Sandkasten-Demokratie mit Happyend Ampel für Harsleben

Von Dennis Lotzmann 24.05.2014, 03:22

Harsleben/Berlin l Das Tauziehen um eine weitere Fußgängerampel an der Bundesstraße 79 in Harsleben mündet nun doch noch in ein Happyend: Ein dreiviertel Jahr, nachdem der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Rainer Bomba (CDU), entschieden hatte, aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens eine weitere Ampel an der Quedlinburger Straße zu installieren, fanden Bomba und Harslebens Bürgermeister Holger Bauermeister (CDU) jüngst erstmals telefonisch zueinander. Ergebnis: Die Ampel wird nun doch gebaut. Im Umfeld der Bushaltestelle an der Scheune. Und sehr bald sogar, um vor allem für die Kinder des Ortes das Überqueren der Bundesstraße sicherer zu machen.

"Wir haben alle Probleme geklärt", berichtet Bauermeister erfreut. Kurz zuvor hatte der CDU-Politiker erkannt, dass der von Rainer Bomba veranlasste Ampelbau mit keinen dauerhaften Kosten für die Kommune verbunden wäre und deshalb seinen persönlichen Widerstand gegen die Anlage aufgegeben. Damit vollzieht Bauermeister eine Kurswende. Mitte März hatte er zusammen mit Verbandsgemeinde-Bürgermeisterin Ute Pesselt (WG Buko) noch in einem Brief an Bomba gegen die Ampel argumentiert und stattdessen auf den beschleunigten Bau der Ortsumfahrung von Harsleben gedrängt.

Bundes-Staatssekretär Bomba selbst sieht den Sinneswandel im Vorharz sportlich: "Wir zwei haben in dieser wichtigen Sache konferiert. Herr Bauermeister hat mir berichtet, dass die Bürger doch für den Bau der Ampel sind. Ich stehe weiter zu meinem Versprechen. Also werden wir jetzt rasch handeln." Mit Landes-Verkehrsminister Thomas Webel sei die Sache schon abgesprochen.

Damit, unken Beobachter, entgehen Harsleben und der Vorharz zehn Monate nach Bombas Besuch einer Provinzposse und nehmen dessen Offerte für mehr Sicherheit im Straßenverkehr doch noch an. Rückblende auf einen Debatten-Marathon in mehreren Akten:

Berliner Brückenbauer mit klarer Ansage

Erster Akt: Als Staatssekretär Bomba am 26. Juli 2013 den Harz besucht, ist es heiß und schwül. Der CDU-Mann kommt mit Vertretern der Landesstraßenbaubehörde (LSBB) zusammen, diskutiert über das Bauprojekt und stellt die Umwidmung der B 6 zur Autobahn in Aussicht. Danach geht es nach Harsleben, wo der Bau der seit Jahren erhofften Ortsumfahrung im Fokus steht.

Vor Ort trifft Bomba auf Grundschülerin Julie. Das Mädchen berichtet ihm von ihren Problemen, die B 79 sicher zu überqueren. Bomba ist ganz der Pragmatiker und entscheidet noch vor Ort, dass ein Fußgängerüberweg mit Ampel hermüsse. Noch im Sandkasten von Julies Lieblingsspielplatz werden Nägel mit Köpfen gemacht und den LSBB-Chefs die Aufgaben in den Block diktiert. Dass er den Harslebenern damit im allerbesten Sinne eine Brücke baut, ist für Bomba eine klare Sache, zu der er steht.

Akt Nummer zwei spielt einige Wochen später, irgendwann im Herbst 2013. Verantwortliche mehrerer Behörden treffen sich zum Ortstermin in Harsleben und kommen irgendwie so gar nicht zum Ziel. Werden sich nicht einig, warum überhaupt eine Ampel gebaut werden müsse und wo diese denn stehe solle.

Weil sie irgendwie zwischen Bombas Besuch im Juli und diversen Wahlterminen im Herbst 2013 Zusammenhänge konstruieren, beschließen sie kurzerhand, Rainer Bomba von seinem Ampel-(Wahl)-Versprechen zu erlösen. Was kein Geringerer als Gemeindeoberhaupt Bauermeister verkündet. Auf die Idee, bei Parteifreund Bomba einfach mal anzurufen, kommt auch er nicht.

Beim Bundesstaatssekretär stößt die Erlösungsbotschaft - diplomatisch formuliert - auf etwas Verwunderung. In Akt Nummer drei lässt Bomba die Volksstimme im Advent des Jahres 2013 wissen, dass er von seinem Versprechen gar nicht erlöst werden wolle. Im Gegenteil: Die Ampel sei notwendig. Also bitteschön: bauen.

Was im Vorharz Wochen später in den vierten Akt mündet. Mittlerweile ist schon reichlich Wasser den Goldbach entlanggeplätschert. Im Frühjahr 2014 gibt es Ortstermin Nummer zwei und wieder kein Ergebnis.

Oder doch? Verbandsgemeinde-Bürgermeisterin Ute Pesselt und Bürgermeister Holger Bauermeister sehen sich im März motiviert, über Landesverkehrsminister Thomas Webel (CDU) an Rainer Bomba heranzutreten. Was Akt Nummer fünf markiert, mutet mindestens merkwürdig an. Machen doch beide aus Bombas klarer Ansage, eine Ampel zu bauen, mal eben und ganz mutig eine "Anregung". Obendrein sind sich beide nicht zu schade, den zweiten Mann im Bundesverkehrsministerium auf ganzer Linie zu brüskieren.

Was - mittlerweile wird Akt Nummer sechs gespielt - in Berlin nun doch für einige Verstimmung sorgt. Wenn die Leute vor Ort partout nicht wollten, sei auch er mit seinem Latein am Ende, reagiert Bomba zerknirscht und doch ganz diplomatisch-professionell. Dass bis dahin weder Bauermeister noch Pesselt Zeit und Gelegenheit fanden, Brückenbauer Bomba mal persönlich zu kontaktieren, bleibt Randepisode in einer Geschichte, die mehr und mehr zur Provinzposse mutiert. Bomba - die Nummer zwei im Bundesministerium - habe sich ja nicht wieder gemeldet, gibt Bauermeister zu bedenken.

Plötzlicher Sinneswandel im Vorharz

Man schreibt schließlich Akt Nummer sieben, als Holger Bauermeister plötzlich klar wird, dass er in den vergangenen Monaten irgendwie neben der Sache lag: B 79 heißt Bundesstraße 79 und bedeutet Kostenlast beim Bund. Was den gordischen Knoten schlagartig platzen und Bombas Ampel-Brückenbau perfekt werden lässt: Eine temporäre Anlage, zumindest bis zur Freigabe der seit Jahren erhofften Ortsumfahrung, soll es nun sein. Noch vor den Sommerferien.

Auch Rainer Bomba kann sich das Schmunzeln über diese unendlich anmutende Geschichte nicht gänzlich verkneifen: "Ich glaube, das ist jetzt wirklich ein schönes Happyend und mehr Sicherheit für die Einwohner."