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Konsens beim Landesseniorentreffen der Gehörlosen : "Als Einzelner lebt man im Heim menschenunwürdig"

Von Martin Rieß 07.05.2009, 07:01

Stendal. Mehr als 280 Besucher aus Sachsen-Anhalt und benachbarten Bundesländern haben sich gestern erstmals in Stendal zum jährlichen Landesseniorentreffen der Gehörlosengemeinschaft Sachsen-Anhalt getroffen. Am Rande der Tagung stand eine Podiumsdiskussion unter dem Titel " Gehörlose Senioren – Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, aber wie ?" auf der Tagesordnung. Von Seiten der Landesregierung war Adrian Maerevoet angereist, der die Koalition in Magdeburg als Behindertenbeauftragter berät.

Konsens in der Runde : Als einzelner Gehörloser lebt man in einem Seniorenheim menschenunwürdig. Der Grund : In der Regel werden die alten Menschen – die oft aufgrund von Zwangssterilisationen während der Nazidiktatur nicht einmal Angehörige haben – dann von der Kommunikation, von der Teilhabe am Leben abgeschnitten. Ein Modell aus Berlin, bei dem junge Gehörlose die gehörlosen Senioren betreuen, erscheint aufgrund hoher Kosten und langer Fahrwege in der dünn besiedelten Altmark nur schwer umsetzbar – selbst wenn die finanzielle Unterstützung für die Betroffenen erhöht werden würde.

Die Idee, Seniorenberatungsstellen, aber auch Jobcenter mit gehörlosen Mitarbeitern auszustatten, damit diese die Kommunikation mit gehörlosen Kunden dieser Einrichtung sicherstellen, erscheint indes verlockend : Könnten damit doch den Betroffenen bislang verschlossene Hilfsangebote zugänglich gemacht werden, und einige Menschen der von hoher Arbeitslosigkeit betroffenen Personengruppe würde sich so auch eine berufliche Perspektive bieten.

Der Landesbehindertenbeauftragte machte deutlich, dass solche Vorschläge sich am ehesten durchsetzen ließen, wenn die Gehörlosen aktiv im Behindertenbeirat mitarbeiten. Dazu bedürfe es eines geschlossenen Auftretens und des Bewusstseins, dass nicht allein für die gehörlosen Senioren angesichts des demographischen Wandels schon heute eine nicht nur physisch barrierefreie Gesellschaft geschaffen werden müsse. Wichtig sei die Vernetzung von Angeboten und Wohlfahrtsorganisationen.

Dass die Wahl auf Stendal als Ort der Tagung samt Diskussionsrunde fiel, ist übrigens kein Zufall : Hier wird in diesen Tagen der 80. Gründungstag des Altmärkischen Gehörlosenvereins Stendal und Umgebung gefeiert ( die Volksstimme berichtete ).