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Jutta Scherrmann hat mit 65 angefangen, Blockflöte zu lernen / Anfängliche Selbstzweifel schnell beseitigt Die Lehrerin nimmt Unterricht

Von Nora Knappe 19.02.2011, 05:31

Im Alter nochmal was wagen? Warum nicht, hat sich Jutta Scherrmann gesagt und sich zum Flötenunterricht in der Musikschule angemeldet. Musik ist für die 67-Jährige ein Lebensmittel, wie sie sagt.

Stendal. Früher hat sie in der Volksschule als Lehrerin gearbeitet, jetzt geht sie selbst nochmal zum Unterricht. Jutta Scherrmann ist 67 und hat sich vor zwei Jahren in der Stendaler Musikschule angemeldet, um Blockflöte zu lernen. "Ein bisschen Hemmung hatte ich schon, mich als Erwachsener anzumelden. Aber es war gar nichts Außergewöhnliches, wie ich feststellen konnte."

Die Flöte ist ihr nicht ganz fremd. In ihrer Kindheit war sie mal beim Flötenunterricht. "Das waren 30 Kinder, da bin ich fünfmal hin und hab dann die Lust verloren", erinnert sich Jutta Scherrmann. Für ihr Studium, sie wollte Volksschullehrerin werden, musste sie dann einen musischen Schein nachweisen, also hat sie "ein bisschen Blockflöte" gemacht.

Viele Jahrzehnte ruhte das Selbermusizieren. Erst durch eine Freundin, die alle möglichen Blockflötenarten spiele, ist die Seniorin wieder zum Instrument gekommen. Die F-Flöte, auch Alt-Flöte genannt, passe zu ihr. "Das entspricht meiner Stimmlage." Dass Jutta Scherrmann sich zunächst autodidaktisch ans Instrument wagte, lag schließlich auch ganz einfach daran, dass sie in der Salzwedeler Kantorei mitsang und sich schwierige Tonfolgen vorspielen wollte. "Da erwachte dann der Wunsch, ein bisschen mehr zu machen."

Natürlich hat Frau Scherrmann sich gefragt, ob sie sich das noch zutrauen sollte. "Ich hatte schon Bedenken, wollte mich nicht blamieren. Dass man die Quittung kriegt und merkt: Im Alter kannst du nichts mehr lernen." Aber zu ihrem eigenen Glück hat sie diese Skrupel ganz schnell zur Seite geschoben. Lernen im Alter geht eben doch. Nur eben etwas langsamer (siehe auch untenstehendes Interview). Und ihr Gehör, das sei Gott sei Dank auch noch gut.

Ihr Hund hört beim Üben zu

Für die Musik nimmt Jutta Scherrmann einen weiten Weg in Kauf. Alle zwei Wochen fährt sie aus ihrem Wohnort Jeetze nach Stendal. Dass sie die Lust am Musizieren nicht verliert, daran dürfte auch ihre Lehrerin Kathrin Ludwig großen Anteil haben. "Sie fordert eine ganze Menge, fördert aber auch. Es ist fantastisch, wie sie einen anleitet. Ich bin überhaupt nicht mehr so aufgeregt, habe an Selbstbewusstsein gewonnen", schwärmt ihre Senior-Schülerin. In den zwei Jahren hat Jutta Scherrmann schon gute Fortschritte gemacht, spielt mittlerweile auch in einem Flötenquartett.

Ihre Grenzen erlebt sie selbst, nimmt sie aber gelassen. "Ich muss mich schon konzentrieren, mache Fehler. Aber Frau Ludwig merkt genau, woran man scheitert und denkt sich Vereinfachungen aus, baut Brücken." Der Einsatz abwechslungsreicher Literatur und der Wechsel von Instrumenten bereichere den Unterricht.

Für Jutta Scherrmann ist der Musikunterricht eine willkommene Kulturpflege, wie sie sagt. "Das hat mein Leben erhellt und bereichert." Und seit sie selbst Musik macht, hört sie die auch ganz anders. "Musik ist für mich nicht nur Lebensmittel, sondern Überlebensmittel." Und wenn sie sich zu Haus zum Üben zurückzieht, hat sie Gesellschaft: "Mein Hund kommt immer mit. Legt sich hin und hört zu." Musik kennt eben keine Grenzen.