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Shopping-Lust oder Shopping-Frust?/Gerhard Borstell: "Können niemanden zwingen ein Geschäft zu eröffnen"

Von Kristin Schröder 16.02.2011, 04:29

Die Innenstadt Tangerhüttes hat Probleme: zu wenig Kunden, leerstehende Verkaufsräume, fehlendes Angebot. Bürgermeisterin Birgit Schäfer, Ortsbürgermeister Gerhard Borstell und Peter Krüger, Vorsitzender des Unternehmerstammtisches, sprachen mit der Volksstimme über die aktuelle Geschäftssituation.

Tangerhütte. Ein Blick in die Innenstadt von Stendal: Menschen schlendern mit gefüllten Einkaufstüten die Straße entlang, andere hetzen durch die Stadt, um schnell noch ein paar Dinge zu erledigen. Vereinzelt bleiben Leute stehen, um sich mit Bekannten zu unterhalten oder sie sitzen entspannt in einem Café. In der Bismarckstraße von Tangerhütte, dem Zentrum dieser Stadt, sieht es anders aus. Diese Straße ist nicht das, was sich ein Städter unter einer idealen Einkaufsmeile vorstellt. Hier konzentrieren sich aber die meisten Geschäfte. In den kleinen angrenzenden Nebenstraßen finden sich nur sehr wenige Einzelhändler. Einzig am Neustädter Ring gibt es auf kleinem Raum mehrere Geschäfte.

"In der Mittagszeit fehlen einfach die Kunden"

Augenscheinlich teilt der Bahnübergang die Bismarckstraße in einen westlichen und einen östlichen Abschnitt. Der westliche Teil zwischen Bahn- übergang und Rathaus wartet mit einer Bäckerei, zwei Apotheken, einem Restaurant, einem Buchladen, einem Gemüsegeschäft, mehreren Modegeschäften, zwei Reisebüros und zwei Blumenläden auf. Auf den ersten Blick sind in diesem Abschnitt alle Geschäfte vermietet, es herrscht kaum Leerstand.

Ein ganz anderer Anblick bietet sich vom Bahnübergang in Richtung des Platzes des Friedens. Viele Gebäude stehen leer, die Wege zwischen den einzelnen Geschäften werden in Richtung Tangermünder Straße deutlich länger.

Insgesamt sind die Läden in Tangerhüttes Innenstadt größtenteils inhabergeführt, es gibt kaum Ketten und Franchise-Unternehmen.

Hier zeigt sich eine Besonderheit Tangerhüttes. Viele der inhabergeführten Geschäfte sind zwischen 12 und 14 Uhr geschlossen. In anderen Städten finden sich derweil kaum Ladenbesitzer, die sich den Luxus einer zweistündigen Mittagspause gönnen.

"Die Mittagsruhe ist aber gerechtfertigt", sagt Peter Krüger, Vorsitzender des Unternehmerstammtisches, im Gespräch. "In der Mittagszeit fehlen einfach die Kunden." Damit spricht Krüger eines der größten Probleme Tangerhüttes an: eben die fehlenden Kunden.

"Die Tangerhütter arbeiten und kaufen in anderen Städten"

"Die Tangerhütter sind unterwegs oder arbeiten in anderen Städten, wo sie auch ihre Einkäufe erledigen, oft auch ein besseres Angebot finden", sagt Krüger. Deshalb sei nicht nur zur Mittagszeit die Stadt wie ausgestorben, an fast allen Vormittagen würden die Kunden fehlen.

Lediglich an den Verwaltungstagen dienstags und donnerstags in den Vormittagsstunden, wenn die Menschen auch ihre Arztbesuche beendet haben, würden sie in der Stadt noch etwas einkaufen und die Bismarckstraße beleben.

Um Einkäufe in der Tangerhütter Innenstadt zu fördern, wurde am vergangenen Montag die sogenannte Einkaufslinie erneut eingeführt. Peter Krüger bestätigt, dass dann dienstags und donnerstags Busse über die Dörfer fahren und die Menschen gegen 9 Uhr in die Stadt bringen. Die Leute aus den Dörfern könnten durch diesen Service ihre Einkäufe ruhig erledigen. Gegen 11 Uhr werden Busse die Menschen zurück in ihre Orte bringen. "Wir hoffen, dass die Einkaufslinie dazu beiträgt, dass die Menschen mehr in Tangerhütte kaufen", so Krüger.

Die Erreichbarkeit der Geschäfte zu Fuß, mit der Bahn und mit dem Auto sei Voraussetzung, damit Kunden überhaupt den Weg in die Läden finden. Wer mit dem Auto kommt, braucht Parkplätze. Diese gibt es entlang der Bismarckstraße genügend. Die Parkplatzsuche gestaltet sich unkompliziert, weil die Geschwindigkeit in dieser Straße für Fahrzeuge auf 30 Kilometer pro Stunde begrenzt ist. Die Fußgänger leben dadurch auch sicherer.

Doch wie sieht die Aufenthaltsqualität für Kunden in der Tangerhütter Innenstadt aus? "Innenstädte müssen lebendige Zentren und Begegnungsstätten sein, um auf die Kunden anziehend zu wirken", heißt es in einer Publikation der Industrie- und Handelskammer (IHK) Bonn/Rhein-Sieg. Kunden müssten durch gemütliche Ecken zum Verweilen und Genießen eingeladen werden. Cafés und Sitzbänke würden die Verweildauer erhöhen und die Lust, mehr zu kaufen, steigern.

"Wir können nur die Rahmenbedingungen schaffen"

Reicht das Angebot in Tangerhütte aus? Dass die Innenstadt einladender und attraktiver werden muss, ist sicher. Doch was kann man tun? "Natürlich wäre es wünschenswert den Leerstand in der Stadt zu beseitigen", meint Birgit Schäfer, Bürgermeisterin der Einheitsgemeinde Stadt Tangerhütte. Doch wie das geschehen soll, ist auch ihr nicht klar.

"Wir können niemanden zwingen ein Geschäft zu eröffnen", sagt Gerhard Borstell, Ortsbürgermeister von Tangerhütte, fast schon hilflos. "Wir können nur die passenden Rahmenbedingungen schaffen." So habe man sich bemüht, die Infrastruktur für die Kunden zu verbessern, die Fachärzte im Zentrum zu halten und diejenigen mit offenen Armen zu empfangen, die investieren wollen. Letztendlich bestimme aber die Nachfrage das Angebot. Da Tangerhütte seit Jahren mit dem Bevölkerungsrückgang zu kämpfen habe, würde auch die Kaufkraft sinken.

"Ich bin im Moment auch ein wenig ratlos"

Das scheint für Supermarkt-Ketten kein Grund zu sein, nicht neue Märkte zu eröffnen. In den vergangenen Monaten investierten sie trotz allem einige Millionen in das kleine Städtchen am Tanger. Mittlerweile stehen sieben Supermärkte in Konkurrenz zueinander.

"Ich bin im Moment auch ein wenig ratlos", sagt Peter Krüger. "Die Supermärkte sind mit ihrem Vollsortiment auch eine große Konkurrenz für die kleinen Geschäfte." Er fürchtet, dass sich Läden, die sich auf ein bestimmtes Segment spezialisieren, in Tangerhütte nicht überleben können. "Es gibt ja eigentlich alles in den Supermärkten", sagt er.

Fest stehe, dass der inhabergeführte Einzelhandel gestärkt werden muss, da eine Innenstadt ohne ihn fad und austauschbar wirke. Vielleicht lohne sich ein Laden mit breiterem Sortiment, was einem kleinen Kaufhaus gleichkommen würde. Die Flächen dafür sind vorhanden. "Wer Interesse hat, kann zum Unternehmerstammtisch kommen", sagt Krüger. "Wir begleiten jeden in die Selbstständigkeit und stehen mit Rat und Tat zur Seite." Man müsse nur mit Ideen und Mut auf die Unternehmer zugehen.