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Wernigeröder Schlossfestspiele / Karin Seinsche inszeniert die Oper "Die verkaufte Braut" Viel Lärm um Liebe und Geld

08.08.2014, 01:18

Die Smetana-Oper "Die verkaufte Braut" feiert am heutigen Freitag auf Schloss Wernigerode Premiere. Redakteurin Ivonne Sielaff sprach mit Regisseurin Karin Seinsche über ihre Inszenierung.

Was macht für Sie als Regisseurin den Reiz der Oper aus?

Karin Seinsche: Es ist die Harmonie von Schauspiel und Musik - reelle Menschen auf der Bühne, die das Publikum zum Nachdenken anregen und mit auf eine Reise nehmen. Oper ist sehr emotional. Durch die Musik können Gefühle sehr gut transportiert werden. Darüber hinaus interessiert mich die Psychologie der Figuren. Warum agieren sie so und nicht anders. Bei der Oper gibt es nicht nur gut und böse, schwarz und weiß, sondern graue Zwischentöne.

Und was reizt Sie an Smetanas Oper "Die verkaufte Braut" im Speziellen?

Auf den ersten Blick ist es ein leichtes Stück mit schwungvollen Tänzen und temperamentvollen Rhythmen. Dahinter lauern jedoch Abgründe. Fassaden bröckeln. Es geht um die Sehnsucht nach Liebe und Glück, die infrage gestellt wird. Und das führt beinahe zur Katastrophe. Die Oper beginnt locker-leicht und wird dann bitter-böse. Eine Komödie mit tragischem Hintergrund.

Worin sehen Sie den Kern der Oper?

Im Mittelpunkt steht eine Zwangsehe. Das ist eine reelle Situation, die es in anderen Kulturen auch in unserer Zeit noch gibt. Es geht um Geld und Liebe. Dazwischen stehen die Menschen mit ihren Sehnsüchten und Wünschen.

Sie haben die Handlung vom 19. Jahrhundert in die 1950er Jahre verlegt. Warum?

Diese Epoche gehört fast noch zu unserer Gegenwart. Das war mir wichtig. Ich wollte das Stück nicht in der Historie lassen. Die Zeit der 50er Jahre steht für Kleinbürgertum, für eine dominante Männerwelt. Die Frauen waren noch nicht emanzipiert. Die Jugend konnte sich nicht selbst entfalten, wurde von den Älteren gelenkt.

Wie setzen Sie die Handlung um?

Ich bin eine sehr spielfreudige Regisseurin, lasse sehr bewegt spielen. Personenregie ist für mich dabei sehr wichtig. Mein Ziel ist es, das Herz des Stückes zu transportieren. Die Handlung spielt innerhalb eines Tages. Sie beginnt am Morgen und endet um Mitternacht. Die Dorfbevölkerung ist streng katholisch. Die Idylle ist nur eine Scheinwelt. Am Tag der Kirchweihe kommt eine Zirkustruppe in den Ort, wird ins Dorfleben integriert. Anders als bei Smetana, bei dem die Artisten erst im dritten Akt auftauchen, ziehen sie sich bei mir durchs ganze Stück. Zirkus steht hier für Schein und Glanz und die erbärmliche Armut dahinter. Die Artisten sind wie ein Spiegelbild für das Dorf. Vorne hui, hinten pfui.

Weichen Sie noch an anderen Stellen von der ursprünglichen Handlung ab?

Jein. Aber ich erzähle die Vorgeschichte. Dadurch wird die Handlung für das Publikum verständlicher. Ich zeige, wie der Vorvertrag 13 Jahre zuvor zustande gekommen ist. Um seine Spielschuld zu begleichen, verpflichtet sich der Kneipier Krushina, dass seine Tochter Marie, wenn sie erwachsen ist, den Sohn des reichen Michas heiraten muss. Ein Kuhhandel. Ein Mensch wird hier wie Vieh verschachert.

Wie haben Sie sich den Figuren genähert?

Generell entnehme ich sehr viel aus der Musik. Daraus ergeben sich die Charaktere wie von selbst. Ich sehe nicht nur Marie, sondern auch den Wenzel als Spielball. Schließlich sollen beide zwangsverheiratet werden, sind diesen Zwängen ausgesetzt. Maries große Liebe Hans ist anders. Er wurde von der Stiefmutter aus dem Haus gejagt und weiß sich inzwischen durchs Leben zu schlagen und mit List ans Ziel zu kommen. Da ist er dem Heiratsvermittler Kecal, einem Mann, der die Fäden scheinbar fest in der Hand hält, sehr ähnlich. Um Marie heiraten zu können, wendet Hans einen Trick an, verkauft scheinbar ihre Liebe. Sein Problem ist, dass er keine Chance hat, Marie einzuweihen. Dadurch verliert sie ihren einzigen Halt. Sie wird der Lächerlichkeit preisgegeben und steht am Abgrund. Aber auch sie hat ihre bösen Seiten, zum Beispiel, wenn sie den ungeliebten Wenzel terrorisiert.

"Mir ist es wichtig, die Realität abzubilden."

Regisseurin Karin Seinsche

Bei Smetana fügt sich am Ende alles. Hans und Marie finden wieder zueinander. Alle sind glücklich. Wie wichtig ist Ihnen das Happy End?

Zu Smetanas Zeiten musste die heile Welt schnell wieder hergestellt werden. Das hat das Publikum gefordert. Heute ist das anders. Deshalb zeige ich auch kein vollkommenes Happy End. Mir ist es wichtig, die Realität abzubilden. In der Musik Maries steckt so viel Verzweiflung, wenn sie am Schluss zu Hans sagt "bin Dein!" Das ist wie ein Aufschrei für mich. Deshalb läuft Marie bei mir im Finale davon, anstatt Hans in die Arme zu fallen. Es ist Wenzel, der sie wieder zurückholt. Zwar gibt es ein Hochzeitsfoto mit Hans, Marie, beiden Eltern und dem ganzen Dorf. Aber kann man einfach wieder zur Tagesordnung übergehen? Vertrauen wurde zerstört, das erst wieder aufgebaut werden muss.

Heute feiert Ihre Inszenierung Premiere. Was wünschen Sie sich für den Abend?

Dem Publikum wünsche ich viel Unterhaltung mit einem jungen, spielfreudigen Sänger-ensemble und schöner Musik. Den Akteuren wünsche ich viele Zuschauer und Spaß auf der Bühne. Sie sind genauso abhängig vom Publikum wie umgekehrt. Und uns allen wünsche ich einen schönen Abend.