Bahnhof ist verkauft

Von Gudrun Billowie 24.06.2015, 20:52

Das Bahnhofsgebäude ist verkauft. Das Bodelschwingh-Haus hat bei einer Versteigerung den Zuschlag bekommen.

Wolmirstedt l In das Wolmirstedter Bahnhofsgebäude soll wieder Leben einziehen. Das Bodelschwingh-Haus hat das Haus für 74 000 Euro ersteigert. Ab jetzt werden Pläne geschmiedet.

"Wir könnten uns vorstellen, dort Inklusionsprojekte umzusetzen, die auch der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen", sagt Bodelschwingh-Haus-Vorstand Peter Hugo. Ein Café oder ein Kaufhaus für sozial Schwache könnte das sein. Behinderte Menschen könnten dort arbeiten. Für konkrete Aussagen ist es jedoch zu früh. "Wir werden sehen, was wir leisten können und dabei in unserem Tempo vorgehen", sagt Swen Pazina, ebenfalls Vorstand des Bodelschwingh-Hauses.

Swen Pazina und Peter Hugo hatten eine Woche vor dem Versteigerungstermin die Gelegenheit, das Gebäude von innen zu besichtigen. Dabei erfuhren sie, dass der Nahverkehrsservice Sachsen-Anhalt GmbH (NASA) als hundertprozentige Tochter des Landes den Erwerb und den Umbau von Bahnhofsgebäuden fördert.

Das Förderprogramm heißt "Revita" und unterstützt die Revitalisierung von Bahnhofsgebäuden, die sich in einem unansehnlichen Zustand befinden, beziehungsweise leer stehen. Gefördert wird besonders deshalb, weil Bahnhöfe oft wichtige städtebauliche Eingangstore sind.

Bahnhof derzeit in traurigem Zustand

Das ist auch in Wolmirstedt so. Über 1000 Reisende frequentieren Tag für Tag diesen Bahnhof und der Anblick des Gebäudes ist in der Tat wenig erfreulich. Der denkmalgeschützte Klinkerbau wirkt verwahrlost. Graffiti verunstalten die Fassade, die Fenster sind in einem traurigen Zustand, aus einigen Mauerritzen wachsen Pflanzen. "Es wird schon ein Fortschritt, wenn wir das Schild `Zu verkaufen` und die Bäume aus dem Mauerwerk entfernen", sagt Swen Pazina. Läuft es besonders gut, soll es zu Beginn der kalten Jahreszeit bereits eine offene Wartehalle für Reisende geben. Die Vorstände liebäugeln auch mit einer Fassadenreinigung und neuen Fenstern.

Neben dem Förderprogramm "Revita" will das Bodelschwingh-Haus dafür noch von weiteren Fördertöpfen die Deckel lüften. Der Deutsche Behindertenverband ist dabei die nächste Adresse.

Die Idee, das Bahnhofsgebäude zu kaufen, geisterte schon länger durch die Köpfe der Bodelschwingh-Haus Vorstände. "Wir sind Wolmirstedter", sagt Peter Hugo, "wir haben ein Interesse daran, dass dieses Gebäude attraktiv wirkt und genutzt wird." Sie haben sich an das Frankfurter "Main Asset Management" wenden wollen, das lange Eigentümer des Bahnhofsgebäudes war, aber festgestellt, dass das Bahnhofsgebäude inzwischen an ein Auktionshaus übergegangen war. "Im Juni kam der Katalog und dann wurde es sportlich", sagt Swen Pazina. Er hat bei der Versteigerung per Telefon mitgeboten. "Wir haben den Preis genannt, der für Spekulanten nicht mehr attraktiv ist", sagt er.

Unter anderem wegen der Spekulanten soll die Nasa das Revita-Programm aufgelegt haben, damit nicht gekauft und verfallen lassen wird, weil gar keine Nutzung vorgesehen ist.

Im Wolmirstedter Bahnhofsgebäude sind 311 Quadratmeter mit drei Wohnungen im Obergeschoss und einer Gewerbeeinheit im Erdgeschoss vermietet. Die gesamte Wohn- und Nutzfläche beträgt 678 Quadratmeter. Die 137 Quadratmeter große Gaststätte steht leer, ebenso rund 100 Quadratmeter ehemalige Diensträume und eine ähnlich große Wartehalle. "Das Haus bietet viele Möglichkeiten, darin kann sich das Bodelschwingh-Haus repräsentieren", sagt Peter Hugo.

Die Stadt hätte einen Kauf finanziell nicht stemmen können. "Aber wir wollen bei der künftigen Nutzung eng mit der Stadt zusammen planen", sagt Swen Pazina. Ende des Jahres sollen erste Ideen festgezurrt werden.

Die Bahnsteige und der Tunnel sowie alle anderen Anlagen für den Schienenverkehr gehören weiterhin der Bahn. Die hatte erst kürzlich versprochen, dass der Einbau des Fahrstuhls, der bereits 2014 entstehen sollte und dann auf 2019 verschoben war, nun im kommenden Jahr erfolgen soll. Ein barrierefreier Zugang zu den Bahnsteigen 2 und 3 ist für viele Bewohner des Bodelschwingh-Hauses anders nicht möglich.

Das Bodelschwingh-Haus beschäftigt rund 330 Mitarbeiter, die rund 1200 Menschen betreuen. Dazu gehören neben den Wohnstätten, Werkstätten und dem Tageszentrum für behinderte Menschen auch Kitas, ein Hort, die evangelische Fachschule, ein Pflegedienst mit Wohnanlage und eine Tagespflege für Senioren.