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Das "Haus der Zahnärzte" an der Löbbeckestraße 8 Hier wird gebibbert, gebohrt, geheilt

19.03.2011, 04:34

Hinter vielen liebevoll renovierten Häuser-Fassaden im Altkreis Wernigerode stecken interessante Geschichten. Diesen spürt die Harzer Volksstimme in einer Serie unter dem Titel "Neue Fassaden – Alte Geschichten" nach. Heute stellen wir in der Folge 52 das Haus Löbbeckestraße 8 in Blankenburg vor, wo seit 113 Jahren Zahnheilkunde betrieben wird.

Von Jens Müller

Blankenburg. "Es gab viele schöne Stunden, die wir gemeinsam erlebt haben", sagt Dr. Falk Götzel sichtlich gerührt. Nach 40 Berufsjahren – jeweils 20 in verschiedenen Gesellschaftssystemen – wird er sich zum Jahresende in den Ruhestand verabschieden. Dass es wohl ein Unruhestand werden wird, liegt auf der Hand. Denn seit Jahren bringt sich Falk Götzel neben seiner zeitaufwändigen Tätigkeit als Zahnarzt vielfach in das gesellschaftliche Leben seiner Wahlheimat ein. Und das nicht nur als Mitbegründer des Weihnachtsmarktvereins oder als Schloss-Retter. Gemeinsam mit seinem Freund und Geschäftspartner Dr. Hans-Christoph Sorge restaurierte er das Haus an der Löbbeckestraße. Ein Gebäude mit einer nicht alltäglichen Geschichte. Denn seit 113 Jahren ist es das "Haus der Zahnärzte".

Bei den Vorbereitungen zum 20-jährigen Praxisbestehen stießen die Mediziner im Blankenburger Stadtarchiv auf interessante historische Details, wofür sie besonders Ingrid Glogowski für ihre Recherchen ein großes Dankeschön sagen.

Begonnen hat demnach alles mit einem gewissen Eusebius Albin Eduard Bahmann, der am 27. Januar 1862 in Thüringen geboren wurde. Er war es, der bereits 1895 in der Tränkestraße 11 Patienten zahnärztlich betreute, wenn auch damals unter der Berufsbezeichnung "Zahntechniker".

Bereits zum 1. April 1898 zog er in die Löbbeckestraße 8 um. "Seit dieser Zeit wird die Zahnheilkunde zum Wohle der Blankenburger in diesem Haus praktiziert", erklärt Falk Götzel. Leicht hatten es seine Kollegen damals jedoch nicht. Es war ein langer Weg von der Berufsbezeichnung "Zahntechniker" zum "Dentisten" und schließlich zum Zahnarzt. So ist es nicht verwunderlich, dass Edmund Bahmann seit 1906 seine Leistungen mit dem Titel "Zahnkünstler" bewarb.

Natürlich gab es noch einen praktischen Grund des Umzugs in die Löbbeckestraße 8. Seine Ehefrau Theodora, geborene Scheller, gebar am 30. Oktober 1896 eine Tochter, die ebenfalls Zahnärztin wurde: Johanna Margarete Hermine Bahmann. Sie heiratete wiederum Erich Jabusch und praktizierte nach Ende des Zweiten Weltkrieges – nachweislich bis 1949/1950 – mit ihm zusammen im Hause des Vaters, der 1953 starb.

Viele ältere Blankenburger werden sich an Frau Jabusch erinnern. "Als ich selbst 1970 in die verträumte Harzstadt kam, begegnete ich der Kollegin in einem chromblitzenden Wartburg-Sport-Cabriolet mit hellbraunen Lederhandschuhen und Sonnenbrille", erzählt Falk Götzel. "Eine weltoffene Dame, die mich sogleich an Messezeiten meiner Heimatstadt Leipzig erinnerte." Margarete Jabusch starb am 18. April 1988 in Blankenburg.

"Beim Umbau hat die gesamte Belegschaft geholfen"

Nach ihrem Tod wurden Pläne erstellt, das gesamte Haus Löbbeckestraße 8 als "Poliklinik für Kinderstomatologie" umzubauen. Dies geschah aber nicht, denn es änderten sich wenig später die gesellschaftlichen Verhältnisse. Die "Stomatologen" nannten sich wieder Zahnärzte und konnten in die Freiberuflichkeit eintreten und eigene Praxen eröffnen.

So auch Falk Götzel und Hans-Christoph Sorge. Neben ihrer Tätigkeit in der damaligen Poliklinik bauten sie mit viel Eigenleistung das gesamte Haus an der Löbbeckestraße um. "Beim Umbau hat unsere gesamte Belegschaft und die Familie mitgeholfen", erinnern sie sich. "Heute blicken wir auf 20 bewegte, arbeitsreiche und erfolgreiche Praxisjahre zurück."

Dafür danken sie vor allem ihren 14 Mitarbeitern, aber auch weiteren Partnern. Darunter der Stadtverwaltung und den Banken. "Wir sind ein großes finanzielles Risiko eingegangen und waren auf die Kreditbereitschaft der Banken angewiesen", so Götzel.

Besonders erfreulich ist für sie die Hoffnung, dass die zahnärztliche Tradition in diesem Haus noch viele weitere Jahrzehnte fortgesetzt wird. Denn die seit einem Jahr in der Praxisgemeinschaft tätige Zahnärztin Kristin Schlenz wird die Patienten von Falk Götzel weiter betreuen. Der Mediziner: "Wir blicken damit nicht nur auf eine interessante Historie, sondern auch auf eine gesicherte Zukunft für das Fortbestehen des ,Hauses der Zahnärzte‘ in der Löbbeckestraße 8."