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Selbstanzeige FDP-Spitze verfälscht Wahlliste

Noch vor der für Dienstag angesetzten Bestätigung der Kandidaten für die Wiederholung der Stadtratswahl wird die erste Unregelmäßigkeit bekannt: Die FDP hatte eine Kandidatenliste mit 19 Bewerbern eingereicht. Von der Parteibasis nominiert waren jedoch nur 18.

02.05.2015, 01:21

Stendal l Donnerstag, 9. April - es ist 22 Uhr, als im sozialen Netzwerk Facebook Marcus Faber eine Nachricht absetzt: "Als Spitzenkandidat der Freien Demokraten Stendal kandidieren 18 Mitstreiter mit mir zur Stadtratswahl. Ich freue mich drauf!" In einem Kommentar schiebt er hinterher: "Für unsere Statistiker: 7 Frauen, 12 Männer, 7 parteilose Kandidaten."

Da ist die Nominierungsveranstaltung des FDP-Ortsverbandes im Altstadt-Hotel erst wenige Minuten vorüber. Allerdings: Die anwesenden 13 Mitglieder der Stendaler Liberalen hatten dort nur 18 Bewerber für die Wahl am 21. Juni nominiert.

Die an dem Abend verabschiedete Liste endet mit Marie-Christin Faber auf Platz 18. Die im Rathaus eingereichte und von Versammlungsleiterin Astrid Bleißner, Schriftführer Marcus Faber und Vertrauensperson Angela Basner unterzeichnete Liste weist jedoch 19 Kandidaten auf. Marie-Christin Faber steht hier auf Platz 19. Auf Platz 18 rangiert dagegen Manfred Schulz.

Auswertung am Montag im FDP-Kreisvorstand
"Uns ist ein Fehler passiert", räumte FDP-Ortsverbandsvorsitzende Bleißner am Donnerstagabend ein, ohne Namen zu nennen. Dabei sei die Nominierung eines Bewerbers, dessen Zustimmung vorlag und "der über eine hohe Akzeptanz im Ortsverband" verfüge, "vergessen" worden. "Gleichwohl wurde dieser Bewerber im Wahlvorstand versehentlich aufgeführt."

"Das ist ärgerlich", bedauerte auch Spitzenkandidat Faber. Wie das genau passiert ist, ließen beide erst einmal offen. Sie wollen den Vorfall am Montagabend zunächst mit dem FDP-Kreisvorstand besprechen.

Die Ortsverbandsvorsitzende musste stattdessen ihrem ahnungslosen Mitglied Schulz erst einmal beibringen, dass aus der Kandidatur nichts wird. Der 64-jährige Uenglinger war vor einem Jahr auf Platz sieben angetreten und hatte mit 62 Stimmen das siebtbeste Ergebnis unter den 18 FDP-Bewerbern geholt. Am 25. Mai 2014 hatten die Freien Demokraten ihren zweiten Stadtratssitz mit nur 100 Stimmen Vorsprung vor den Grünen erobert.

Mit ihrer Erklärung reagierte Astrid Bleißner auf eine Anfrage von Stadtwahlleiter Axel Kleefeldt. Dem lagen seit Donnerstagvormittag zwei Einsprüche gegen die FDP-Liste vor. Eine von einem Stendaler Rechtsanwalt im Auftrag eines Mandanten und einer von Tom Klein, Vertrauensperson der AfD. Klein beruft sich in seinem Antrag auf eine Bestätigung dieses Vorfalls durch ein FDP-Mitglied, das bei der Veranstaltung anwesend war.

AfD-Mann Klein, der selbst für den Stadtrat kandidiert, beantragt nunmehr, dass der Wahlausschusss den Wahlvorschlag der FDP für unzulässig erklären soll: "Die bloße Streichung einzelner Personen ist schon aus politischen Gründen dem Bürger nicht vermittelbar, solange der oder die Verantwortlichen für die Fälschung des Wahlvorschlags nicht zweifelsfrei identifiziert sind."

Kleefeldt hat sich am Donnerstag Entscheidungen über vergleichbare Fälle besorgt. Diese will er am heutigen Sonnabend in einer Sonderschicht im Rathaus auswerten und am Dienstag dem Wahlausschuss einen Vorschlag für das weitere Verfahren unterbreiten. Bis dahin möchte der Wahlleiter den Fall auch noch nicht kommentieren.

Der FDP sind jetzt zunächst einmal die Hände gebunden. Sachsen-Anhalts Kommunalwahlgesetz legt fest, dass nach der Ablauf der Frist für die Einreichung der Wahlvorschläge - diese lief vorigen Montag aus - "Mängel in der Zahl und Reihenfolge der Bewerber (...) nicht mehr beseitigt werden" können. Gleichwohl können sich die Liberalen Hoffnungen machen, dass nicht ihre ganze Liste gefährdet ist. In Paragraf 28 heißt es: "Betreffen die Mängel eines Wahlvorschlages, der mehrere Bewerber enthält, nur einen oder mehrere, so ist die Zulassung nur hinsichtlich des einen oder der mehreren Bewerber zu versagen."

Bleißner: "Wir möchten uns öffentlich entschuldigen"
Abseits des Wahlgesetzes liegt hingegen der Fall, dass das FDP-Trio beim Einreichen der 19er-Liste an Eides statt versichert hat, "dass die Aufstellung der Bewerber in geheimer Abstimmung und nach demokratischen Grundsätzen" erfolgt sei. Falsche eidesstattliche Erklärungen können mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden.

Astrid Bleißner möchte sich im Namen des FDP-Ortsverbandes "für diesen Fehler öffentlich entschuldigen". Sie kündigte zudem an, "bei den Strafverfolgungsbehörden eine Selbstanzeige einreichen" zu wollen: "Wir haben uns zur Veröffentlichung entschlossen, weil wir Wert auf unsere Glaubwürdigkeit legen."