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Verfahren wegen Verleumdung nach dubioser Flugblattaktion mit schweren Vorwürfen gegen Thales Bürgermeister im Quedlinburger Amtsgericht Balcerowski klagt: "Einfach schlimm, was man ertragen muss"

Von Rainer Marschel 23.07.2009, 05:02

Quedlinburg. Sichtlich verärgert verlässt Thomas Balcerowski das Gerichtsgebäude. Dabei war Thales Stadtoberhaupt gerade noch eben im Saal des Quedlinburger Amtsgerichts die Gemütsverfassung nahezu nicht anzumerken. Balcerowski zur Volksstimme : " Gelogen wird in allen Gerichtssälen der Welt. Das haben wir hier auch wieder erlebt. Es ist einfach schlimm, was man als Bürgermeister so alles ertragen muss. "

Was muss der CDU-Politiker Thomas Balcerowski ertragen ? Es geht um einen Prozess wegen des Verdachts der Verleumdung, so die Anklage der Staatsanwaltschaft. Wenn am 30. Juli das Urteil gesprochen wird, sind bis dahin mindestens 20 Zeugen vernommen worden. Aus Juristenkreisen heißt es, das allein sei für ein Verleumdungsverfahren an einem Amtsgericht schon ungewöhnlich. Ungeheuerlich sind auch die Verdachtsmomente gegen die beiden Angeklagten Ronny G. sowie Mirko R. Beide Thalenser bestreiten indies diesen Tatvorwurf.

Stundenlang sitzt der 35-jährige Balcerowski am Dienstag im Gericht. Äußerlich die Ruhe selbst, aber innerlich scheint er vor Wut und Empörung zu kochen. Nicht nur, aber vielleicht, weil auf der langen Liste der Zeugen auch der Name seiner Frau Karina Schüler-Balcerowski steht, die nun dem Gericht einen sehr privaten Einblick in das Familienlebens gewähren muss.

Rückblende : Freitagabend, es ist der 29. Februar 2008. In Thales Karl-Marx-Straße werden zwei Personen beim Verteilen von Flugblättern beobachtet.

Zwei Tage später wird sich Thomas Balcerowski als einziger Kandidat der Bürgermeisterwahl stellen.

Auf dem Flugblatt wird durch eine Unterschrift der Anschein erweckt, als sei der stellvertretende Stadtratsvorsitzende Sebastian Suhr ( CDU ) der Absender. Auf diesem Flugblattes soll Suhr angekündigt haben, er werde demnächst sein Amt aufgeben, da er sich der Korruption schuldig gemacht habe und in Drogendelikte verwickelt sei. Ähnliches träfe allerdings auch auf den Bürgermeisterkandidaten zu. Balcerowski soll zudem mehrfach seine Frau schwer misshandelt haben und ebenfalls in Korruptionsfälle verwickelt sein, so stand es sinngemäß auf dem Pamphlet.

Wissens Tatsachen behauptet zu haben ( einmal als Fax an die Stadtverwaltung in Thale, ein weiteres Mal durch besagte Flugblätter ), die so nicht stimmen und auch nicht nachweisbar sind. Damit ist eine massive Rufschädigung begangen worden, die letztlich nur dazu geeignet sein konnte, beide in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. " Der Strafrahmen bei Verleumdung betrage bis zu zwei Jahre Freiheits- oder eine Geldstrafe, so der Halberstädter Staatsanwalt.

Inwiefern mit diesen Flugblättern überhaupt Einfluss auf die Bürgermeisterwahlen genommen werden sollte, scheint ohnehin fraglich : Balcerowski war bekanntlich weit und breit der einzige Kandidat, und er gewann die Wahl erwartungsgemäß haushoch.

5000 Euro Schmiergeld für die Zeugin Sarah B ? l

Gegen die bereits einmal angedrohte Geldstrafe von 400 Euro für Ronny G. und 1 400 Euro für Mirko R. hatten beide bereits Einspruch eingelegt. Daher musste das Verfahren noch mal neu aufgerollt werden. Doch ausgerechnet Sarah B. fehlt wegen eines Klinikaufenthaltes im Gerichtssaal. Sie gilt als Hauptbelastungszeugin, weil sie die einzige ist, die Mirko R. und Ronny G. bei besagter Flugblatt-Aktion auch erkannt haben will. Andere Zeugen konnten bislang lediglich bestätigen, zwei Personen beim Einwurf dieser Flugblätter in die Briefkästen beobachtet zu haben. Insofern kommt der für den 30. Juli geplanten Aussage von Sarah B. eine Schlüsselrolle zu.

Auch deshalb, weil Susanne K. am Dienstag unter Eid beteuert hat, Mirko R. habe zum Tatzeitpunkt nicht in der Karl-Marx-Straße sein können. Er habe an diesem Abend nach der Einnahme starker Tabletten in ihrer Wohnung geschlafen, so die Rechtsanwaltsfachangestellte.

Weitere Zeugen sagten aus, auch der Mitangeklagte Ronny G. sei zum Tatzeitpunkt ebenfalls unterwegs gewesen. Nick G. beispielsweise gab an, man habe den ganzen Abend in Derenburg die Einweihung eines Versicherungsbüros gefeiert.

Neben den bizarren Vorwürfen an die Adresse Balcerowskis ist der im Raum stehende Verdacht pikant, der Bürgermeister habe die wichtigste Zeugin bestochen. Um die Angeklagten letztlich erfolgreich verurteilen zu können, soll der Bürgermeister Sarah B. noch auf der Polizeiwache 5000 Euro angeboten haben. Kriminaloberkommissar Drexler dazu im Zeugenstand : " Die 5000-Euro-Unterstellung erachte ich definitiv als Lüge. Das ist eine Schutzbehauptung. Dass ich Herrn Balcerowski mit Frau B. für ein solches Angebot allein gelassen haben soll, ist definitiv auszuschließen !"

Andererseits : Jene Sarah B. soll selbst in aller Öffentlichkeit genau von diesem Schmiergeld berichtet haben. Auch dafür – wie könnte es in diesem bizarren Verfahren anders sein – gäbe es Zeugen. Wahrheit oder Legende, um sich wichtig zu machen ? Am 30. Juli wird sich Sarah B. gewiss auch mit dieser Frage im Gerichtssaal konfrontiert sehen.

Im Zeugenstand auch die Ehefrau des Bürgermeisters : Karina Schüler-Balcerowski : " Wir haben zwar getrennte Konten, aber das plötzliche Fehlen von 5 000 Euro wäre mir ganz sicher aufgefallen. Außer den einen oder anderen Streit gab es bei uns niemals tätliche Auseinandersetzungen, geschweige denn Misshandlungen !"

Nebenkläger Thomas Balcerowski nach diesem zweiten Verhandlungstag : " Die angebliche Geldzahlung von 5 000 Euro ist einfach Schwachsinn, eine unglaubliche Räuberpistole ! Ich habe es schlicht nicht nötig, Zeugen zu kaufen oder zu bestechen. Aber da muss man durch. Wenn ich so etwas nicht ertragen kann, darf ich dieses Amt nicht ausüben. Allerdings weiß ich mich jetzt und gegebenenfalls auch in Zukunft dagegen zu wehren !"

Als diese Vorwürfe bekannt geworden waren, hatte Thomas Balcerowski wegen des Verdachts der Verleumdung sofort eine Anzeige erstattet, darum findet sich der Nebenkläger ebenfalls auf der Zeugenliste wieder.

Staatsanwalt Wolfgang Frank in seiner Anklageschrift : " Die Tatverdächtigen stehen im Verdacht, wider besseren