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Prof. Karl-Heinz Paqué stellt sein Buch über die Bilanz der Einheit in Stendal vor / Seine Einschätzung : "Die Weichen sind 1990 richtig gestellt worden"

Von Reinhard Opitz 18.12.2009, 04:52

Stendal. Er sei im Saarland aufgewachsen, als die Stahlindustrie zusammenbrach. Als er in Kiel studierte, ging der Schiffbau den Bach hinunter, und als er nach der Wende nach Magdeburg kam, erlitt der Maschinenbau seinen Kollaps. " Da wird man nachdenklich ", stieg Prof. Karl-Heinz Paqué mit viel Humor in seinen Vortrag ein. Der Wirtschaftswissenschaftler, der von 2002 bis 2006 Finanzminister von Sachsen-Anhalt war, stellte am Mittwochabend im Rahmen der Veranstaltungsreihe Kardiologischer Mittwoch im Mutterhaussaal am Johanniter-Krankenhaus sein im September erschienenes Buch " Die Bilanz " vor, in dem er die deutsche Einheit nach fast 20 Jahren aus wirtschaftlicher Sicht analysiert.

Paqués Bilanz fällt eindeutig positiv aus : Die Bundesregierung sei damals den einzig gangbaren Weg gegangen, lautet die wesentliche Botschaft seines Buches. Und das bezieht er ausdrücklich auf jede einzelne der drei wichtigsten Weichenstellungen – die Wirtschafts- und Währungsunion, die Arbeit der Treuhandanstalt und die massive Wirtschaftsförderung. Selbst die umstrittene Treuhand, die zweieinhalb Millionen Menschen im Osten Deutschlands den Job kostete und kriminelle Machenschaften nicht verhindern konnte, habe aus seiner Sicht letztlich einen industriellen Kern hinterlassen, dessen Unternehmen entgegen den Befürchtungen nicht dauerhaft subventioniert werden müssten.

Paqué belegt seine Thesen mit vielen Fakten. War der Osten 1992, am Tiefpunkt seiner wirtschaftlichen Entwicklung, mit 3, 5 Prozent Anteil an der deutschen Industrieproduktion " praktisch deindustrialisiert ", so erholte er sich bis 2008 kontinuierlich auf zehn Prozent. Die Arbeitsproduktivität, 1991 unter 25 Prozent des Westens, liege heute bei fast 80 Prozent, die Lohnstückkosten seien sogar niedriger als im Westen. Woran das unter anderem liegt, sagt Paqué auch : Seit Mitte der 90 er Jahre verharren die Löhne bei etwa zwei Drittel des Westniveaus. Um den Erfolg des Aufbaus Ost zu betonen, bemüht er immer wieder die osteuropäischen Nachbarländer. So hätten Tschechien oder Polen nur etwa ein Drittel der Produktivität Ostdeutschlands erreicht.

Neben der großen volkswirtschaftlichen Analyse widmet sich Karl-Heinz Paqué in seinem Buch vielen kleinen Erfolgsgeschichten im Land. Darunter die der Familie Lewerken, die in Havelberg die uralte Schiffbautradition wiederbelebt hat.