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Andreas und Angela Meier haben sich nach dem Verlust ihres Sohnes gegenseitig Kraft gegeben "Man muss zurück ins Leben"

Ostern ist eines der höchsten kirchlichen Feste. Es erinnert an die
Leiden und die Auferstehung Jesus Christus. Auch im täglichen Leben gibt
es Menschen, denen Schlimmes widerfährt. Die aber dennoch kämpfen, um
zurück ins Leben zu kommen. So erging es auch Andreas und Angela Meier
aus Gersdorf. Sie verloren 2011 ihren Sohn.

Von Vivian Hömke 04.04.2015, 03:23

Gersdorf l Der 5. Mai 2011 hat das Leben von Angela und Andreas Meier aus Gersdorf für immer verändert. An diesem Tag vor knapp vier Jahren hat das Ehepaar seinen Sohn verloren. Basti starb plötzlich und völlig unerwartet an einer Hirnblutung nach einem geplatzten Aneurysma - einem erweiterten Blutgefäß. Er wurde nur 24Jahre alt.

Dass der natürliche Lauf der Dinge sich umgekehrt hat, ihr Kind vor ihnen gegangen ist, war für die Familie nach der Schreckensnachricht unbegreifbar. "Es dauert ewig, bis das im Kopf ankommt", sagt Andreas Meier. Mit dem Tag der Beerdigung haben sie den Tod ihres Sohnes erst wirklich realisiert. In den Tagen davor schaltete der Körper auf Autopilot. An den ersten fünf Tagen starrten sie ins Leere. Angela Meier plagten immer wieder Schrei- und Weinkrämpfe. "Ich wollte nicht mehr hoch in Bastis Zimmer gehen", erzählt sie. Wenn sie von damals sprechen, steigen beiden immer wieder Tränen in die Augen.

Das Paar stand schließlich vor der Wahl, das Haus mit all seinen schmerzenden Erinnerungen zu verkaufen. Und entschied sich dagegen. "Man fällt in ein Loch - und man muss sich selber wachrütteln und sich sagen: Wir wollen wieder!", erklärt Andreas Meier. Die Familie, zu der auch Tochter Sabrina gehört, hat das geschafft. Sie haben es geschafft, zurück ins Leben zu finden.

Geholfen haben ihnen Gespräche mit Freunden, sagen sie, und mit anderen Betroffenen einer Selbsthilfegruppe vom Landesverband Verwaiste Eltern und Geschwister in Magdeburg. Und das Ehepaar hat sich gegenseitig Kraft gegeben. "Wenn er einen Tiefpunkt hatte, habe ich ihn aufgebaut und umgekehrt", sagt Angela Meier und streichelt ihrem Mann liebevoll über die Wange. "Wir sind viel spazieren gegangen und haben uns viel unterhalten. Und wir haben uns gegenseitig nicht die Schuld zugeschoben", betont Andreas Meier. Für Vorwürfe gibt es auch keinen Grund. Es gab keine Vorzeichen, keine Warnung, dass etwas Schlimmes passieren würde.

Kontakt zur Selbsthilfegruppe haben die Meiers bereits wenige Wochen nach dem Tod von Basti geknüpft. Einmal im Monat sprechen sie dort mit Eltern, die auch ein Kind verloren haben, die den tiefen Schmerz nachvollziehen können und das große Loch kennen, das der Verlust hinterlässt. Sich so schnell wie möglich Hilfe zu suchen, empfiehlt das Paar aus Gersdorf auch anderen Betroffenen. "Familien, die sich keine Hilfe suchen, gehen daran kaputt", sagt Andreas Meier. "Man muss wieder zurück ins Leben!"

Dazu gehörte für ihn und seine Frau auch, das alte Zimmer ihres Sohnes umzuräumen. Ein paar Möbel haben sie raus- und andere hineingestellt und eine Zwischenwand entfernt. Für Basti haben sie eine Gedenkecke eingerichtet - mit seinen Lieblingsbüchern und -filmen, CDs und Urlaubserinnerungen. An der gegenüberliegenden Wand des Zimmers hängen noch immer Bilder, die ihr Sohn dort befestigt hat. Andere sind dazugekommen. "Man kann nicht alles wegwerfen", sagt der Vater. "Er ist bei uns im Herzen und wir haben Erinnerungen, die braucht man auch", ergänzt die Mutter.

Die Gersdorferin hat sich ein Tattoo mit dem Namen ihres Jungen stechen lassen, umschlossen von einem Herz, mit einem angelegten und einem offenen Engelsflügel. So ist er ihrem Herzen immer nah. Oft zünden die Eltern abends eine Kerze für ihren verstorbenen Sohn an und wünschen ihm beim Auspusten eine gute Nacht. Sie denken daran, was für ein liebenswerter Mensch er war, an seine Späße und daran, dass er früher gern gesungen hat. Ablenkung finden sie, wenn sie den Garten umgestalten oder renovieren. "Wir bauen gern", erzählt Angela Meier. Und wenn die Trauer kommt, dann lassen sie sie zu. "Das darf man nicht unterdrücken, das tut der Seele gut." Auch wenn sie den Schmerz "bis zum Tod" mitnehmen werde.