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Armutskonferenz bringt Verwaltung, Vereine und Institutionen zusammen / Zukunftswerkstatt ist geplant Stendal soll dem Beispiel aus Dormagen folgen

Von Egmar Gebert 05.06.2009, 07:02

Stendal. Gedacht war die Sache mit der " Konferenz zur Bekämpfung der Kinderarmut ", die am Mittwoch im Stendaler Landratsamt stattfand, etwas anders. Im Herbst 2008 hatte die Linke-Fraktion im Kreistag beantragt, eine solche Konferenz von der Kreisverwaltung vorbereiten zu lassen. Der Antrag scheiterte. So wurde der Kreisverband der Linken zum Organisator der Konferenz.

Nicht ganz so wichtig, meinte Günter Rettig, selbst Kreistagsmitglied der Linken. Viel wichtiger sei, dass die Konferenz stattfinde und gut sei, dass daran auch Vertreter aus der Verwaltung und den Vereinen und Institutionen teilnehmen, die sich in der Kinder- und Jugendarbeit engagieren.

Mit von der Partie war auch die familienpolitische Sprecherin der Linken im Landtag, Eva von Angern. Sie und Rettig nannten dramatische Zahlen. Sachsen-Anhalt sei neben Berlin das Land, in dem die meisten Menschen auf stattliche Unterstützung angewiesen sind. Die Quote dieser " Leistungsempfänger " betrage 29, 9 Prozent. Im Landkreis Stendal seien es 34, 4 Prozent. " Das bedeutet, mehr als jedes dritte Kind im Landkreis ist von Armut betroffen ", so Rettig. Was die Linken im Landtag dagegen unternehmen wollen, erläuterte Eva von Angern. Was in der Praxis andernorts bereits seit Jahren dagegen getan wird, erfuhren die Konferenzteilnehmer von Uwe Sandvoss. Er koordiniert im Rathaus der rheinischen Kleinstadt Dormagen ( 65 000 Einwohnern ) den Fachbereich Schule, Kinder und Familien. Die Frage, die sich die Dormagener vor etwa 15 Jahren stellten, war : " Wie können wir Kinder besser schützen ?" Die Antworten,

die das " Netzwerk für Familien ( NeFF )" darauf fand, nennt man heute bundesweit " das Dormagener Beispiel ".

Drei Dinge gehörten untrennbar zusammen, so Sandvoss : " Kindeswohl, Elternwohl und Gemeinwohl. Keine Kinderarmut ohne Familienarmut. " Also müsse man hier ansetzen, und zwar so früh wie möglich und schon bevor das Kind geboren wird. So gehören zum Dormagener Netzwerk für Familien heute neben Sozialarbeiten und Mitarbeitern des Fachbereichs, den Sandvoss leitet, auch Gynäkologen und Hebammen, freie Träger der Jugendhilfe und Vereine sowie eine Reihe weiterer Partner, die den Familien und Kindern über Jahre zur Seite stehen, wenn sie diese Unterstützung bräuchten. " Und zu 90 Prozent nehmen diese Familien diese Hilfe auch an ", ist eine der vielen Erfahrungen, von denen Uwe Sandvoss den Stendalern berichtete. Ganz wichtig dabei : Das enge Zusammenwirken all dieser Kräfte.

Dass der Landkreis Stendal noch meilenweit von dem Stand entfernt ist, auf den sich Dormagen vor allem in den vergangenen zehn Jahren vorgearbeitet hat, war jedem in der anschließenden Gesprächsrunde klar. Aber : Die Akteure, die gegen Kinderarmut zu Felde ziehen wollen, sind bereit, weitere Schritte in diese Richtung zu machen. Träger der Kinder- und Jugendarbeit wie das DRK, die Caritas, der Paritätische Wohlfahrtsverband oder der Kinderund Jugendring sind zu einer noch viel engeren Zusammenarbeit bereit. Vernetzung sei notwendig, hieß es, und dabei auch und vor allem die Verwaltung gefragt. Klare Konzepte müssen erarbeitet, der Schwerpunkt auf die Prävention gelegt und Wege gefunden werden, an die Betroffene heranzukommen. So einige der am Ende der Konferenz formulierte Ziele. Im September werden die freien Träger wie der Paritätische die Gastgeber sein und zu einer Zukunftswerkstatt einladen, auf der auch eine erste Zwischenbilanz des Erreichten in Sachen Kinder- und Familienförderung gezogen werden soll.