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Ski-Clubs aus St. Andreasberg und Schierke fanden nach der Wende wieder zueinander Brief wie ein Schatz gehütet

Von Julia Bruns 03.12.2014, 02:16

Mit der Wende haben sich auch West- und Ostharzer Skisportler nach jahrezehntelanger Funkstille wieder in die Arme geschlossen. Die Alpinen aus St. Andreasberg und Schierke verbindet bis heute eine intensive Freundschaft. Der Wernigeröder Peter Günnel möchte die sportliche Verbindung wieder ankurbeln.

Schierke/St.Andreasberg l Kurz nachdem sich im November 1989 Ost- und Westdeutsche im Freudentaumel in den Armen lagen, erreicht den Wernigeröder Skilehrer Peter Günnel am 22. November ein Schreiben aus St. Andreasberg. "Liebe Skisportfreunde! Auf diesen Moment haben wir lange gewartet", schreibt Karl-Heinz Siebeneicher, der Vorsitzende des Ski-Clubs St. Andreasberg 1896, an die Sportgemeinschaft Dynamo Schierke, Sektion Ski.

Rund 30 Jahre ist es 1989 her, dass Ostharzer und Westharzer Skifreunde gemeinsam sportliche Erlebnisse teilen konnten. Im Winter 1959/60 hatte zuletzt eine Mannschaft des Niedersächsischen Skiverbandes bei einem Wettkampf in Schierke teilgenommen, erinnert sich Günnel. Das offene gesamtdeutsche Rennen fand damals unter Beteiligung von Braunlager Sportlern auf dem großen Winterberg statt. Kurz darauf wurden die sportlichen Aktivitäten am Großen Winterberg verboten, da dieser zu nahe an der Grenze lag. Die Ostharzer Sportler wichen auf den Erdbeerkopf aus.

"Die Erinnerung an vergangene Zeiten, als Skisportler aus unseren Reihen zum letzten Mal bei Euch zu Gast sein durften, wird hier noch hoch gehalten", heißt es nun im Brief von Karl-Heinz Siebeneicher, den Peter Günnel bis heute wie einen Schatz gehütet hat. Im Anhang des Schreibens befindet sich das Ausschreibungsheft für den Skiwinter 1989/90. Eine Einladung, die die Schierker Alpinen gerne annehmen.

Der Verein im Brockenort zählt damals 86 Mitglieder, 58 stammen aus Wernigerode. "Noch Ende November sind wir zum ersten Mal nach St. Andreasberg gefahren, haben den Verein besucht und uns erst einmal beschnuppert", erinnert sich Peter Günnel. Kurz darauf feiern die Schierker bereits im Andreasberger Kurhaus das Winterfest mit.

"Dann haben wir zu einer Brockenwanderung eingeladen", so Günnel. Kurz vor dem Jahreswechsel besuchen die Andreasberger den Brockenort und besichtigen die Anlagen ihrer Ostharzer Skifreunde. In einem Artikel vom 5. Januar 1990 berichtet die Presse in St.Andreasberg "Der Erdbeerkopf ist der Haushang der Schierker Alpinen. Hier haben sie sich in beispielhafter Eigenleistung unter schwierigsten Bedingungen einen Schlepplift und zwei Skihütten errichtet. Mit berechtigtem Stolz zeigten die Heimischen den Besuchern ihre Anlagen - und auch die Andreasberger mussten neidlos solche Errungenschaften anerkennen." Am Erdbeerkopf befindet sich der erste Skilift im Ostharz. Er wird mit einem 10-PS-Dolz-Dieselmotor angetrieben. Die Überschrift des Artikels: "Nun warten sie gemeinsam auf Schnee". Denn der Winter 1989/90 ist denkbar schlecht, Schnee will partout nicht fallen. "Also haben der SG Dynamo Schierke und Motor Wernigerode die Andreasberger ins Zwölfmorgental auf den Mattenhang eingeladen", sagt er.

Die Westdeutschen sind zunächst skeptisch, Skifahren auf Kunststoffmatten - das kannten sie bisher noch nicht. Letztlich beteiligen sich alle an dem Wettlauf, aus dem Andreas Günnel aus Wernigerode als Sieger hervorgeht. "Trotz einiger Anfangs- und Eingewöhnungsschwierigkeiten in das fremdartige Metier gab es beachtenswerte Erfolge", heißt es im Artikel "Ostharz-Einladung unterbrach die alpine Wartezeit" vom 17. Januar 1990. Und: "Die alpinen Skisportler beiderseits der Grenze hoffen jetzt auf eine Fortsetzung."

"Dann wollten wir im Februar gemeinsam einen Riesenslalomlauf am Hohnekopf bei Drei Annen Hohne austragen", so Peter Günnel. Das Schicksal meint es nicht gut mit den Skifreunden. "Ein mit Heizöl beladener Lkw rutschte in einen Graben nahe des Hanges. Aus Angst vor einer Explosion wurde der Strom abgestellt. Der zweite Durchgang war nicht mehr möglich." Es ist der letzte Versuch eines gemeinsamen Wettkampfes im Ostharz. Nach Kontroversen mit der Stadt muss der Lift am Hohnekopf abgebaut werden.

In den nächsten Jahren treffen sich die Schierker und Andreasberger zu zahlreichen gemeinsamen Wettkämpfen auf dem Sonnenberg und in Andreasberg. Einer der Höhepunkte ist die Feier zu 100 Jahren Skisport im Harz im Jahr 1996. Punkt 12 Uhr gründeten am 19. Februar des Jahres 1896 drei Frauen und zwölf Männer den Oberharzer Ski-Klub und hoben so den Skisport und touristischen Skilauf aus der Taufe. Die Gründungsmitglieder waren überwiegend Förster, Forstaufseher oder Gastwirte und kamen aus Braunlage, St. Andreasberg, Schierke, Sonnenberg und Leipzig. Erster Vorsitzender war Förster Kirchhof aus St. Andreasberg. Bereits damals verfolgte der Ski-Klub das Ziel, den Sport des Schneeschuhlaufens zu fördern und Gönnern zugänglich zu machen.

2006 begehen schließlich 40Skikameraden die Feierlichkeiten zum 110. Jahrestag auf dem Brocken und erinnern an die Entstehung des Skisports im Harz. Initiiert hat die Feier Peter Günnel. Höhepunkt ist die Übergabe eines übermannsgroßen Gemäldes aus der Gründungszeit des Skilaufes im Harz, das zu Ehren des Jubiläums einen Platz im Goethesaal des Brockenhotels erhält.

Privat verbindet die Schierker und Andreasberger heute noch vieles. Doch beide Ski-Vereine plagen Nachwuchssorgen, sagt Günnel. "Ich möchte deshalb die sportlichen Kontakte gerne wieder ankurbeln", sagt er. Vorstellen kann er sich zum Beispiel gemeinsame Wettkämpfe. "Warum nicht auf einem Mattenhang?"