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Interview mit Schackenslebens Bürgermeister Ernst Daenecke zu einem anstehenden Gerichtsverfahren Gemeinde klagt gegen Kita-Förderpraxis

05.11.2009, 04:55

Die Gemeinde Schackensleben klagt vor dem Verwaltungsgericht gegen das Landesverwaltungsamt. Anlass ist die Ablehnung des Förderantrages für die Erweiterung der Schackensleber Kita im " Olvezentrum ". Maik Schulz sprach für die Volksstimme mit Schackenslebens Bürgermeister Ernst Daenecke über die Motive.

Volksstimme : Herr Daenecke was haben Sie am Landesverwaltungsamt zu kritisieren ?

Ernst Daenecke : Die Geschichte beginnt 2007 mit den Anträgen auch vieler anderer Gemeinden der Hohen Börde auf Fördermittel des EU-Fördermittelprogramms ELER zur Sanierung bzw. Erweiterung ihrer Kindertagesstätten. Damals wurden die Gemeinden aufgefordert aufgrund eines Richtlinienentwurfes des Sozialministeriums innerhalb weniger Wochen Voranträge beim Landkreis einzureichen.

Für die Bewilligung ist das Landesverwaltungsamt, hier insbesondere das Landesjugendamt, zuständig. Lange hörte man nichts. Dann kamen auf einmal die endgültige Richtlinie und eine Prioritätenliste vom Landesverwaltungsamt zurück. Die Prioritätenliste wurde anhand verschiedener

Kriterien wie pädagogischer Konzepte der jeweiligen Kitas, eines Demographie-Checks und anderer Punkte erstellt. Bewertungsgrundlage waren die Voranträge, die ohne exakte Vorgaben nach bestem Wissen angefertigt wurden. Diese haben sich zwischen den einzelnen Gemeinden der Hohen Börde nicht wesentlich unterschieden. Bekanntermaßen ist damals nur Irxleben so bewertet worden, dass eine Förderung stattfindet. Rottmersleben und Ackendorf lagen kurz unter der Abschneidegrenze. Die Gemeinde Schackensleben hat dann beim Verwaltungsgericht gegen die Ablehnung Widerspruch eingelegt.

Volksstimme : Und was ist Ihrer Einschätzung im Bewertungsverfahren falsch gelaufen ?

Ernst Daenecke : Für diese Voranträge wusste keiner der Antragsteller genau, worauf es bei der Bewertung dieser Anträge durch das Landesverwaltungsamt eigentlich ankommt. Niemand wusste, auf welche Kriterien es in welcher Wichtung eigentlich ankommt. Es gab nur einen Entwurf der Bewertungsrichtlinien, der von der jetzt tatsächlich geltenden Richtlinie in einigen Punkten erheblich abweicht. Erst mit der Entscheidung über die Bewilligung von Fördergeldern hat das Landesverwaltungsamt die konkreten Bewertungskriterien, was mit wie viel Punkten bewertet wird, bekannt gegeben.

Die Antragsteller durften staunen, was plötzlich Eingang in das Bewertungsraster gefunden hat. Da wurde vieles dem Zufall überlassen, weil manche Dinge zufällig mit in die Anträge hineingeschrieben worden sind und nun viele Punkte brachten. In anderen Gemeinden wie beispielsweise Schackensleben herrschen aber ähnliche Verhältnisse bezüglich abzusehender Entwicklungen der Bevölkerung und der Kinderzahlen. Nur hatten wir darauf in dem Vorantrag nicht ausreichend hingewiesen. So etwas darf in einem geordneten öffentlichen Verwaltungsverfahren einfach nicht passieren.

Volksstimme : Können sie Beispiele dafür nennen ?

Ernst Daenecke : In den nach der Bekanntgabe der Prioritätenlisten veröffentlichten Bewertungsrichtlinien ist beispielsweise als Hauptkriterium neu von der Wirtschaftlichkeit der eingereichten Projekte die Rede. Schackensleben plant, in einem leer stehenden und vorhandenen Schulgebäude ein Bürgerzentrum mit Dienstleistungsangeboten und mit einer Kindertagesstätte mit neuen 50 Betreuungsplätzen, dem so genannten " Olvezentrum ", zu errichten. In Rottmersleben wird aber nun mit Fördergeldern für 1, 8 Millionen eine Kita neu gebaut. Dieses wichtige Richtlinienkriterium wurde überhaupt nicht bepunktet.

Oder etwa das Bewertungskriterium der Nachhaltigkeit der Auslastung der Kitas : Da bekommt Hermsdorf mit seinem bekanntermaßen extremen Defizit an Betreuungsplätzen Null Punkte und muss seine neue Kita jetzt ohne jeden Fördercent bauen, während Ackendorf 80 Punkte wegen eines Nebensatzes im Förder-Vorantrag bekommt.

Oder : Einige Antragsteller haben in ihren Voranträgen auf zeitweilige Ausnahmegenehmigungen für zusätzliche Betreuungsplätze verwiesen. Bei uns stand das nicht drin, obwohl dies auch für uns zutrifft. Wir konnten nicht ahnen, dass das 80 Punkte beim Demographiecheck bringt.

Kurzum : Für uns ist nicht nachvollziehbar, wie ein fundierter Demographiecheck, also eine längerfristige Prognose der Geburtenentwicklung – in diesem Fall für Kinder ab einem Alter von sechs Monaten bis sechs Jahren – durchgeführt wurde. Ich vermisse eine einheitliche Erfassung von Fakten für ein objektives Bewertungssystem auf der Grundlage wirklich vergleichbarer Zahlen. Das wurde in diesem Verwaltungsverfahren nicht beachtet, da die Bewerber vorher nicht über die Fakten, die dann der Bewertung zugrunde gelegt werden, informiert worden waren. Die Behauptung des Landesverwaltungsamtes, dass es allen gleich ( schlecht ) ging, zeugt nicht von einem geordneten rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahren. Wie anders ist es zu erklären, dass Kitas berücksichtigt worden sind, die ihren Bedarf auch ohne Erweiterung decken können und die nach wie vor ohne jede Ausnahmegenehmigungen auskommen. Es wurde meines Erachtens ein Zufallsverfahren in Kauf genommen oder andere Kriterien von Frau Kuppes Ministerium in das Verfahren eingeführt. Anders sind die Punktevergaben nicht erklärbar.

Außerdem sollte die Landesverwaltung nicht nur stur Voranträge lesen, sondern müsste bei der echten Antragsbewertung die Situation auch einmal vor Ort prüfen. Bei uns sind sie nie gewesen, andernorts schon. Das sind Fragen über Fragen, die nun das Gericht beantworten soll.