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Erste Premiere der Amateurtheatergruppe " Die jungen Alten " / Vom Reiz der Bühne : "Mal ganz anders sein als im Alltag"

Von Reinhard Opitz 22.03.2010, 04:52

Sie haben keine Schauspielschule besucht, aber sie spielen mit ebenso viel Leidenschaft Theater wie ihre professionellen Kollegen. Davon konnten sich die Besucher der ersten Premiere der Amateurtheatergruppe " Die jungen Alten " am Sonnabend ein Bild machen. Ihr halbstündiges Sketchprogramm zeigen sie auch am 26. und am 28. März.

Stendal. Die Generalprobe muss natürlich einen kleinen Makel haben, sonst klappt ‘ s mit der Premiere nicht. Nun hätte es einfach ein Hänger, ein Ausrutscher oder ein Versprecher sein können. Aber nein – " Antje ist krank ", verkündet Robert Grzywotz am Freitag am Beginn der letzten und wichtigsten Probe vor der Premiere den acht Hobbymimen im Theaterpädagogischen Zentrum ( TPZ ) in der Hallstraße. " Aber morgen ist sie wieder da ", gibt er sich optimistisch, schickt aber doch ein leicht nachdenkliches " Hoffentlich " hinterher.

Zum Glück hat Antje Kloß relativ kleine Rollen in dem Sketchprogramm " Moment !", das am Sonnabend erstmalig aufgeführt werden sollte – und auch wurde. Um es vorwegzunehmen : mit der genesenen Antje. In der Generalprobe spricht Robert Grzywotz, Theaterpädagoge und Leiter der Gruppe, ihren Part in die Szenen hinein.

Los geht ‘ s. " Der Herrenmodensketch !", ruft Robert die erste von drei Nummern auf. Petra Drescher huscht noch schnell in Unterwäsche über die Bühne und verkrümelt sich hinter den Falten des rückwärtigen Vorhangs. Die ersten Lacher hat sie auf ihrer Seite. Die nächsten erntet sie mit ihrem gellenden Schrei, den sie ausstößt, als Jens Beutel auf seiner tapsigen Suche nach einer Umkleidekabine den Vorhang lüftet. Zusammen mit Kathrin Musold gibt er das Loriotsche Pärchen, das in einem Bekleidungsgeschäft nach einem Herrenanzug sucht. Obwohl er eigentlich keinen neuen Anzug braucht, sondern viel nötiger ...: " Seine Unterwäsche sollten Sie mal sehen ", steckt die herrische Gattin der Bekleidungsfachverkäuferin. Diese, gespielt von Janin Schlieker, schmiegt sich derweil in erotischer Erregung an ein aufreizendes Stück Kammgarn-Moher mit englischer Webkante.

" Mal in Rollen schlüpfen, die man sonst nicht spielen darf ", beschreibt Jutta Sasse den Reiz, den sie beim Theaterspielen empfindet. " Raus aus dem Arbeitsalltag ", ist es für Kathrin Musold, und Petra Drescher kann dabei " abschalten und umschalten ". Die neun Frauen und Männer, die sich im November zur Amateurtheatergruppe " Die jungen Alten " zusammenfanden, treiben sehr ähnliche Motive auf die Bühne und vors Publikum. Der Freizeit mehr Sinn geben, nette Leute kennenlernen, das Theater stärken und noch näher ans Publikum rücken ... Und eventuell entdeckt zu werden ? Ganz so hochfliegend sind ihre Pläne nicht, aber vielleicht springt ja doch einmal eine Rolle auf der großen Bühne heraus.

Roberts schöne Ideen

" Das Kaffeekränzchen !", ruft Robert Grzywotz die Akteure wieder auf die Bühne. In Kostümen vom Anfang des vorigen Jahrhunderts empfangen Jutta Sasse und Wolfgang Schröder drei schrullige Damen der " besseren " Gesellschaft. Zunächst sich in säuselnden Lobreden übertreffend, schmähen " Frau Oberkommissar " und ihre Gevatterinnen die Gastgeber, als diese kurz das Zimmer verlassen. Plötzlich ist die Tasse nur halbvoll, der Kaffee miserabel und der Kuchen hundert Jahre alt. Am Ende werden sie rausgeschmissen, stecken sich aber vor dem hastigen Aufbruch noch schnell ein Stück Kuchen in die bösen Münder.

" Solche schönen Ideen hat Robert immer wieder ", freut sich Kathrin Musold über die gelungene Schlussszene. Den kleinen Kränzchen-Sketch hat Petra Drescher zu Hause in einem uralten Buch von Albert Sixtus gefunden : " Ulkige Sachen zum Tränenlachen ".

" Der Bettenkauf !", schallt es von Roberts Regiepult. Die dritte Kostprobe ihres Könnens geht wieder auf Loriot zurück. ( Fast ) jeder kennt die urkomischen Liegeproben der beiden Paare in der Schlafzimmerabteilung eines Kaufhauses – auf dem Modell Allegro mit doppeltem Federkern und Palmfaserauflage und auf dem Bett Presto mit Stützsperre und Spannmuffenfeder. Die Pärchen geraten in Streit, jedes will das Bett, auf dem gerade das andere liegt, bis eines die Ungeheuerlichkeit offenbart, dass es gar nicht miteinander verheiratet ist. Solche Konflikte löst Loriot mit einem präzisen " Ach was ".

" Die jungen Alten " haben mit ihrer ersten kleinen Inszenierung viel Vergnügen bereitet. Im September soll es ernster werden. Zusammen mit der Kunstplatte bereiten sie ein Stück zum Welt-Alzheimer-Tag vor, das im Kleinen Haus des Theaters der Altmark aufgeführt wird.