Von Einwohnern und Touristen bestaunt : Rosen im Heideviertel

Von Rainer Marschel 18.07.2009, 11:13

Der mit roten Rosen umrankte Hauseingang im Wernigeröder Heideviertel lässt Touristen immer wieder bewundernd innehalten. Aus mehreren Blumenkübeln rankt es. Ganz so, als gelte es, der ohnehin beeindruckenden Kulisse optisch noch eins drauf zu setzen. Die Harzer Volksstimme geht der Rosenpracht auf den Grund.

Wernigerode. Mittelstraße 14, es ist das Haus von Ingrid Noack, geborene Busche. Der in der Stadt durchaus bekannte Name steht aber keineswegs nur für optische, sondern viel mehr für kulinarische Genüsse, für jahrzehntelanges " eiskaltes Vergnügen ", versorgten doch die Busches ganze Generationen in Wernigerode mit leckerem Eis.

14 Jahre alt war Ingrid Noack, als sie beim Vater Otto Busche in der Unterengengasse eine Lehre als Eiskonditorin aufnahm. Dieser hatte bereits 1953 seine Produktion begonnen. In einem sprichwörtlich eiskalten Raum mit immer nassen Wänden und mit Gummistiefeln auf einem glitschigen Lattenrost stehend, erinnert sich die Tochter an die schwierigen Anfänge. " Ich war damals nur Haut und Knochen ", meint sie rückblickend.

Das sei insofern eine enorme Belastung gewesen, als sie ständig die 20-Liter-Kannen in die beiden Eismaschinen hieven musste. Da man auch stets Frischmilch verwendete, sei das mit der heutigen Produktion ( Milchpulver ) überhaupt nicht mehr vergleichbar. Ingrid Noack wörtlich : " Heutzutage ist die Eisproduktion dagegen lächerlich einfach. "

Bei den Busches wurde die Frischmilch auf 100 Grad aufgekocht, um sie danach auf plus fünf Grad herunterzukühlen. Je nach Wetterlage wurden bis zu acht Kannen a 20 Liter täglich verarbeitet. Oft war es aber auch sehr viel weniger.

Ältere Wernigeröder dürften sich noch an Otto Busche erinnern, der das Geschäft mit zunächst zwei Eiskannen fahrradfahrend belieferte. Der später angeschaffte Anhänger sowie auch ein Moped, sollten in der Folge für einen eff zienteren Transport sorgen.

Interessant : Mangels Waffeln behalf man sich in den 50-er Jahren zunächst mit Sperrholz- " Tüten ". Abgesehen davon bestand auch das Eis anfänglich aus Molke, gemischt mit Zuckerersatz.

Ungeachtet dessen : ein bis heute typisches Saisongeschäft, was den Busches aber " zu keinem Zeitpunkt nennenswerte Reichtümer " einbrachte, im Gegenteil. Gab es doch die Kugel zum Standardpreis für 10 Pfennig. Dafür war allerdings das Angebot auch überschaubar : Frucht, Vanille oder Schoko. Dass man sich stets ausgesprochen kinderfreundlich gab und diese zunächst mal kosten ließ, registrierte die Konkurrenz auf der gegenüberliegenden Straßenseite natürlich mit Aufmerksamkeit und naturgemäß kritisch. Das erst recht, da die Jüngsten unter anderem wegen dieser Extraportion oft lieber das Eis von den Busches vorzogen. Der Preis war ja überall gleich.

" Wir waren einfach gutmütig, vielleicht manchmal sogar ein bisschen zu viel ", so Ingrid Noack über diese Zeit in der DDR und teilweise auch danach noch. Erst als die Rechnungen ab 1990 – unter anderem für Strom – kaum noch zu bezahlen waren, verdoppelte sich der Eis-Preis. Es sollte allerdings nicht lange dauern, dass in dem mittlerweile in der Albert-Bartels-Straße eröffneten Eiscafé für die Kugel zunächst 30, später sogar 40 Pfennig verlangt werden mussten. " Ich habe sehr gern das Café geführt. Doch bin ich heute heilfroh, mit all dem nichts mehr zu tun zu haben ", betont die gesundheitlich angeschlagene Frau. Eine Einschätzung, die sie nach insgesamt 35-jähriger Selbstständigkeit trifft.

Stattdessen erfreut sie sich heute, ähnlich wie Anwohner und täglich dutzende Touristen gleichermaßen, ihrer sprichwörtlichen Rosenpracht. Jedes Jahr werden sie im Frühjahr gedüngt. Zudem tauscht die 70-J ährige die Erde aus. Dass sie sich mit jener aus den Pfanztöpfen zufrieden gibt, ist allerdings ein Trugschluss. Diese sind nämlich unten offen. Ansonsten wäre eine solche jährlich wiederkehrende Blütenpracht wohl auch kaum möglich.

Bemerkenswert : Etwa Mitte der 80-er Jahre waren die Noacks die Ersten, die mit der Hausbepfanzung auf dem ohnehin schmalen Bürgersteig im Heideviertel anfngen. Das rief selbstverständlich die damaligen Ordnungshüter auf den Plan : sie wiesen an, dass die Pfanzkübel in der Mittelstraße 14 " sofort wieder verschwinden müssen ". Das allerdings mit so wenig Nachdruck, dass die Blumenfreunde Noack " diese Aufage ohne Konsequenzen ignorieren konnten ".

Unterdessen gibt es im gesamten Heideviertel reichlich Nachahmer – und niemand stört sich mehr an der Blumenpracht vor der wirklich beschaulichen Kulisse, im Gegenteil !