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Wanderausstellung zum "Wahnsinnsjahr" 1989/90 noch bis 2015 im Oberharz zu sehen Als Grenzöffnung ein Gerücht war

Von Burkhard Falkner 13.11.2014, 02:14

Ein Gerücht, eine Massenwanderung und ein völlig überraschter, fast verschlafener Westharzort sind Thema der Ausstellung "Ein Wahnsinnsjahr - wir war`n dabei". Die Schau ist noch bis 2015 auf beiden Seiten der Ex-Grenze zu sehen.

Benneckenstein l Eine Ausstellung zur Grenzöffnung am Jägerfleck zwischen Benneckenstein und Hohegeiß in Niedersachsen hat bereits viel Zuspruch gefunden. Sie dokumentiert den atemraubenden Zeitraum vom 8. Oktober 1989 bis zum 3. Oktober 1990 wie in einer Zeitreise.

Die Idee dazu hatten vor etwa einem Jahr Manfred Gille und Robert Hansmann (Hohegeiß) sowie Benneckensteins Bürgermeister Hans-Herbert Schulteß (CDU). Das vor 25 Jahren unüberhörbare Wort "Wahnsinn" sollte den Titel mit bestimmen. Als der Kultur- und Heimatverein Benneckenstein um Vorsitzende Annetraut Müller um seinen Einsatz dafür gebeten wurde, fiel ihm die Zusage mit Blick sein Archiv nicht schwer.

Der Benneckensteiner Chronist Jürgen Kohlrausch und Corina Reckling stellten schließlich in zig Sitzungen Material für sieben Aufsteller zusammen, die das Geschehen von damals im Zeitraffer vor dem Auge des Betrachters Revue passieren lassen. Beim Grenzfest zwischen Hohegeiß und Benneckenstein wurde die Schau schon zum Magneten. Vor allem das Modell der Sperranlagen zog die Besucher an. Es zeige handgreiflich, welcher Aufwand getrieben wurde, um die eigenen Bürger aufzuhalten, schüttelten Betrachter immer wieder nachdenklich den Kopf. Andere studierten intensiv Zeitungsmeldungen, Fotos und Berichte, welche die Atmosphäre vor 25 Jahren noch einmal aufleben lassen.

So notierte Jürgen Kohlrausch 1989 am 12. November: "In Benneckenstein geht das Gerücht um: ,Beim Jägerfleck ist die Grenze auf!`". Woraufhin sich alle, die einen fahrbaren Untersatz fanden, mit Fahrrad, Moped und Trabi Richtung Rothesütte zum Bereich Jägerfleck (B 4) aufmachten. Doch die Grenze war dicht.

Die schier endlose Karawane der Fahrzeuge wurde nach Ellrich umgeleitet, wo schon geöffnet worden war. Erst nach 14 Uhr schraubten Grenzer am Jägerfleck ein Zaunfeld ab und halfen den Massen über den Sperrgraben. Kohlrausch: "Tausende von DDR-Bürgern gehen auf der ,Rothesütter Straße` die vier Kilometer nach Hohegeiß, wo man völlig überrascht ist..."

Es dauerte aber nicht lange, da reagierten die Hohegeißer schnell - öffneten Geschäfte, zahlten in Banken und in der Kurverwaltung Begrüßungsgeld aus, fielen sich Ost- und Westharzer in die Arme. Am Abend setzte dann der Rückmarsch der Massen ein. Um 23 Uhr wurde die am Jägerfleck sogar wieder geschlossen. Aber nicht mehr für lange.

Zu sehen ist die Ausstellung bis Dezember in der Kurverwaltung und danach im Hotel Panoramic in Hohegeiß. Anschließend zum Jahresende im Rathaus-Foyer in Benneckenstein. Dort hält die Tourist-Information außerdem eine DVD über die Geschehnisse jener Wahnsinnszeit parat.