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Monta Teufelskreis droht ab der ersten Zigarette

29.05.2010, 05:17

Montag ist Weltnichtrauchertag. An der Stendaler Komarow-Sekundarschule wird es aus diesem Grund für die beiden 5. Klassen einen Projekttag unter dem Motto "Ohne Rauch geht‘s auch" geben. Wir nehmen das zum Anlass, mit einem der profiliertesten Experten auf dem Gebiet der Nikotinprävention übers Rauchen, das Abgewöhnen und die Fallen der Industrie zu reden. Volksstimme-Redakteur Frank Eckert sprach mit dem Mediziner, Motivationscoach, Bestseller-Autor und Nichtrauchertrainer Dr. Stefan Frädrich.

Volksstimme: Herr Frädrich, warum ist es so wichtig, gar nicht erst mit dem Rauchen anzufangen?

Dr. Stefan Frädrich: Finger weg von den Kippen ist deshalb so wichtig, weil es einem mit Zigaretten nicht besser geht als ohne. Rauchen macht abhängig wegen des Nervengifts Nikotin, Nerven stumpfen ab und brauchen dann immer wieder neues Nikotin, um sich normal zu fühlen. Und das Problem bleibt dann an einem haften: nämlich, dass Rauchen eine Sucht ist und man davon dann so leicht nicht mehr loskommt.

Volksstimme: Warum ist das so? Warum wird Rauchen eine Sucht und damit ein Problem?

Frädrich: Raucher erliegen ja dem Trugschluss, dass sie ihre Probleme los sind, wenn sie eine Zigarette rauchen. Nur: Genau damit befinden sie sich in einem Teufelskreis. Die Zigarette gaukelt uns vor, wir könnten entspannen. Rauchen soll also ein Wert an sich sein. Für einen kurzen Augenblick stimmt das sogar. Doch nach jeder Zigarette fängt der Stress von vorne an. Jeder Raucher fragt sich, habe ich noch genug Kippen. Hat er keine, fragt er sich, wo kriege ich schnell neue her. Dreiviertel des Tages kreisen die Gedanken um diese Fragen, weil man die Kippe braucht. Das ist einfach Stress statt Entspannung.

Volksstimme: Wie viel System steckt dahinter?

Frädrich: Klar, dahinter steckt Methode. Wirtschaftliche Interessen sorgen mit verschiedenen Strategien dafür, dass Menschen Raucher werden und es auch bleiben sollen. Wer erst einmal raucht, bleibt jahrelang dabei. Und für die Kinder wird der Eindruck erweckt: Raucher sind cool. Und wenn sie anfangen, sind sie mittendrin im Teufelskreis.

Volksstimme: Das implizierte ja auch eine Kampagne der Tabak-Industrie, wonach coole Kids warten könnten mit dem Rauchen.

Frädrich: Perfide, oder? Das heißt schlicht, dass es sich lohnt, auf etwas zu warten. Es sagt den Kids: Rauchen ist was für Erwachsene. Da Kinder erwachsen sein wollen, fangen sie genau deshalb damit dann an. Psychologisch ist es der Trick, dass das Rauchen somit attraktiv bei Kindern wie Jugendlichen erscheint. Diese Kampagne der Zigarettenindustrie bewirkt also bewusst das Gegenteil von dem, was sie plakativ aussagt. Die Tabak-Konzerne lachen sich tot und bekommen gleich ihre neuen, jungen Kunden.

Volksstimme: Und die wollen sie möglichst schnell haben. Warum funktioniert das?

Frädrich: Zigarettenkonzerne suchen sich die coolen Typen für ihre Kampagnen; auch dann, wenn man sich gegenseitig die Kunden wegschnappen will. Dann werden Partys, wie beispielsweise von Lucky Strike, die ja eine coole Marke sein wollen, veranstaltet. Und schon sagt sich der Jugendliche: So will ich sein, so wie der coole Typ. Und dann haben sie ihre Kunden an der Angel.

Volksstimme: Man zielt also auf den Bauch der Kunden, auf das Gefühl?

Frädrich: Genau. Man will ihnen verkaufen, dass man mit der Zigarette cool, schick, erwachsen, schön sein kann. Rauchen soll was Positives sein.

Volksstimme: Mit Ihren Seminaren gegen das Rauchen und für das Nichtrauchen zielen Sie auf den Kopf, auf den Verstand also?

Frädrich: Wir zielen auf beides. In unseren Seminaren kombinieren wir den Verstand mit dem Bauchgefühl. Wir zeigen den Jugendlichen Dokumente, aus denen sie ersehen können, dass sie heute jung, frisch und dynamisch sind und morgen nur noch die Kunden der Tabakindustrie sein werden, wenn sie mit dem Rauchen anfangen. Schon sehr früh haben das die Zigarettenkonzerne ja für sich erkannt. Es gibt interne Papiere aus den 70er und 80er Jahren, die belegen, dass sie ihre Strategie darauf ausgerichtet haben. Da heißt es etwa bei Philipp Morris 1981: Today‘s teenager is tomorrow‘s potential regular customer – Der heutige Jugendliche ist der potenzielle Kunde von morgen. Darum geht‘s. Und den Jugendlichen wird suggeriert, ihr seid dann im Alter von 18 Jahren unsterblich mit einer Zigarette. Wichtig ist dann bei der Prävention, dass niemand den Zeigefinger hebt, sondern erklärt wie das Rauchen funktioniert.

Volksstimme: Nun gibt es seit Jahren die Warnhinweise auf Zigarettenschachteln. Ist das der richtige Weg?

Frädrich: Nun, falsch sind Warnungen sicher nicht. Nur treffen die gängigen kaum den Bauch der Kunden und damit nicht den Kopf. Wie wär‘s denn eher mit: Rauchen macht doof, Rauchen macht hässlich. Wer will schon hässlich, dick und doof sein? Niemand. Und wer uncool ist, wird auch durchs Rauchen nicht cooler.

Volksstimme: Sie haben mit Günter, dem inneren Schweinehund, in Ihren Büchern einen Leidensgenossen geschaffen. Wie hilft der uns, aus dem Teufelskreis rauszukommen oder gar nicht erst hineinzugeraten?

Frädrich: Günter ist ein Teil von uns allen. Wenn wir gegen ihn kämpfen, verlieren wir. Günter ist ein Kumpel in unserem Kopf, der will, dass es uns gutgeht. Wir brauchen ihn also und sollten mit ihm zusammenarbeiten statt gegen ihn zu kämpfen. Dann geht es hinterher viel einfacher, nein zu sagen.

Volksstimme: Sie haben geraucht und aufgehört. Warum?

Frädrich: Es gab zig Gründe für mich. Ich war jämmerlich süchtig. Nach einer Knie-OP bin ich mit dem Rollstuhl auf den Krankenhausbalkon gerollt und habe eine geraucht. Wie krank ist das denn? Mein Vater bekam einen Bypass als Folge des Rauchens. Das hatte alles etwas zu bedeuten.

Volksstimme: Ist es irgendwann zu spät aufzuhören?

Frädrich: Nie.