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Prüfung durch Gutachter Rüttelwalze bringt Häuser neben Turnhallenbaustelle zum Beben

Bei den Bauarbeiten für die neue Zindelturnhalle in Wernigerode wurde
sein Haus beschädigt, sagt Dieter Säuberlich. Der Anwohner sieht sich
von der Kreisverwaltung, die die Sportstätte baut, allein gelassen.

Von Katrin Schröder 03.03.2014, 02:41

Wernigerode l Dieter Säuberlich und seine Frau sitzen mittags zu Tisch, als ihr Haus zu beben beginnt. Es ist der 21. Januar, auf dem Bauplatz für die neue Zindelturnhalle nebenan fährt eine Walze hin und her, sie rüttelt das Erdreich, um es zu verdichten. "Das ganze Haus geriet in Bewegung. Kerzenständer und andere Gegenstände sind von den Schränken gefallen", sagt der Wernigeröder. In der Küche sind die Erschütterungen am stärksten. "Wir hatten Angst, dass die Dunstabzugshaube herunterkommt", berichtet der 71-Jährige.

Dieter Säuberlich schlug sofort Alarm. Die Bauleute kamen und stellten Messgeräte auf. Eineinhalb Stunden später spricht die Kreisverwaltung einen Baustopp aus, doch die Arbeiter machen weiter, sagt Säuberlich. Das bestätigt sein Nachbar Peter Hartmann. "Ich habe nach der Nachtschicht geschlafen, bin aber von dem Lärm und den Erschütterungen wach geworden", so der 56-Jährige. Auf seiner Veranda gingen zwei Glasscheiben zu Bruch, im Erdgeschoss und der ersten Etage sind Fliesen gesprungen, Bilderrahmen fielen aus dem Regal.

Laut Kreisverwaltung habe der Baustopp nur für die Bodenverdichtung gegolten. Unter Berufung auf das Architekturbüro heißt es, dass "nur noch Arbeiten zur statischen Verdichtung zu Ende geführt wurden". Die Walze sei mit ihrem Eigengewicht, aber ohne Vibrationstechnik unterwegs gewesen. Dem widerspricht Dieter Säuberlich. An den zwei folgenden Tagen sei weiter gerüttelt worden, sagt er. "Dafür gibt es Zeugen."

Vier Stunden lang wurde am 21. Januar weitergearbeitet. Am Nachmittag stellt der Hauseigentümer die ersten Schäden fest. Im Keller durchziehen lange Risse die Decke, im Bad ist eine Fliese gesprungen. An der Fachwerkfassade fiel der Kitt aus den Fugen, an einer Gebäudeseite sind Risse zu sehen.

Vor dem 21. Januar war noch alles in Ordnung, sagt Dieter Säuberlich. Das Fachwerkhaus, das er 2007 gekauft hat, wurde im Jahr 2000 saniert. Ein Sachverständiger nahm im Auftrag der Kreisverwaltung die Schäden auf, doch was er notiert hat, weiß der 71-Jährige bis heute nicht. Das Gutachten, das seit Mitte Februar vorliegen soll, sei mittlerweile intern ausgewertet worden und werde den Anwohnern per Post zugestellt, teilt die Pressestelle der Kreisverwaltung mit. Zum Inhalt äußert sich die Verwaltung nicht.

Dieter Säuberlich dauert das alles zu lange. In seinem "Bautagebuch" hat er den Fortgang der Arbeiten sowie seine Telefonate mit den Verantwortlichen protokolliert. "Was soll ich denn noch machen?", fragt er. Zusagen seien nicht eingehalten worden - etwa zur Absicherung seines Grundstücks. An der Baustellenseite ist Erde abgetragen worden. "Winkelstützelemente", die der Harzkreis als Bauherr anbringen wollte, sollten verhindern, dass Säuberlichs Grundstück zur Baustellenseite hin abrutscht. Das gab die Verwaltung ihm schriftlich. "Doch davon will niemand mehr etwas wissen." Gegenwärtig würden "verschiedene technische und wirtschaftliche Möglichkeiten zur Sicherung des Nachbargrundstücks geprüft", heißt es auf Nachfrage aus der Kreisverwaltung. Die verweist auf eine Versammlung Mitte Februar, bei der die Anwohner über die künftigen Bauarbeiten informiert wurden. "Aus meiner Sicht war das eine Farce. Zu unseren Problemen wurde nichts Konkretes gesagt", urteilt Peter Hartmann.

Dieter Säuberlich ist mittlerweile mit den Nerven am Ende. Der 71-Jährige ist zu 80 Prozent schwerbehindert, seit Baubeginn geht es ihm schlecht. "Wir können nicht mehr schlafen, das ist kein Zustand. Doch niemand nimmt zur Kenntnis, dass wir gesundheitliche Schäden davongetragen haben."

Die Kreisverwaltung hatte ihm per Brief versichert, "die Beeinträchtigungen für die Anwohner auf ein Mindestmaß" zu reduzieren. Doch als am vergangenen Dienstag für das Rüttelstopfverfahren an seiner Grundstücksgrenze gebohrt wurde, waren die Erschütterungen wieder so stark wie im Januar. Das will Säuberlich nicht hinnehmen. Er hat Anzeige gegen einen Mitarbeiter der Baufirma erstattet - wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung.

Für alle Anwohner nehmen die Belastungen noch zu. Heute beginnen die Arbeiten zum letzten Bauabschnitt an der Straße Unter den Zindeln. Die Straße wird bis Mitte Juni gesperrt sein. Der Parkplatz auf dem Ochsenteichgelände ist benutzbar, allerdings nur für Fahrzeuge bis 3,5 Tonnen Gesamtgewicht. Die Zufahrt ist über den Kreisverkehr am Heltauer Platz möglich. Der Fußweg zum HSB-Bahnhof Westerntor wird ausgeschildert.