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Anteilsverkauf der Stadtwerke im Jahr 2002 ist wieder aktuelles Thema im Wahlkampf Eine Schlacht aus der Vergangenheit

Von Donald Lyko 09.06.2015, 03:13

Der Verkauf von 74,9 Prozent der Stadtwerke Stendal im Jahr 2002 ist im Wahlkampf wieder zum Thema geworden. Auch mit der Frage, ob die Anteile zurückgekauft werden sollten, um vom Gewinn einen größeren Teil abzubekommen.

Stendal l Hardy Peter Güssau hatte vor ein paar Wochen den Diskussions-Stein ins Rollen gebracht. Während der Nominierungsveranstaltung der CDU-Stadtratskandidaten hatte er als Stadtverbandsvorsitzender den Anteilsverkauf als Beispiel für eine erfolgreiche christdemokratische Kommunalpolitik genannt. Prompt kam einen Tag später die Antwort von Reiner Instenberg, OB-Kandidat der SPD: "Ehrliche Politik sieht anders aus." Denn weil die Stadt nur noch 25,1 Prozent der Anteile besitzt, bekomme sie bei der Ausschüttung vom Gewinn auch nur ein Viertel. Für die Jahre 2004 bis 2014 zusammengerechnet seien das rund 6,4 Millionen Euro von insgesamt knapp 25,7 Millionen Euro. "Der Stadt gingen seit 2004 insgesamt zirka 19,3 Millionen Euro verloren", kritisierte Instenberg. Diese Summe lande bei den anderen Anteilseignern, den Städtischen Werken Magdeburg und der Gelsenwasser AG in Gelsenkirchen. "Ohne den Verkauf hätten wir dieses Geld jetzt in Stendal zur Verfügung", reagierte der SPD-Kandidat unmittelbar nach der Güssau-Äußerung.

Während des Volksstimme-Forums mit den drei OB-Kandidaten in der vergangenen Woche erneuerte der Sozialdemokrat seine Kritik. Der Anteilsverkauf sei "ein fataler Fehler" gewesen. Dennoch sprach er sich gegen einen Rückkauf der Anteile aus, die aktuelle Debatte kommentierte er so: "Wir schlagen Schlachten aus der Vergangenheit." Dass es damals nicht so gut um die Stadtwerke Stendal stand, habe auch an den Geschäftsführern gelegen. Instenberg: "Die waren nicht der Brüller."

Stadtwerke gehören heute zu umsatzstärksten Firmen

Änderungen im Management - die wären nach Ansicht von Katrin Kunert, OB-Kandidatin der Linken, auch ein Weg gewesen, im Jahr 2002 auf Probleme zu reagieren. Wenn etwas in einem schlechten Zustand sei, "dann ist der Verkauf nicht immer der bessere Trend", sagte sie während des Forums. Für sie ist der Anteilsrückkauf eine mögliche Option, denn mit dem, "was wir selber haben, können wir für uns als Stadt was erwirtschaften". Zudem würden mit mehr Anteilen auch mehr Stadtvertreter in den Stadtwerke-Gremien mitwirken können. Und wie sollte die Rückkauf finanziert werden? Kunert: "Bei dem niedrigen Zinsniveau würde man es hinbekommen."

Einen Rückkauf von Anteilen hält Klaus Schmotz, OB-Kandidat der CDU und während des Anteilsverkaufs schon Oberbürgermeister, für "unrealistisch". Die Stadtwerke hätten dank der Privatisierung eine gute Entwicklung genommen. Dank der Partner gehören die Stadtwerke Stendal heute zu den 100 umsatzstärksten Unternehmen in Sachsen-Anhalt, sie liegen auf dem 68. Platz.

Schmotz verteidigte die Entscheidung von 2002, denn die Stadtwerke seien damals als 100-prozentige Stadttochter in einem "suboptimalen Zustand" gewesen. In den Gremien seien alle Stadtratsfraktionen vertreten gewesen, wies er einseitige Vorwürfe zurück, und alle hätten "zugesehen, wie die Stadtwerke in eine Schieflage gekommen sind". Zum Verkauf sagt er heute: "Es war der einzige Weg, die Stadtwerke auf Kurs zu halten." Der Anteilsverkauf habe eine Konsolidierung möglich gemacht.

Die Stadt Stendal habe vom Verkauf der Anteile profitiert und das Geld gut eingesetzt, sagte Schmotz. Die damalige Bietergemeinschaft von Avacon und Städtischen Werken Magdeburg hatte knapp 13 Millionen Euro gezahlt. Geld, das dringend benötigt wurde, um die Stadtwerke zu halten - einige der Beteiligten sprechen sogar vom "Überleben durch die neuen Investoren" -, aber auch für das Spaßbad AltOa. Das hatte die damalige Stadtwerke-Tochter Palm Springs GmbH Co KG errichtet - und das Vorhaben wurde eine Million Euro teurer als geplant. Diese Mehrkosten, aber auch Teile des Kredites konnten mit Geld aus dem SWS-Anteilsverkauf finanziert werden - und die Stadt hatte unter dem Strich ein bezahltes Spaßbad.

Das gehört in die - nicht ganz einfache - Aufrechnung, die jetzt zum Wahlkampfthema geworden ist, ebenso wie die Aussage, dass die Stadt zwar nur ein Viertel vom Gewinn bekommt, aber 100 Prozent der Konzessionsabgabe und der Gewerbesteuer - wobei ein Gewinn immer optional und damit unsicherer ist, die Konsessionsabgabe aber relativ sicher ist.