Alles hat seine Zeit

Von Maria Scherbaum, Gemeindereferentin in St. Marien Schönebeck 07.03.2009, 05:31

" Alles hat seine Zeit ". Dieser Satz ist ein ernst zu nehmender Hinweis aus der Bibel ( Kohelet 3, lff ). Wie oft füchten wir vor der Zeit ? Vor Aufgaben, Verantwortung, Problemen, Langeweile und rennen zurück in die vermeintliche " gute alte Zeit unseres Lebens ". Oder aber in die Zukunft.

Einmal im " Weißt du noch, damals ?" zu schwelgen und dann aber in den Alltag zuückkehren und sich frisch der Herausforderung stellen, manchmal rau, aber jeder Tag neu. Nicht zu lange im " Damals " verbleiben, aber auch nicht nur auf das " Wenn " setzen, bis dass die Zukunft sich in Vergangenheit verwandelt und das Leben plötzlich zu einem Haufen verpasster Gelegenheiten wird.

Warum träumen wir so oft von dem, was war oder von dem, was noch nicht ist, statt auf die Wirklichkeit zu schauen ? Ist die Romantik von Einst goldener als das klare Jetzt ? Was ist das Rezept für ein gelungenes Leben ?

Vera Novelli sagte einst, es ist das Loslassen. " Wer nicht Vergangenes loslassen kann, lebt nicht richtig, sondern wandelt durch das Museum seines Lebens. Wer immer auf den Tag X lauert, sitzt sein Leben lang in der Wartehalle ". Wer Vergangenes loslassen kann, wird frei für das Jetzt. Dann kann der Blick ruhig ein wenig schweifen, nach hinten, nach vorne, nach einem " Wenn " und " Vielleicht ". Es darf nur nicht übertrieben sein, sonst lähmt es, genau so wie das Festhalten an " Altlasten ". An Schuld und Versagen, an Unterlassungen und verpassten Möglichkeiten. Manche Menschen schauen nicht in leuchtende Vergangenheit, sondern starren auf die durchlebten Dunkelheiten. Weil sie aber nicht loslassen können, quälen sie sich, grollen anderen, die womöglich gar nicht mehr das sind, klagen sich und andere an und beschweren das Leben im Jetzt. Loslassen heißt auch verzeihen, vergeben, ruhen lassen. Begraben und abhaken, damit die, die uns einst Weh taten, uns heute nicht aus dem Jetzt verjagen. Am Vergangenen und Verpassten gern zu leiden heißt, für das Jetzt keine Verantwortung übernehmen zu wollen.

Loslassen heißt nicht, aufhören zu träumen. Loslassen heißt nicht, schöne Erinnerungen begraben. Loslassen heißt, mit Freunden alte Zeiten feiern, ein bisschen träumen, beim Anschauen alter Fotos ein wenig schimpfen über den, der uns das Leben schwer gemacht hat, lachen über die Mode und sich schmunzelnd fragen : War das damals wirklich so schön ? Dann aber wieder zurückkehren in diese Welt. Alles hat seine Zeit. Weinen und Lachen, Werden und Sterben. Mein Spruch für die zweite Fastenwoche ist von Phil Bosmans :

" Jeden Abend mache einen Punkt und blättere die Seite um. Wenn wir keinen Punkt machen, sitzen wir hoffnungslos fest. Geben wir jeden Abend unser vollgeschriebenes Blatt ab, so wie es ist. Legen wir es in die Hände unseres Gottes, dann können wir morgen neu anfangen. "