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Zu Besuch beim Künstlerpaar Yuri Solovei und Rimma Chibaeva In der Kunst verwurzelt: Der Gemütsmensch und die Ruhelose

Von Ronny Schoof 04.01.2014, 02:15

Ein Extrem hat das andere abgelöst. Der öde Leerstand des alten Dorfgemeinschaftshauses in der Hötensleber Gerichtstraße hat ein Ende, jetzt ist Leben in der Bude - voller Reize, Emotionen und Temperament. Das Künstlerpaar Rimma Chibaeva und Yuri Solovei hat hier ein Zuhause und Inspirationsquell gefunden.

Hötensleben l Yuri ist ein echter Typ: die knorrigen Hände des Handwerkers, die gütigen Gesichtszüge des Philosophen und geradezu konsequent daraus resultierend die Seele des Künstlers. Er wirkt verschlossen, aber nur auf die ersten zwei, drei Blicke. So nachdenklich, so heiter, manchmal von einer Sekunde zur nächsten. Vor allem aber ist der 64-Jährige ein verschmitzter Bursche von grundsolider liberaler Gesinnung, dem die Ausdrucksform des Malens gewissermaßen eine pure kindliche Freude bereitet.

Der in der Ukraine geborene bärtige Charakterkopf der "Nachtigall", was die deutsche Übersetzung von Solovei ist, lebt sich in den skurrilsten Motiven quer durchs ganze Haus aus. Dutzende Leinwände leuchten auf den Betrachter herab. Mal ist Yuri, der den rechten Ringfinger einst beim Einrahmen eines Bildes verloren hat, darauf als Fliege zu sehen, mal als Buddhist, reitend auf einem Steckenpferd oder schlummernd in der Ecke. Es geht einem förmlich das Auge über. Im Saal oben prangen Soloveis jüngste Gemäldeserien - rund 80 farbenprächtige Bilder aus den Reihen "Gute Geister" und "Fukushima".

"Es ist zwar keine ständig geöffnete Galerie, aber Neugierige sind uns willkommen - einfach an der Tür klopfen", sagt Rimma Chibaeva (54), die fidele Frau an Yuris Seite. Ihr Metier ist das professionelle Theaterspiel, die Malerei hat sie "seit kurzem erst als Hobby für mich entdeckt".

Rimma, die Ruhelose und Yuri, der Gemütsmensch. Zusammen hat es das Paar Mitte 2013 aus Hamburg nach Hötensleben verschlagen. Zuvor waren auch St. Petersburg, Tel Aviv und Straßburg berufliche Stationen, ebenso Metropolen jenseits des Atlantik. Seit 1998 leben und arbeiten sie in Deutschland, vom Großstädtischen aber hatten sie nun vorerst genug. "Die Landschaft hier erinnert mich an die Heimat bei Moskau", sagt sie. "Hier im Dorf kann ich mich konzentrieren, es ist echt und still, und wenn ich rausgehe, kann ich sofort den Horizont sehen", sagt er. Es sei gut für die Seele, die Horizontlinie wahrzunehmen. Beide bewundern die Natürlichkeit: "Leben und Geschichte sind hier nicht lackiert, nicht künstlich, kein Spielzeug."

Die ersten Kontakte im neuen Umfeld sind geknüpft. Die feierliche Begrüßung nach dem Umbau im Hause hat Rimma und Yuri schwer beeindruckt. Gern möchten sie die Herzlichkeit erwidern, sich nach ihren Möglichkeiten einbringen. Eine große Idee sei es, nach Vorbild der Künstlerkolonie Wopswerde bei Bremen einen dauerhaften Bezugspunkt für Kunst und Kultur in der Region zu schaffen. "Aber mal sehen, vielleicht wird es uns in einigen Jahren doch wieder zu langweilig, es liegt einfach an und in uns selber", gibt Rimma offen zu. Fest vorgenommen haben sie sich Ausstellungen, Theaterlesungen und Workshops in ihrem Künstlerhaus. Und auch an der bevorstehenden 1000-Jahr-Feier der Gemeinde Hötensleben wollen sie künstlerisch unbedingt mitwirken.