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Rocken am Brocken Die Brockenfamilie feiert

Mit 5000 Gästen haben die Organisatoren des "Rocken am Brocken"-Festivals ihre eigene Besucher-Höchstmarke geknackt.

Von Julia Schneider 07.08.2015, 20:50

Elend l 4.30 Uhr am Sonnabendmorgen: Markus Blanke sitzt mit dem Laptop auf dem Bett und beantwortet noch einige Mails, bevor er sich für wenige Stunden schlafen legt. "Das ist total untypisch für mich, in den vergangenen Jahren wäre ich niemals vom Festivalgelände gegangen, noch bevor die Musik aus ist", sagt er. Als einer der drei Hauptorganisatoren des "Rocken am Brocken"-Festivals bei Elend im Harzkreis steht Blanke immer unter Strom. Zumindest solange das Festival läuft, denken er und die beiden Mitorganisatoren Oliver Trey und Alexander Krüger nur daran, die Veranstaltung bestmöglich ablaufen zu lassen.

Bei der neunten Auflage des "Rocken am Brocken" am vergangenen Wochenende war Markus Blanke jedoch entspannter. "Mittlerweile sind wir alle ein eingespieltes Team. Wir haben zwar immer wieder neue Helfer dabei, aber auch einen festen Stamm. Ich kann mich einfach auf sie verlassen", erzählt er. Über 100 Ehrenamtliche haben in diesem Jahr bei der Organisation, der Vorbereitung und beim Ablauf des Festivals mitgeholfen. Sie trugen dazu bei, dass 5000 Partygänger ein unvergessliches Wochenende erlebten. Das "Rocken am Brocken" verzeichnete einen Besucherrekord, das Festival war ausverkauft.

Isabel und Stefanie

Undenkbar wäre das ohne die Helfer. Auf dem Ehrenamt gründet schon die Entstehung der Veranstaltung, die 2007 zum ersten Mal stattfand und mit 500 Gästen einfach eine große Party für Musikliebhaber und Feierlustige sein sollte. Heute sind die Ehrenamtlichen des Festivals ein eingespieltes Team. Das "Rocken am Brocken" steht und fällt mit seinen Helfern - wie beispielsweise Isabel. Die 30-Jährige, die eigentlich aus der Nähe von Berlin kommt, war in diesem Jahr zum sechsten Mal dabei. Nach ihrem ersten "Rocken am Brocken", das sie noch als Gast besuchte, interessierten sie die internen Abläufe. Sie bewarb sich für ein Praktikum beim "Rocken am Brocken". "So ganz offiziell, mit Anschreiben und Lebenslauf", berichtet sie und erinnert sich, dass Markus Blanke sie daraufhin anrief und nach einem lockeren Gespräch schließlich einstellte. "Es muss einfach passen zwischen uns und den Helfern. Das ist nicht immer so, aber man merkt es schnell", sagt Organisator Blanke über die Helfer-Akquise. Meistens bringen bereits bekannte Helfer ihre Freunde mit und stecken diese mit dem Familiengedanken des Festivals an. "Es entstehen Freundschaften, wir unternehmen auch außerhalb der Veranstaltung viel. Wie beispielsweise unsere jährliche Brockenwanderung", erzählt Isabel. Sie hat mittlerweile die Helferplanung inne. Bands buchen, Werbung für das Festival machen, die Veranstaltung organisieren, Bühnen aufbauen, Bands betreuen, den Einlass kontrollieren, parkende Autos einweisen - all diese Aufgabe müssen verteilt und eingetaktet werden. Die meisten Helfer arbeiten rund um die Uhr am Gelingen des Festivals, oft bekommen sie deshalb selbst nicht viel davon mit.

So wie beispielsweise Stefanie. Sie ist die erste Ansprechpartnerin für alle Presseleute und obwohl sie in Göttingen wohnt, nimmt sie seit fünf Jahren den Weg zu den Helfertreffen und natürlich dem Festival selbst auf sich. Nach einer Probezeit wurde auch sie damals relativ schnell in das Team um die drei Organisatoren aufgenommen und ist nun für die wichtige Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Ganz habe sie bei der Veranstaltung mal Zeit, sich die Bands anzugucken. Schlechte Laune kommt deshalb bei ihr nicht auf. "Es macht einfach Spaß, das alles mit zu organisieren", erzählt sie.

Die Holzbauer

Der 30-jährige Markus und sein 21-jähriger Bruder Louis stammen aus Sankt Andreasberg im Oberharz, wohnen aber jetzt ebenfalls in Göttingen und gehören dort einem DJ-Kollektiv an. Nach einem ersten Auftritt hinter den Plattentellern beim "Rocken am Brocken" 2013 wollte Louis gern mehr mit in die Vorbereitungen eingebunden werden. Spontan reiste er mit Freunden und seinem Bruder an und bekam den Aufbau der Hexenhütte übertragen - einer der Floors, den DJs bespielten. 90 Prozent recyceltes Holz aus dem vergangenen Jahr und Altholz vom Hexenwerk-Festival - einer Veranstaltung, die bereits vor einigen Wochen im Harz stattfand - standen der Gruppe zur Verfügung, die daraus ein neues Schmuckstück zauberten. Bereits am Sonntag vorm Festival waren die jungen Leute angekommen. Nur einer aus der Gruppe ist Tischler, die anderen eigneten sich unter dessen Anleitung und unter Zuhilfenahme der eigenen Fantasie von selbst die Fertigkeiten an, die für den Aufbau von Nöten waren. Obwohl sie eine Woche lang in einem eigens zusammengezimmerten Bauwagen schliefen, war es für die Brüder und deren Kumpels eine große Freude, beim Gelingen der Veranstaltung mitzuwirken. "Das \'Rocken am Brocken\' war mein erstes Festival", erzählt Louis. Die Freunde Alex und Aaron wurden am Mittwoch - einen Tag vor Festivalbeginn - noch angerufen und stießen spontan zum Helferteam.

Unter den Holzarbeitern war auch Nico (31) aus Hessen im Harz. Er entschied sich schon frühzeitiger dafür, beim Aufbau zu helfen. Denn die Arbeiten kennt er von anderen Festivals - Helfer war er beispielsweise bereits bei der Fusion. "Hier erfährt man echte Wertschätzung durch die Veranstalter, das macht sehr viel aus", lobte er die Organisatoren am Wochenende. Denn beim "Rocken am Brocken" merke man, dass jeder einzelne Helfer zähle, egal welche Aufgabe er übernimmt. So wird den fleißigen Arbeitern immer eine Mahlzeit, Getränke sowie die Möglichkeit für eine heiße Dusche geboten.

Micha und Jonas

In einer ganz anderen Welt als die Bühnenbauer bewegte sich beim diesjährigen Festival nur einige hundert Meter weiter Micha. Der 27-Jährige stammt aus Biere bei Schönebeck und hilft seit sieben Jahren beim "Rocken am Brocken". Er ist einer der Bandbetreuer - einer der wenigen, der Zutritt zum Künstlerdorf der Veranstaltung hat. Dort stehen Zelte für die Bands bereit und alles andere, was diese sich so für die Zeit vor und nach ihren Auftritten wünschen. "Ansichtskarten und Briefmarken aus Elend, Rubbellose, exquisite Spirituosen - wir haben schon alles Mögliche besorgen müssen", erzählt Micha, der eigentlich als Zimmerer arbeitet und deshalb auch beim Aufbau half. Manchmal seien es gerade die kleinen Bands, die große Wünsche hätten, verrät er. Und die bekannteren Musiker seien teils froh, mal wieder auf einem kleinen Festival zu spielen, bei dem mit Liebe zum Detail gearbeitet wird. Weil jeweils drei Bandbetreuer auf Haupt-und Nebenbühne arbeiten, sei die Arbeit nicht zu stressig. Allerdings könne es schon einmal vorkommen, dass eine Band kurzfristig absagt und Ersatz gefunden werden muss. So fielen in diesem Jahr beispielsweise "Sizarr" wegen Krankheit aus, der Spielplan musste kurzerhand umgestellt werden. Als Bandbetreuer arbeitet beim "Rocken am Brocken" auch Jonas. Der 24-jährige fand über seinen Bruder Robert zu dem Festival und erledigte anfangs Hilfsarbeiten beim Aufbau. Heute bucht er schon Monate vor der eigentlichen Veranstaltung gemeinsam mit Markus Blanke die Bands. Für ihn ist es nicht nur die Atmosphäre beim Festival, sondern vor allem auch die Liebe zur Musik, die ihn immer weitermachen lässt - selbst wenn es mal stressig wird.

Robert und Arne

Jonas\' großer Bruder Robert (27) ist Stage-Manager bei der Veranstaltung, am vergangenen Wochenende betreute er zum dritten Mal die Hauptbühne. Abläufe planen, darauf achten, dass die Bands alle Instrumente haben und die Zeiten einhalten, dass Technik und Menschen miteinander funktionieren - das ist seine Aufgabe. Für ihn hat die Hilfe am Brocken angefangen, als er während seiner Ausbildung in einer Bühnenbaufirma beim "Rocken am Brocken" gearbeitet hat. Wer Soundchecks und Auftritte koordiniert, ist am Brocken aber nicht wichtiger als jeder andere Helfer. Hier muss jede Aufgabe erledigt werden. So stört den 28-jährige Arne am Freitagabend auch nicht, als er für die Sparte "Sonstiges" eingeteilt wird und als Einlasser den Künstlerbereich bewachen muss. Er ist zum fünften Mal dabei und hat schon beim Auf- und Abbau des Festivals, beim Merchandising und beim Bändchen verteilen geholfen. Geschichten von den Festivals kann er genauso erzählen, wie alle anderen Helfer.

Helfer feiern eigene Party

Die meisten Storys kommen am Sonntagabend auf den Tisch, wenn die Gäste größtenteils abgereist sind und der Abbau bewältigt ist. Dann feiern die Organisatoren und Ehrenamtlichen ihre eigene Party. Am vergangenen Sonntag ging es dabei bereits um das nächste Jahr. Dann feiert die eingeschworene Brockenfamilie ihr zehntes Festival. Und dann soll es etwas ganz Besonderes geben.

Von den einzelnen Aufgaben, die die Helfer hinter den Kulissen erledigen und wegen derer sie von früh bis spät auf den Beinen sind, bekommen die Festivalgäste nur selten etwas mit. Die gute Laune, die sich die Ehrenamtlichen bewahren, strahlt aber trotzdem auf die Atmosphäre der Veranstaltung ab. So lobten beispielsweise Bands auf der Bühne die Ordner, die zwar von den Veranstaltern für ihre Aufgaben, nicht jedoch für ihr Verhalten bezahlt werden. "Ihr habt hier echt die tollsten Ordner, die wir jemals gesehen haben", erklärten die Jungs von "Say yes dog" auf der Bühne und spielten auf die gut gelaunten Sicherheitskräfte an, die bei den Konzerten schonmal kurzerhand mittanzten oder die Menge zu Applaus aufforderten.

Newcomer-Bands

Die Fans durften in diesem Jahr wieder von dem feinen Gespür der Veranstalter für aktuelle Musik und Newcomer-Bands profitieren. So gab es Gänsehaut, als die Stimme von Henning May, dem Sänger von "Annenmaykantereit" erklang, für Bewegung sorgten die vielen Mitglieder von "Moop Mama" mit speziellen Choreografien. Wer bereits am Donnerstag anreiste durfte erstklassige DJ\'s wie Dirty Doering, Lexer, K-Paul und Schmitzkatze sowie unter anderem die Band "Royal Republic" erleben. "Jonah", bekannt durch den Werbesong "All we are", "Feine Sahne Fischfilet", "Turbostaat" und "Whomadewho" - sie alle taten ihr Übriges zum Gelingen des Festivals. Der eigentliche Respekt gebührt aber sicherlich den Helfern des "Rocken am Brocken". Ohne sie würde die familiäre Atmosphäre der Veranstaltung fehlen - und damit das Herz des Festivals.