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Amtsgericht : Keine Beleidigung in der politischen Debatte / SPD-Politiker Hoffmann : "In Auseinandersetzung droht Verrohung der Sitten"

Von Tom Koch und Peter Althaus 25.02.2010, 04:54

Halberstadt. Womöglich muss ein Gericht demnächst erneut die Frage klären : Sind Wortmeldungen wie " selbsternannter Kopf einer Gesinnungsmafia " und " Wolf bleibt Wolf, auch wenn er Kreide gefressen hat " eine zu akzeptierende Meinungsäußerung im Sinne des Grundgesetzes unter politischen Konkurrenten ?

Womöglich deshalb, weil eine öffentliche Debatte im Harzer Kreistag vom Januar des Vorjahres noch immer die Gerichte beschäftigt. Michael Schäfer von der NPD hatte seinerzeit den bündnisgrünen Abgeordneten Peter Lehmann mit den Worten bedacht, er sei ein " selbsternannter Kopf einer Gesinnungsmafia ". Das brachte ihm nicht nur einen Ordnungsruf des Sitzungspräsidenten, sondern auch eine Anzeige ein. Lehmann sah sich durch den Begriff " Mafia " – für ihn zweifelsfrei eine kriminelle Vereinigung – persönlich diffamiert. Daraufhin zeigte er Schäfer an, dieser hatte sich deswegen im vergangenen Herbst vor dem Halberstädter Amtsgericht zu verantworten.

Michael Schäfer wurde verurteilt, 400 Euro Geldstrafe lautete der Richterspruch seinerzeit. Die Verteidigung ging in Berufung, das Landgericht entschied : Der Fall muss am Amtsgericht erneut verhandelt werden. Die Staatsanwaltschaft forderte die gleiche Strafe wie im ersten Prozess. " Der Angeklagte hat die Worte vorsätzlich benutzt, um Peter Lehmann zu beleidigen. Dabei kalkulierte er die Assoziationen mit dem Wort, Mafia ‘ ein ", erklärte die Staatsanwältin. Der Rechtsanwalt von Peter Lehmann, der im Prozess als Nebenkläger aufgetreten ist, schloss sich der Forderung der Staatsanwaltschaft an. Zusätzlich wies der Anwalt darauf hin, dass es sich bei den Aussagen Schäfers um einen " persönlichen, diffamierenden, in die Schmähkritik reichenden Angriff handelt. "

Vom Vorwurf wurde er freigesprochen

Dessen Verteidigung hatte beantragt, einen Leserbrief Lehmanns aus der Magdeburger Volksstimme vom August 2008 in die Beweisaufnahme einzubeziehen. Darin hatte Lehmann sich auf die Ankündigung der NPD im Harz bezogen, " mehr Effekt erzielen wir, wenn nachts um 2 Uhr unsere Parolen durch die schlafenden Städte schallen ". Ein Mitarbeiter dieser Kreistagsfraktion hatte diesen Aufruf verfasst, nachdem sämtliche Zusammenrottungen von Rechtsextremen anlässlich des 20. Todestages des verurteilten Nazi-Kriegsverbrechers Heß verboten worden waren. Da Schäfer kurz zuvor im Kreistag beim Amtseid " Treue der Verfassung und Gehorsam den Gesetzen " gelobt hatte, verglich Lehmann Schäfer und andere rechte Kräfte mit Wölfen, die Kreide gefressen haben.

Richter Merten Balko : " Diese Äußerungen sind ähnlich wie die von Michael Schäfer. " Der Angeklagte wurde vom Vorwurf der Beleidigung freigesprochen. Seine Wortwahl sei eine freie Meinungsäußerung – geschützt durch das Grundgesetz. Balko begründete, die Aussagen Schäfers seien in einer politischen Debatte gefallen und würden somit keine Beleidigung darstellen.

Der Angeklagte zeigte sich - auf Nachfrage der Volksstimme – mit dem Ausgang des Prozesses zufrieden.

Peter Lehmann : " Ich finde das Urteil nicht gerechtfertigt. Das war ein persönlicher Angriff. Ich wurde als Kopf einer kriminellen Vereinigung bezeichnet. "

Wernigerodes früherer Oberbürgermeister Ludwig Hoffmann, zugleich Vize-Chef der SPD-Kreistagsfraktion, hat im Gerichtssaal das Verfahren verfolgt : " Mit diesem Urteil droht eine Verrohung der Sitten in der politischen Auseinandersetzung. " Peter Lehmann und die Staatsanwaltschaft prüfen, ob sie gegen das Urteil Rechtsmittel einlegen werden.