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Serie "24 Stunden Stadtsee" / Teil 6: Reges Leben am Stadtsee zwischen 17 und 18 Uhr Treffpunkt für Mensch, Hund, Gans

Von Nora Knappe 11.07.2015, 03:04

Für die Serie "24 Stunden Stadtsee" hat die Volksstimme zu jeder Stunde des Tages, von 12 bis 12 Uhr, einen anderen Akteur des Stadtsee-Lebens besucht und bei seinem Tun um diese Uhrzeit begleitet. Heute: Ein Spaziergang von 17 bis 18 Uhr um den Stadtsee.

Stendal l Eine Runde um den Stadtsee zu drehen, ist für viele Stendaler ein Muss. Sei es, dass sie um ihn herumspazieren, joggen, ihn mit dem Fahrrad oder den Kinderwagen schiebend umrunden oder mit dem Hund Gassi gehen. Der Stadtsee ist die kleine Oase Stendals, hier kann man für ein paar Momente oder auch eine ganze Stunde in Natur eintauchen. Die einzige Entscheidung, die dabei schwerfallen könnte, aber auf jeden Fall getroffen werden muss: Geht man im oder gegen den Uhrzeigersinn?

Die neun Staffelnummern auf den 1752 Metern um den See geben die Richtung gegen den Uhrzeigersinn vor. Interessanterweise folgen die meisten Stadtseegänger, -läufer und -radler auch diesem Kurs. Und so kommen mir in dieser Stunde zwischen 17 und 18 Uhr die meisten Leute auch entgegen, denn mein Stadtsee-Spaziergang geht meistens in der Uhrzeiger-vorwärts-Richtung.

Schlendern, Eis essen, spielen, Tretboot fahren

Entgegen kommen sie mir also - erstaunlich viele! Die erste Feierabendschicht scheint hier unterwegs zu sein. Jogger: vier. Leute mit Hund: fünf. Radfahrer: ungezählte. Eine Möwe kreischt und landet plitschend auf dem sich in kaum merklichen Wölbungen wallenden Wasser. Die drei Bänke hintereinander gleich am Anfang meiner Runde sind besetzt. Eine Frau mit zwei kleinen Schulkindern, Oma-und-Enkel-Zeit. Weiter: ein älterer Herr allein. Weiter: ein Rentnerpaar. Der Weg führt durch die an diesem warmen Sommerabend herrlich kühl-schattende Allee. Am Ufer kommt eine Gruppe Männer in Sicht, zwei angeln, zwei stehen daneben.

Am Bootssteg samt Café gibt es Kundschaft. Ein Senior und eine Frau seiner Generation sitzen sich an einem Tisch draußen auf der Terrasse gegenüber, essen Eis, erzählen. Vier Erwachsene und ein Kind, im Vorübergehen habe ich russische Worte aufgeschnappt (Die Mutter zum Kind: "Poidjom!" - "Los, gehen wir!"), entern ein weißes Tretboot.

Links nun, unter einem Schatten spendenden Baum im Hintergrund, sitzt eine Gruppe Erwachsener. Kleiner Elterntreff, die Kinder toben auf der Wiese, spielen auf der Holzente oder am Ufer. "Hier ist es einfach schön... die Natur, und man ist ein bisschen abgeschirmt", sind sich die Mütter einig. Eine gerät ins Schwärmen: "Und was total niedlich war: die Gänse- und Enten- küken!" Am allerschönsten finden sie den See in den Morgenstunden. "Da ist es noch schön ruhig." Der Morgen dieses Tages ist längst vorbei, der nächste noch längst nicht ran. Der See ist mit Leben erfüllt. Nicht nur drumherum, sondern auch auf dem Wasser. Schwäne: zwei. Möwen: inzwischen zwei. Reiher: einer. Enten und Gänse: ungezählt.

Natürlich, wer um den Stadtsee flaniert, trifft meistens auch jemanden Bekanntes. Ein Kollege von mir und seine Frau kommen mir Eis essend schlendernd entgegen. Kurze Einschätzung zum See, bitte! "Es ist immer wieder schön hier, und wir haben den See ja so gut wie gleich vor der Haustür."

Auch wenn es am Stadtsee manchmal zugeht wie im Volkssportstadion - hinsetzen, ausruhen, innehalten geht natürlich auch. Ich verweile kurz auf einer Bank an der Nordwest-Kurve des Sees. Notizen machen, die Atmosphäre genießen, lauschen. Im Hintergrund rauscht der Verkehr von Erich-Weinert-Straße und Stadtseeallee, das Ansagen-Dingdong vom Bahnhof schallt herüber.

Der Fotograf: "Es gibt hier so schöne Natur."

Zwei Männer, die eben noch auf einer Bank ein paar Meter weiter saßen, gehen vorüber, sie sprechen Arabisch. Einer lächelt mir zu, ich lächle zurück und setze meine Runde fort. Es geht mit einem Lächeln weiter. Von links aus einem schmalen Pfad, an den es grün heranwuchert, kommen ein Mann und eine Frau, an der Leine ein Hund. Der Mann blickt kurz auf meine Kamera, grüßt. Das passiert selten, dass man einfach so gegrüßt wird. "Na, wer eine Kamera dabei hat, der hat ein besonderes Interesse", klärt mich der Mann - es ist Eckhard Jahn, der schon fantastische Tierfotos an die Volksstimme geschickt hat - über seine Freundlichkeit auf. Auch er hat seine Kamera dabei, geht zielgerichtet auf den Uferstreifen, fokussiert in die Ferne.

"Ich bin oft und gern hier zum Fotografieren, manchmal sieht man auch seltene Arten", erzählt er, "es gibt hier so schöne Natur, erhaltenswerte Natur." Und weil er die Natur liebt, ärgert und schmerzt es ihn, wenn wieder jemand einen Baum umgetreten oder gar ein Vogeljunges getötet hat.

Die Frau an seiner Seite ist seine Frau. Roswitha Jahn hat Jagdterrier Elvis an der Leine, der aufmerksam in alle Richtungen späht und schnuppert. Sie findet: "Es ist wirklich schön hier, und man trifft nette Leute, wir sind schon mit vielen ins Gespräch gekommen." - Auch im Tiergarten sind offenbar gerade Gespräche in Gange. Schäfe mä-hä-häen, Damwild blökt, eines hört sich an, als ob es Schluckauf hat.

Dreiviertel sechs. Irgendwie ist es ruhiger geworden am See. Der Stehtisch am Tiergarten-Imbiss wird reingeräumt, vier junge Erwachsene sitzen auf der Wiese am Ufer, im Abendsonnenlicht. Nicht weit entfernt ein Angler, oben auf dem kleinen Hügel ein Mann auf einer Bank, unter der Bank sein Hund. Auf dem See ist jetzt auch noch ein blauer Wassertreter unterwegs, der weiße steuert die Anlegestelle an.

Die Sechs-Uhr-Glocken läuten: Abendbrotzeit!

Etwas von Anlegestelle hat auch die Rampe, die in Tiergarten-Eingangsnähe ins Wasser führt. Kaum bleibt man stehen, steuern mit einem Mal zahlreiche Enten auf den Stehenbleiber zu. Sie sind wohl auf Brothappen-Zuwürfe konditioniert. Sie watscheln ein Stück die Rampe hoch, stocken skeptisch. Hier ist nichts zu holen. Wieder ab ins Wasser, weiterschwimmen. Eine Entenmutter mit vier Jungen nähert sich noch, sie bleiben gleich im Wasser. Alle fiepen, aber auch sie drehen brotlos wieder ab.

Kurz vor sechs rückt Polizei aus, die Sirene zum Blaulicht durchbricht die lauschige Stille. Wenig später verschaffen sich die Glocken von St. Marien Gehör, die von St. Nikolaus setzen fast zeitgleich ein. Ein Geräusch wie aus Kindertagen. Nun weiß man: Ab nach Hause, Abendbrotzeit!

Die Bänke vom Beginn meiner Spazierrunde sind mittlerweile leer. Es kehrt Stille ein am See. Bis die nächste Feierabendschicht am späteren Abend die Natur mitten in der Stadt genießen kommt.

Nächste Folge: Am Dienstag, 14. Juli, sind wir von 18 bis 19 Uhr beim Gebet in der Moschee.