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Tagebuchautorin Else Buschheuer bekennt vor ihrem Wernigeröder Publikum : "Manchmal erschreckt es mich. Bin ich jetzt spießig?"

Von Tom Koch 18.06.2009, 07:43

Wernigerode. Sie wirkt natürlich, neugierig auf die Menschen und gibt sich offen – zumindest soweit wie sie es selbst zulassen mag – Else Buschheuer. Wer heute Abend das dritte Programm einschaltet, kann ab 23. 10 Uhr beim MDR das Programm " Kino Royal " sehen.

Moderiert von jener Buschheuer, die jüngst in Jüttners Buchhandlung dem Publikum einen klitzekleinen Einblick in ihren Alltag gewährte. In einem beinahe intimen Kreis hat die 44-J ährige aus ihrem aktuellen, dem achten Tagebuch gelesen. " Keine Gewalt " – heißt das im kleinen Salier-Verlag erschienene Werk, auf dessem Titelbild ein Broiler prangt.

Im kleinstädtischen Wernigerode gelingt es der welterfahrenen Autorin / Moderatorin / Wetteransagerin / Journalistin leicht, die ihr Zuhörenden für sich einzunehmen. Es bereitet Genuss, den punktgenau akzentuierten Worten, der Melodie ihrer Sprache zu lauschen.

Dass die Buschheuer in Eilenburg in Sachsen geboren wurde, wird erst dann hörbar, wenn sie in ihrem Tagebuch Rollen spricht. Etwa jene vom einst hochdekorierten Off zier, der am Taxisteuer sitzend sich mit ihr als seinem Fahrgast in der Stadt hoffnungslos verfranst. Das ist genauso komisch wie die Alltags-Geschichtchen von der Damen-Umkleide im Fitness-Studio oder die Ich-rette-den-armen-Igel-Saga.

Else Buschheuer blättert während der Lesung kreuz und quer durch den Tagebuch-Band, sie will nicht chronologisch lesen. Allen Bleistift-Notizen im Einband zum Trotz wählt sie beim kurzweiligen Abend eine andere Reihenfolge als geplant. Plötzlich bemerkt sie, den Tagebucheintrag den sie als letztes, als " Rausschmeißer ", vorgesehen hatte, der ist längst verlesen. Egal, Kurzweiliges, Unterhaltendes, Nachdenkliches, ja auch Philosophisches fndet sich in dem Band zuhauf. Überhaupt, ihre Spontanität wirkt authentisch.

Im Gespräch mit Gastgeber Rainer Schulze sagt sie, nach vier Jahren New York ( und dort war ihr Leben wahrlich nicht nur auf Rosen gebettet ), hatte sie keine Lust auf Köln oder München. Da sie das Leben in Berlin und Hamburg kannte, war sie froh, in Leipzig ein berufiches Angebot annehmen zu können. Offen berichtet Else Buschheuer, beim MDR mit ihrer direkten Sprache schon mal anzuecken : " Musstest du das jetzt sooooo sagen ?", das werde sie schon mal gefragt.

Und wenn, spricht sie vom störrischem Badewannen-Stöpsel als " verchromten Scheiß ", so bereitet das den Besuchern der Wernigeröder Lesung hörbares Vergnügen. Übrigens, sie hat ihr Tagebuch geschlossen, weil sie das Gefühl hatte, manche Gedanken dürften nicht so schnell ihren Kopf verlassen. " Ich möchte noch etwas in mir bewahren, vielleicht für einen nächsten Roman. " Auf die Frage, ob das, was sie im Tagebuch schreibe, Poesie sei, sagt sie schnell nein. " Das ist vielleicht Gebrauchslyrik. "

Dass sie sich in New Yorker Gesprächen gern an Silly und Nudossi erinnert hat, gehört zu ihrer Biographie. Dass sie es inzwischen genießt, in bürgerlich-wohlgeordneten Verhältnissen zu leben, lässt sie manchmal vor sich selbst erschrecken. Freimütig bekennt Else Buschheuer : " Da frage ich mich, bin ich jetzt spießig ?"

Auf keinen Fall mehr oder weniger als ihr Publikum.