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Oberbürgermeisterwahl Einmal die ganze Stadtpolitik

Drei Kandidaten, zwei Moderatorinnen und eine Bibliothek, in der es kaum
noch Stehplätze gab: Am Montag hatten Volksstimme und Hochschule Harz
zum Oberbürgermeister-Wahlforum eingeladen.

Von Theo Weisenburger 01.04.2015, 01:23

Wernigerode l Das Ergebnis ist eindeutig. Doch ob es schon eine Vorentscheidung war, das wird sich erst am Wahlsonntag, 12. April, zeigen. Amtsinhaber Peter Gaffert (parteilos) lieferte beim Volksstimme-Wahlforum die überzeugendste Vorstellung. Dieser Meinung waren 64 Besucher. 26 votierten für Herausforderin Sabine Wetzel (Bündnis 90 / Grüne), fünf gaben ihre Stimme dem Piraten Michael Miede.

Aber ehe die drei Anwärter auf den Chefposten im Wernige-röder Rathaus dieses Ergebnis vernehmen durften, hatten sie einen wahren Marathon zu absolvieren. Oder, in den Worten von Volksstimme-Gesamtredaktionsleiterin Regina Urbat, die gemeinsam mit Redakteurin Ivonne Sielaff die Runde moderierte, ein Fußballspiel mit Verlängerung und Elfmeterschießen. Weit mehr als zwei Stunden lang diskutierten, redeten und stritten sich die Kandidaten durch die ganze Stadtpolitik.

Hausherr und Hochschulrektor Armin Willingmann hatte zu Beginn bedauernd angemerkt: "Die Bedeutung der kommunalen Ebene wird unterschätzt." Auf die Besucher in der vollbesetzten Hochschul-Bibliothek trifft das nicht zu. Sie diskutierten mit, gut informiert und mitunter hart in der Sache, aber fair.

Von Straßenverkehr über Tourismus und wirtschaftliche Entwicklung bis zur Situation in den Ortsteilen - es kamen Themen auf den Tisch, die die Menschen bewegen. Etwa, welche Straße dringend saniert werden müsste. Für Gaffert ist das die Friedrichstraße. "Die ist wichtig für die Stadt." Zudem müsse noch eine Lösung gefunden werden, wie der Schwerlastverkehr auf der B244 aus der Stadt verbannt werden kann. Wetzel warb dafür, dass Stadt und Bundestagsabgeordnete die Bürgerinitiative gegen Schwerlastverkehr in ihrem Bemühen unterstützen. Zudem forderte sie ein Verkehrskonzept für die Innenstadt, das auch Radfahrern und Fußgängern gerecht wird. Im Zusammenhang mit dem Ausbau des Ochsenteich-Geländes trat Michael Miede für die Weiterentwicklung des Parkleitsystems ein. "Wer Parkplätze schafft, soll sie auch gut einbinden."



Volksstimme-Leser Detlef Rothert fragte nach den Konzepten der Kandidaten für die untere Breite Straße. Pirat Miede sprach sich für einen Bürgerentscheid aus, in dem die verschiedenen Varianten zur Abstimmung gebracht werden. Ähnlich argumentierte Sabine Wetzel. In die Diskussion zur Innenstadt sollten sich alle einbringen. Generell aber gelte: "Es ist dringend nötig, dass wir den Bereich verkehrsberuhigen." Auch der Oberbürgermeister sprach vom "Wunsch der Menschen nach mehr Ruhe". Gefordert seien "intelligente Lösungen", bei denen die Bürger gehört werden sollen.

Mit der Eintracht war es bald vorbei
Mit dieser relativen Eintracht unter den Kandidaten war es - erwartungsgemäß - bei der nächsten Frage vorbei: "Wie soll Schierke in zehn Jahren aussehen?" Sabine Wetzel forderte eine Abkehr vom bisherigen Winterberg-Konzept. Stattdessen solle das Zentrum attraktiver gemacht werden. "Die Gäste sollen durch eine verkehrsberuhigte Zone schlendern." Laut Miede sei die Bevölkerung angesichts bisheriger Planungen sehr skeptisch. Deshalb sein Rezept: "Mehr Ausbau innerorts, dafür weniger Schierke." Gafferts Vision ist eine andere. In zehn Jahren sei Schierke "ein prosperierender Kurort". Die Gäste wollten mehr haben als "Wald, Steine und Wasser", warb er für das Skigebiet, vom dem er sich eine "unglaubliche Wertschöpfung" erwarte.

Doch wer soll das bezahlen, schließlich kostet der Winterberg-Ausbau gut 25 Millionen? Pirat Miede setzt auf die Macht der Masse. "Crowdfunding" lautet sein Rezept, und "überregional die Fühler ausstrecken". Für die Grüne Wetzel stellt sich die Frage indes gar nicht. Mit ihr als Oberbürgermeisterin würde das Winterberg-Konzept nicht realisiert werden. Aus grünen Gründen, sie wolle keine 40Hektar Wald für ein alpines Skigebiet opfern. Grund genug für den parteilosen Gaffert, ein Ende der "Negativ-Diskussion" zu fordern. Nur durch das Festhalten an guten Konzepten signalisiere die Stadt, dass sie das Vertrauen von Investoren verdient habe. Was ihr Kontrahent "Negativ-Diskussion" nenne, sei für sie ein Zeichen, dass die Bürger sich für das Thema interessieren, konterte Wetzel. Sie forderte eine intensive Diskussion über das Konzept und einen Kassensturz: "Wir müssen schauen, was wir uns noch leisten können."

Doch Wernigerode lebt nicht nur vom Tourismus alleine. "Was muss getan werden, um gut ausgebildete Fachleute in die Stadt zu holen oder hier zu halten?", wollte Moderatorin Ivonne Sielaff von den Kandidaten wissen. Lehrerin Wetzel sprach von guten Strukturen und einem guten Schulsystem, das erhalten werden müsse. An die Adresse der Wirtschaft gerichtet, sagte sie aber auch: "Es gehören gute Löhne dazu, um die jungen Leute hierzuhalten."

Die Wähler entscheiden am 12. April
Auch Michael Miede sah den Schwerpunkt in guten Löhnen und sicheren Arbeitsplätzen. Wichtig sei aber auch, die Jugendlichen schon früh an die Berufswelt heranzuführen. Gaffert sprach vom "Kampf um Köpfe". Gerade für das Hotel- und Gaststättengewerbe sei er überzeugt, dass es auf Dauer nicht ohne ausländische Fachkräfte gehe. "Wenn wir weiter Marktführer bleiben wollen, müssen wir die Türen öffnen für Ausländer."

Forumsgast Klaus Nehrkorn wollte wissen, mit welchen Ideen die Kandidaten Gewerbe in die Stadt locken wollen. Für Miede ist in dieser Frage die Gewerbesteuer ein gutes Instrument. Unabdingbar sei aber ebenso eine Anbindung ans Breitbandnetz. Sabine Wetzel spannte den Bogen etwas weiter. Wichtig seien weiche und harte Standortfaktoren, also auch Kita, Straßen und DSL-Anschlüsse. Mehr als für niedrige Gewerbesteuern interessieren sich Investoren dafür, wie sie von Behörden behandelt werden, warf Gaffert ein. Die Auslastung der Gewerbegebiete zeige, "dass wir das ganz gut hinbekommen".

Und warum sollte man Sie wählen? Die Kandidaten hatten am Ende 60 Sekunden Zeit, für sich zu werben. Peter Gaffert warb dafür, die begonnenen Projekte fortsetzen zu dürfen. Sabine Wetzel möchte die Geschicke der Stadt mitgestalten und Michael Miede warf seinen Gerechtigkeitssinn und seine Leidenschaft für Herausforderungen in die Waagschale. Das endgültig letzte Wort in dieser Angelegenheit haben die Wähler am 12. April.