiß nicht erst seit gestern bestand", sagte Richter Axel Bormann. Konkret handelte es sich um eine ausgeleierte Steckerverbindung, die dafür gesorgt haben könnte, dass die Befehle des Truppführer nicht zu hören waren. Dieser sagte aber aus, er habe während der fünf Tage zuvor keine Probleme mit der Kommunikation gehabt. Einzige Störung seien Rauschen und Piepsen im Funkverkehr gewesen, die wohl mit der Funkanlage des Gefechtsübungszentrums zusammenhingen. Auch die Befehle zum Rückwärtsfahren und die Richtungskorrekturen seien vom Kraftfahrer offenbar verstanden worden. Nur auf den Befehl zum Anhalten habe dieser nicht reagiert, was zu dem Unglück führte.

Kraftfahrer B. schilderte den Vorgang ähnlich. Einwandfrei habe er die Kommandos zunächst verstanden. Dann nichts mehr gehört. Plötzlich habe Truppführer B. laut geschrien, woraufhin er anhielt.

Mehrere Zeugen, die ebenfalls an Bord des Marder gewesen waren, sagten ähnlich aus. Sie bestätigten die ständigen Funkstörungen, die von Rauschen und anderen Geräuschen begleitet wurden, sowie eine gut funktionierende Verbindung über den Bordfunk bis zu dem Zwischenfall.

Zunächst sah es so aus, als müssten die beiden Angeklagten sogar mit einem härteren Urteil rechnen. Bormann bot an, den Einspruch zurückzuziehen, doch die Verhandlung wurde fortgesetzt.

Entscheidend war die Aussage des Gutachters Oberstleutnant Jens B. Er konnte nicht ausschließen, dass die Steckverbindung bis zum Unfall hielt, ohne dass der Zugführer die Verbindung zusammengehalten habe. Er also nicht vorhersehen konnte, was passieren würde. So plädierte Staatsanwalt Thomas Kramer für den Freispruch der beiden Angeklagten, deren Anwälte schlossen sich an und ohne große Pause beendete Bormann den Prozess mit dem Freispruch. Eine Verkettung unglücklicher Umstände sei es gewesen, zu der letztlich auch gehörte, dass der Feldwebel im Moment des Überfahrens mit dem Rücken zum Panzer stand.