1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wernigerode
  6. >
  7. "Fukushima hat alles verändert"

Verein "Blankenburg hilft Tschernobyl" gedenkt der Reaktorkatastrophe vor 25 Jahren - Wolfgang Rumpf: "Fukushima hat alles verändert"

Von Andreas Bürkner 19.04.2011, 04:29

In einer Gedenkveranstaltung hat der Verein "Blankenburg hilft Tschernobyl" an das Unglück von 1986 und sein daraus entstandenes Engagement für inzwischen 411 strahlengeschädigte Kinder aus Weißrussland erinnert.

Börnecke. "Als wir begannen, Vorbereitungen für eine Gedenkveranstaltung zur Erinnerung an das verheerende Reaktorunglück im Atomkraftwerk von Tschernobyl vor 25 Jahren zu treffen, wollten wir eigentlich die Folgen einer solchen Katastrophe und die noch immer drohende Gefahr ins Gedächtnis rufen", sagt Wolfgang Rumpf am Sonntag im Börnecker Dorfgemeinschaftshaus. "Doch die Aktualität der Ereignisse im japanischen Fukushima hat alles verändert."

Plötzlich sei das Thema wieder im Gespräch. Es werde von verseuchten Böden oder Gewässern gesprochen und von Halbwertzeiten. Das alles erinnere an das Geschehen vor 25 Jahren und habe auch erneut die Arbeit des seit 18 Jahren bestehenden Vereins "Blankenburg hilft Tschernobyl" in den Vordergrund gerückt (wir berichteten). Es nähre auch die Hoffnung, wieder mehr Sponsoren und Gasteltern für die Arbeit zu gewinnen.

Doch was geschah damals wirklich? Dieser Frage ging Theaterpädagoge Hermann-Josef Gröbe in seiner Lesung anhand des Schicksals eines betroffenen Paares nach. Dieses wurde zwar aus dem engsten Umfeld evakuiert, er aber musste als Betonbauer direkt an der Unfallstelle arbeiten - mit entsetzlichen Folgen für seine Gesundheit. Nachdenk-liche Gesichter und eine Stille, bei der man eine Nadel hätte zu Boden fallen hören, prägten die Atmosphäre. Ähnlichkeiten mit der aktuellen Informationspolitik in Japan wurden deutlich: "Es herrscht keine Gefahr für die Gesundheit der Menschen." Die vorhandene Strahlung wird gemeinsam mit der Atomenergiebehörde heruntergespielt, nur scheibchenweise geben die Verantwortlichen das wahre Ausmaß preis. Unter den Folgen von Tschernobyl leiden auch die mittlerweile 411 Kinder aus Weißrussland, denen der engagierte Verein um seinen Vorsitzenden Mirko Gent seit 1993 unbeschwerte Urlaubstage im Harz ermöglicht.

Dahinter steckt aber auch der unermüdliche Einsatz von inzwischen weit über 150 Familien aus Blankenburg und der Umgebung, die die Kinder als Gasteltern bei sich aufnahmen und deshalb alle zum Festakt eingeladen waren. Auch wenn sie aus verschiedenen Gründen keine mehr aufnehmen, so erinnern sie sich auch an die Dankbarkeit der weißrussischen Familien und bis heute bestehende Verbindungen.

"Sie haben das Bild der Deutschen im Gedächtnis der vom Krieg geprägten Erfahrungen deutlich gewandelt", dankte Bürgermeister Hanns-Michael Noll den einsatzfreudigen Menschen. Jan Ecklebe, Michael Posselt, Sebastian Schneemilch und Christopher Hinz, Schüler des Gymnasiums "Am Thie", präsentierten die Geschehnisse und die Arbeit des Vereins mit ihrer Projektarbeit "Hier und anderswo - ein Verein hilft" und widerlegten damit etwas die Ansicht von Landrat Dr. Michael Ermrich, der eine noch dringendere Geschichtsaufarbeitung "gerade der jüngeren Ereignisse, die wir noch aus eigenem Erleben kennen, aber die nachfolgenden Generationen nicht mehr", anmahnte.

Während Klaus Jendikiwicz vom Mühlenverein Warnstedt mit einer Dankesurkunde für Dr. Karin Hüfner und der inzwischen 15. Einladung der Kinder in den Thalenser Ortsteil selbst Wolfgang Rumpf überraschte, erinnerte sich der langjährige Vereinsvorsitzende und frühere Börnecker Bürgermeister Hartwig Schenk an eine Episode in Börnecke zwei Tage nach dem Atom-Unfall von 1986: "Der Aufklärungstrupp der Zivilverteidigung um Ernst-August Wasmut erinnerte mich daran, dass wir ja einen Geigerzähler besitzen. Wir testeten ihn zunächst vor dem Amt, später im Sand des Kindergartens. Der Klang des Geräts war erschreckend, weshalb ich anwies, die Kinder nicht mehr im Sand spielen zu lassen." Nur zwei Tage später verschwanden die Geräte "wegen einer Überprüfung" auf Nimmerwiedersehen, so Schenk.

Dem kurzen Innehalten folgen nun die Vorbereitungen auf den nächsten Aufenthalt von weißrussischen Kindern im Harz vom 14. Juni bis 10. Juli, wofür noch Partner und Gasteltern gesucht werden.

blankenburg-hilft-tschernobyl.de