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Brachiale Bohraktion Baumfrevel auf dem Stendaler Domplatz

Auf dem Stendaler Domplatz kann derzeit zwei Bäumen beim Sterben zugesehen werden. Die evangelische Stadtgemeinde ist entsetzt und hofft, mit einer Anzeige für Aufklärung sorgen zu können. Der Schaden beläuft sich auf bis zu 25000 Euro.

16.06.2015, 01:12

Stendal l Die Mitglieder des Gemeindekirchenrates sind von einer Entdeckung Anfang Juni noch immer fassungslos: Der etwa 60 Jahre alte Ahorn und die 20 Jahre alte Linde färbten sich in den ersten Juni-Tagen in der Krone braun. Inzwischen hat sich die Mehrzahl der Blätter braun gefärbt. Der Befund von Mitarbeitern des städtischen Grünflächenamtes ist eindeutig: "Die Bäume sind nach unserer Einschätzung nicht mehr zu retten und werden absterben."

Sowohl Kirchengemeinde als auch Stadt hatten nach dieser Entdeckung Anzeige bei der Polizei gestellt - gegen Unbekannt. Der Platz wird nicht nur um zwei markante Bäume beraubt. Diese haben auch ihren Preis: Ein Ahorn in dieser Kategorie kostet nach Schätzungen der Stadt bis zu 20000 Euro, eine Linde in diesem Alter gibt es laut Katalog für etwa 6500 Euro.

Frobel: Bäume wurden hinter Bauzaun geschädigt
Gemeindekirchenrats-Vorsitzender Detlef Frobel ist noch immer entsetzt: "Ich kann nur die Vermutung äußern, dass Nachbarn die Bäume nicht gefallen." Was ihn besonders misstrauisch macht: Die Bäume waren zeitweilig von einem Zaun umgeben, den eine der Baufirmen für Arbeiten zum Umbau des Gefängnisses in eine Wohnanlage aufgestellt hatte. Das Gerüst stand so jedoch auf dem Gelände der Stadtgemeinde und nicht mehr auf dem der ehemaligen Justizvollzugsanstalt.

Dies hatte das Kreiskirchenamt beim Tiefbauamt der Stadt angezeigt. Danach wurde der Zaun zurückversetzt und auch dessen Plane abgenommen. Die "Bescherung", die dann zu sehen war, hielt eine Mitarbeiterin des Grünflächenamtes so fest: "Im unteren Stammbereich der Bäume wurden Bohrlöcher mit einem Durchmesser von jeweils etwa zwei Zentimetern festgestellt. Die Bohrlöcher wurden mit einer unbekannten dunklen Substanz wieder verschlossen. Zudem wurden im Bereich um zwei dieser Bohrlöcher die Rinde und der Holzkörper eingesägt."

Frobel geht davon aus, dass hier gezielt eine Injektion gesetzt worden sein muss, die einen schnellen Tod für Ahorn und Linde bringen sollte. "An beiden Bäumen ist auch noch ein Ausfluss zu erkennen."

Fest steht für die Stadt, dass es kein Werk von Experten war: "Gutachterliche Bohrungen zur Feststellung der Standsicherheit werden baumschonend durchgeführt und hinterlassen deutlich kleinere Löcher, die schnell wieder verheilen." Seitens der Stadt und der Kirchengemeinde gab es auch keinen Auftrag für derartige Untersuchungen.

Thomas Richter-Mendau, der im Auftrag seiner Frau Bianka als Projektleiter für den Gefängnis-Umbau fungiert, zeigte sich überrascht über die Entwicklung auf dem prominenten Nachbargrundstück. "Wir haben die Baufirma sofort angewiesen, den Zaun zu versetzen, als uns das Tiefbauamt darauf hingewiesen hatte", betonte er. "Mehr kann ich dazu gar nicht sagen."

Verhältnis der Nachbarn ist nicht ungetrübt
Auf dem eigenen Areal habe man im Herbst einen Baum gefällt. "Das haben wir vorher natürlich beantragt und nach der Genehmigung dann umgesetzt", sagte Richter-Mendau.

Ungetrübt ist das nachbarschaftliche Verhältnis ohnehin nicht, seitdem das Ende 2010 geräumte Gefängnis 2012 für 37000 Euro veräußert worden war. Richter-Mendau hätte gerne eine Zuwegung über den Domplatz errichtet. Das verwehrte ihm die Gemeinde auch mit Verweis auf den Charakter des Platzes, der einstmals Friedhof war. Die Kirchengemeinde ihrerseits scheiterte mit dem Begehren, einen Teil des Grundstücks an der Hallstraße zu erwerben. Zuletzt wurde ein Streit um einen Spielplatz auf dem Domplatz öffentlich. Den verweigerte die städtische Denkmalbehörde.

Der Platz gilt als Ruhezone und Grünanlage in der Stadt. Eigentümer ist die Kirchengemeinde. Seit mehr als 25 Jahren gibt es einen Vertrag mit der Stadt, der eine öffentliche Nutzung und Pflege vorsieht. Rathaus-Sprecher Klaus Ortmann: "Die Stadt ist Nutzerin und hat die öffentlich-rechtlichen Pflichten der Eigentümerin zu erfüllen." Daher hat auch die Stadt Anzeige erstattet.

Detlef Frobel hat am morgigen Mittwoch eine Vorladung bei der Polizei. "Vielleicht wissen wir danach schon etwas mehr", hofft er.