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Böse Überraschung auf Schloss Wernigerode Hausschwamm nagt am Wohnzimmer des Königs

Von Ingmar Mehlhose 25.06.2009, 07:02

Das sogenannte Königswohnzimmer auf Schloss Wernigerode ist seit Jahresbeginn eine Baustelle. Eigentlich sollte nur die originale Seidenwandbespannung restauriert werden. Dann der Schock : Unter ihr trat ein großflächiger Hausschwammbefall zutage.

Wernigerode. " Der Hausschwamm ist das Schlimmste, was passieren kann ", sagt Wernigerodes Baudezernent Burkhard Rudo. Und : " So etwas bedeutet das Todesurteil für jede Holzkonstruktion. "

Seit Gründung der Stiftung Schloss Wernigerode 2007 ist die Stadt für den Erhalt der Sehenswürdigkeit verantwortlich. Rudo : " Wir sind uns der Verantwortung dafür voll bewusst. "

Und das schließt auch den Umgang mit bösen Überraschungen mit ein, wie jüngst im sogenannten Königswohnzimmer. Dort, wo einst Wilhelm I. von Preußen bei seinen Harzbesuchen wohnte, sollte eigentlich lediglich die originale Seidenbespannung restauriert werden. Denn die ist laut Dr. Christian Juranek " auch überregional sehr selten ". Der Schloss-Geschäftsführer : " Sie war seit Jahren in einem schlechten Zustand. "

" Seidenbespannung ist auch überregional sehr selten "

Um die ab 1868 auf gut 40 Quadratmeter Fläche angebrachte brüchige Kostbarkeit zu retten, wurde sie in eine Berliner Textilwerkstatt geschafft. Dort, erläutert Juranek, wird ein neuer Stoff gewoben und hinter die alte Seide gespannt. " Über den Daumen gepeilt " sind dafür mehrere 10 000 Euro notwendig. Der Geschäftsführer : " Das ist eine aufwändige Geschichte. "

Den eigentlichen Schock erlebten der Schlossherr und die Stadtverwalter, als das Gemäuer blank vor ihnen lag. " An einer Wand haben wir zu unserem Entsetzen den Pilz gefunden ", erinnert sich Gerlinde Brammer. Die zuständige Mitarbeiterin im Baudezernat : " Seit Januar kämpfen wir uns voran. " Stückweise, denn die Schäden haben ein Ausmaß angenommen, dass sie sogar statische Probleme verursachen. Burkhard Rudo : " Der Hausschwamm durchdringt das Mauerwerk. " Ebenso betroffen ist die Dachkonstruktion. Gerlinde Brammer ergänzt : " Wir mussten die gesamte Decke und die Bildergalerie abnehmen. Das hatten wir so nicht vermutet. "

" Wir mussten die gesamte Decke und die Bildergalerie abnehmen "

Erst in der vergangenen Woche wurde wieder eine Probe aus einem der Holzbalken entnommen, um zu ergründen, wie tief sich der Pilz in das Wohnzimmer des Königs gefressen hat. Bis dato ist deshalb auch unklar, wie viel seine vollständige Beseitigung kosten und wie lange sie dauern wird.

Christian Juranek : " Im März wollten wir fertig sein. " Jetzt hofft er auf ein Ende der Arbeiten vor dem nächsten Winter. Dass der Befall seit dem großen Umbau des Wernigeröder Wahrzeichens durch Karl Frühling zwischen 1863 und 1885 entstanden ist, scheint nach Kenntnis des Schlossherren sicher. In den 30-er Jahren des vorigen Jahrhunderts muss es eine " unsachgemäß vorgenommene Reparatur " gegeben haben.

Ebenfalls belegt ist übrigens ein weiterer Fakt. Wilhelm I. hat 1888, in seinem Sterbejahr, letztmals auf dem Schloss genächtigt. Allerdings im Bett des Grafen, denn für den zum Kaiser aller Deutschen aufgestiegenen siechen Monarchen waren die Stufen zu seiner Suite einfach zu steil geworden.