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Vorgehen der KoBa in der Kritik, Leistungen auf Verdacht hin gekürzt Fehlende Kontoauszüge - Geld gestrichen

Eine Wernigeröderin muss ohne Geld, Krankenversicherung und Miete ihren
Alltag bewältigen, denn die Kommunale Beschäftigungsagentur zahlt ihr
kein Arbeitslosengeld mehr. Hintergrund ist ein Streit um zwei fehlende
Kontoauszüge aus dem vergangenen Spätsommer.

Von Jörn Wegner 25.02.2014, 02:21

Wernigerode l Seit Februar weiß Sonnwill Fink nicht mehr, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreiten soll. Die gelernte Buchhändlerin erhielt bis dahin Arbeitslosengeld 2 (ALG 2), das sogenannte Hartz IV. Die Kommunale Beschäftigungsagentur (KoBa) hat die Zahlungen Ende Januar eingestellt.

Wie alle sechs Monate musste Sonnwill Fink im Dezember 2013 einen Antrag auf weitere Zahlung der Sozialleistung stellen. Die KoBa verlangte dafür die Vorlage von Kontoauszügen der vergangenen drei Monate. "Ich habe alle Auszüge eingereicht, bis auf zwei", sagt Sonnwill Fink. Diese zwei Auszüge seien abhanden gekommen, würden aber ohnehin nur den September 2013 betreffen. Aktuelle Kontoauszüge, die ihre Vermögensverhältnisse zum Zeitpunkt der Antragstellung nachwiesen, habe Sonnwill Fink hingegen vorgelegt. Trotzdem ließen die Mitarbeiter der KoBa nicht mit sich reden. Nicht nur der Arbeitslosengeld-Bezug wurde eingestellt, ebenso die Zahlungen an Krankenkasse und Vermieter.

Rechtsanwältin verweist auf Sozialstaatsgebot

Anwältin Renate Schmidt-Nüsser hat den Fall von Sonnwill Fink übernommen. Sie hat die KoBa aufgefordert, das Arbeitslosengeld sofort auszuzahlen. Schmidt-Nüsser verweist auf das Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes, das jedem Bürger ein "soziokulturelles Existenzminimum" zugesteht. Die Verweigerung sämtlicher Leistungen aufgrund fehlender Kontoauszüge sei unüblich. "Frau Fink bezieht schon seit Jahren ALG 2, die KoBa weiß also über ihre Verhältnisse bestens Bescheid", sagt Renate Schmidt-Nüsser.

Bislang bleibt die KoBa bei ihrer Position. "Die beharrliche Weigerung von Frau Fink, die fehlenden Kontoauszüge vorzulegen, erhärtet leider den Verdacht, dass Einnahmen zugeflossen sind, die leistungsrechtlich relevant sind", teilt die Behörde auf Volksstimme-Nachfrage mit.

Für Sonnwill Fink ist dies nicht der erste Konflikt, den sie mit der KoBa austrägt. Nachbarn hatten vor einigen Monaten gegenüber der Behörde behauptet, ein Mann würde in ihrer Wohnung zur Untermiete leben. Tatsächlich handelte es sich um den Freund der Tochter. Nach einem unangemeldeten Kontrollbesuch strich die KoBa ihr einen Teil der Bezüge.

Kürzungen basieren auf einem Verdacht

"Weisen Sie mal etwas nach, das nicht ist", sagt Renate Schmidt-Nüsser zum Vorwurf der KoBa. Sie moniert, dass der Familie auf einen Verdacht hin die Bezüge gekürzt wurden. Sonnwill Fink müsse ihre Unschuld nachweisen - das sei im Rechtsstaat normalerweise ausgeschlossen. "Auch ein Hartz-IV-Empfänger ist berechtigt, Besuch zu empfangen und diesen in der Wohnung übernachten zu lassen", sagt die Anwältin. Inzwischen hat sie beim Sozialgericht Magdeburg einen Antrag auf einstweilige Verfügung zur Nachzahlung des Arbeitslosengeldes gestellt.

Die Kritik der Rechtsanwältin am Vorgehen der Kommunalen Beschäftigungsagentur hört beim Fall Sonnwill Fink nicht auf. Der Umgang mit ALG-2-Beziehern sei in Wernigerode spürbar härter als in anderen Jobcentern. "Mit Sanktionen sind sie sehr schnell bei der Hand", sagt Schmidt-Nüsser. Auch unangemeldete Hausbesuche seien hier sehr verbreitet. Tatsächlich dürften diese nur auf einen konkreten Verdacht hin erfolgen. Sollten die Mitarbeiter der KoBa unangekündigt vor der Tür stehen - wie im Fall Sonnwill Finks - könnten die Betroffenen den Eintritt in die Wohnung verweigern, so die Anwältin.

Das bestätigt auch die KoBa, schränkt allerdings ein: "Kann durch diese Weigerung jedoch ein leistungsrelevanter Umstand nicht festgestellt und auch nicht anders nachgewiesen werden, ist es möglich, die beantragte Leistung zu versagen", teilt die zuständige Mitarbeiterin Sandra Pech mit.

Dass im Fall Fink Kosten und Aufwand einer juristischen Auseinandersetzung in keinem Verhältnis zum Streitwert stehen, ist den Mitarbeitern des Harzer Jobcenters bewusst. Aus der Leistungsabteilung wird allerdings betont, "dass nicht die KoBa diesen unnötigen Aufwand und die Kosten provoziert, sondern Frau Fink."