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Selbstregulierung des Ökosystems Wir müssen den Wolf tolerieren und akzeptieren

Viele Fragen tauchen zur Wiederansiedlung des Raubtieres Wolf in der öffentlichen Diskussion auf. Die Volksstimme geht ihnen mit einem Wolfsexperten nach.

25.06.2015, 01:08

Mehrmals wurde berichtet, dass die Wölfe keine große Scheu vor Menschen gezeigt hätten. Wie ist das einzuordnen?
Martin Trost (Wolkfsexperte): Es liege in der Erwartungshaltung der Menschen, dass ein Wolf in Panik davonlaufe, sobald er ihrer angesichtig werde. Es sei auch davon auszugehen, dass sich das Tier zurückziehe. Dabei sei es durchaus normal, dass Wölfe in der Nacht in der Nähe von Siedlungen vorbeiziehen. Martin Trost: "Das machen andere Wildtiere auch." Nicht normal sei solch ein Verhalten am hellichten Tag. So etwas sei auf einem Truppenübungsplatz in Niedersachsen beobachtet worden, aber noch nicht endgültig geklärt. Viele Wildtiere zeigten vor Fahrzeugen wenig Scheu, vor Menschen schon. In einem Fall seien Wölfe mit Schlachtabfällen angefüttert worden, das sei verboten und gefährlich. Denn die Tiere verteidigten in dem Fall ihre Beute. Wenn sich Wölfe Menschen nähern, sei das ein unerwünschtes und nicht normales Verhalten. Mit Wildtierexperten sollte ein weiteres Vorgehen, wie ein nachhaltiges Vertreiben, abgestimmt werden

Ist es für Kinder, Spaziergänger, Hundehalter oder Pilzesucher gefährlich in den Wald zu gehen?
Der Wolfsbeauftragte: "Nein. Es gab noch nicht eine gefährliche Situation in Deutschland, die von Wölfen ausging." Selbst, wenn sie sich - wie in oben genanntem Beispiel - Menschen näherten, hätten sie noch nie aggressives Verhalten gezeigt. Es gebe dahingehend viele Gerüchte und Angstmacherei. Aber nichts davon sei nachweisbar. Es sei noch kein konkreten Fall eines Übergriffs von Wölfen auf einen Menschen bekannt. Die Gefahr, dass Mensch oder Hund von Wildschweinen oder wildernden Hunden angegriffen werden, sei ungleich höher.

Wie sollte man sich verhalten, wenn ein Wolf den Weg kreuzt?
Der Wolfsbeauftragte empfiehlt, sich in so einer Situation zu verhalten wie allen Wildtieren gegenüber: mit dem nötigen Respekt. Sollte sich das Tier tatsächlich nicht schleunigst ins Unterholz verziehen, sei ein Rückzug ohne Panik angebracht. Eventuell helfe es auch, sich groß zu machen und laut zu schreien, um das Tier zu vertreiben. So ein Fall sei ihm aber bisher nicht bekannt.

Wie gefährlich ist der Wolf für den Straßenverkehr?
Die Wildunfallzahlen im Landkreis Stendal sind seit Jahren hoch, aber: "Der Straßenverkehr hat mit dem Wolf nichts zu tun, dergleichen ist nicht belegt", konstatiert Martin Trost. Dass Nutztierherden in Unruhe geraten und Zäune durchbrechen, wenn sie von Wölfen angegriffen werden sei theoretisch möglich, aber bislang rein spekulativ, weil nicht nachgewiesen.

Wie wirkt sich die Verbreitung des Wolfes auf die Wildbestände aus?
Zu den Wildbeständen gebe es kaum belastbare Zahlen. Fakt sei, dass die Abschusszahlen landesweit gestiegen sind. Die Entwicklung sei lokal unterschiedlich. Wo sich Wölfe dauerhaft ansiedeln, sei davon auszugehen, dass sich das auf die Wildbestände auswirke. Hauptbeute seien Rehe. Eventuell müssten in solchen Gebieten die Abschusszahlen dahingehend korrigiert werden. Es habe aber noch keine drastische Reduktion einzelner Arten gegeben.

Wie kann es aus Ihrer Sicht gelingen, dass Mensch und Wolf in guter Nachbarschaft leben?
"Indem wir ihn tolerieren und akzeptieren, dass seine Wiederkehr ein Schritt zur Selbstregulierung des Ökosystems ist." In anderen europäischen Staaten gehöre der Wolf selbstverständlich zur heimischen Fauna.