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Diskussion: Kann sich die Stadt 5 Millionen Euro für die Sanierung von drei Einrichtungen leisten? Gewissensfrage im Sozialausschuss

Von Ivonne Sielaff 15.09.2014, 03:25

Mit einem Eigenanteil von 5 Millionen Euro könnte die Stadt drei Kindereinrichtungen komplett sanieren. Kann sich Wernigerode das leisten - darüber ist im Sozialausschuss diskutiert worden.

Wernigerode l Mehr als 16 Millionen Euro kostet die energetische Komplettsanierung der Grundschulen "Francke" und "Harzblick" sowie der Kindertagesstätte im Wohngebiet Harzblick. Diese Summe hat Wernigerodes Sozialamtsleiterin Petra Fietz den Mitgliedern des Sozialausschusses vorgelegt. Bei den Stadträten sorgte die Zahl für überraschte Gesichter, war doch vor einer Woche nur von gut sieben Millionen Euro die Rede gewesen.

Rückblick: Im August hatten die Kommunalpolitiker in einer Sondersitzung des Stadtrats einen Grundsatzbeschluss über die Sanierung der drei Einrichtungen gefasst. Voraussetzung war die Aufnahme in das Landesförderprogramm "Stark 3", das eine 70-prozentige Förderung in Aussicht stellt. Eile war geboten, denn das Land hatte eine äußerst knappe Frist bis zur Abgabe der Anträge angesetzt und verlangte gleichzeitig konkrete Planungen. Der August-Beschluss gab der Verwaltung grünes Licht für die erforderlichen Planungen. Mit dem nächsten, noch ausstehenden Beschluss würde Oberbürgermeister Peter Gaffert (parteilos) ermächtigt werden, die Förderanträge einzureichen. Darüber wurde in den letzten Tagen in den Fachausschüssen beraten.

"Der Bauausschuss hat die Sanierung einstimmig em- pfohlen", meldete sich Jutta Meier (CDU) nun im Sozialausschuss zu Wort. "Aber der Abstimmung lagen völlig andere Zahlen zu Grunde."

"Wenn ich ein Haus baue, muss ich entscheiden, ob Wohnung oder Schloss."

Sabine Wetzel (Grüne)

"Wenn wir 40 Millionen Euro für Schierke ausgeben, sollten wir uns auch nachhaltig für unsere Schulen einsetzen", sagte Frank Diesener (Haus Grund). Schließlich gehe es um hunderte Kinder, die die Einrichtungen besuchen." Sabine Wetzel (Grüne) zeigte sich von der Summe erstaunt. "Die Zahlen sind haarsträubend." Sicherlich müssten die Gebäude dringend saniert werden. Und sie sei niemand, der bei Kindern spare. "Aber wenn ich privat ein Haus baue, muss ich auch entscheiden, ob Wohnung oder Schloss."

Schon die Planungen allein würden viel Geld kosten, sagte Bernhard Ellendt (CDU). "Werden die Wernigeröder Einrichtungen nicht in das Förderprogramm aufgenommen, haben wir viel Geld in den Sand gesetzt." Sozialamtschefin Petra Fietz bestätigte, dass mit der Antragsstellung nicht garantiert sei, dass es tatsächlich Fördergeld gibt. "Wir wissen nicht, welche Prioritäten das Land hat, ob und wann Gelder fließen. Es kann sein, dass wir für keine Einrichtung eine Zusage bekommen", so Fietz.

"Mich ärgert, dass uns hier ganz andere Zahlen auf den Tisch gelegt wurden", so Sabine Wetzel. "Das ist eine Richtung, die mir nicht gefällt. Zuerst sind wir bei 2,1 Millionen Euro Eigenanteil, jetzt auf einmal bei fünf Millionen. Wir dürfen die Stadt nicht weiter in die Miesen treiben", warnte die Grüne-Stadträtin. "Wir haben Kredite abzuzahlen." Und die Haushaltslage sei nicht mehr so rosig wie noch vor fünf Jahren.

Frank Diesener sprach sich weiter für den Förderantrag aus. "Wir sind weder der Bau- noch der Finanzausschuss." Dort könnten sich die Experten mit der Finanzierung auseinandersetzen, so Diesener. "Im Sozialausschuss vertreten wir die Schwächsten. Und hier geht es um unsere Kinder. Als Sozialausschuss sollten wir den Mut aufbringen, ja zu sagen - obwohl wir wissen, dass es extrem teuer wird." Auch der Sozialausschuss sei betroffen, entgegnete Sabine Wetzel. "Geht es dem Haushalt schlecht, dann geht es auch unserem Ausschuss schlecht. Wir müssten dann entscheiden, welcher Verein weniger Geld bekommt und bei welcher Einrichtung wir die Standards zurückschrauben." Das sei eine Gewissensfrage, warf Ausschusschef Kevin Müller (SPD) ein. "Wenn wir dagegen stimmen, ist das Projekt erst einmal gestorben."

"Als Sozialausschuss sollten wir den Mut aufbringen, ja zu sagen."

Frank Diesener, (Haus Grund)

Auf Volksstimme-Nachfrage erklärte Baudezernent Burkhard Rudo, wie es zu der plötzlichen Kostenexplosion kam. "Man kann hier eigentlich nicht von einer Kostensteigerung sprechen", so Rudo. Der Grundsatzbeschluss im August sei ohne konkrete Planungen gefasst worden. "Die Zahlen waren Schätzungen aus dem Bauch heraus, hatten keine Basis. Eine solche Form der energetischen Gesamtsanierung hatten wir bisher nicht. Deshalb lagen wir mit unserem Bauchgefühl daneben." Die Zahlen, die nun seit kurzem vorliegen, würden auf detaillierten Kostenschätzungen und Planungen beruhen.

Laut Rudo würde sich die Stadt mit einem Eigenanteil von fünf Millionen Euro nicht übernehmen. "Die Summe könnte über einen zinslosen Kredit finanziert werden", so der Baudezernent. Durch die energetische Sanierung würden die Energiekosten der Einrichtungen drastisch sinken. "Bei der Francke-Schule sind das Einsparungen von 70 Prozent, bei der Schule und Kindertagesstätte im Harzblick jeweils 50 Prozent." Er rechne damit, dass die Einsparungen einen großen Teil der abzuzahlenden Kreditrate decken.

Die Verwaltung befinde sich jetzt im Zugzwang, so Rudo. "Wir müssen die Anträge Anfang der Woche beim Landkreis einreichen, der sie an das Land weiterleitet." Sollte der Stadtrat gegen das Projekt votieren, müsse der Antrag zurückgezogen werden. "Wir sollten uns jedoch die Chance auf 70-prozentige Förderung nicht entgehen lassen", so Burkhard Rudo. Es sei eine vorteilhafte Möglichkeit, die Pflichtaufgaben der Stadt zu finanzieren.

Die Mitglieder des Sozialausschusses sprachen sich letztlich mehrheitlich für die Antragstellung aus. Sabine Wetzel enthielt sich. Der Stadtrat hat am Donnerstag das letzte Wort.