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  7. "Keiner nimmt meine Sorgen ernst, dieser Hund muss schnellstens weg"

Vier Wochen nach dem Angriff eines American Staffordshire Terriers in Eichenbarleben klagt das Opfer : "Keiner nimmt meine Sorgen ernst, dieser Hund muss schnellstens weg"

Von Tom Koch 21.03.2009, 05:31

Ein Hund hat in Eichenbarleben eine Frau angefallen und krankenhausreif verletzt. Das Opfer fordert, dieser Kampfhund dürfe nicht länger eine Bedrohung sein. Der Polizei hält sie vor, die Attacke zu verharmlosen und nur schleppend zu ermitteln. Auch vom Ordnungsamt in Irxleben fordert die Frau mehr Engagement. Doch die Behörden beteuern auf Nachfrage, sie würden bestmöglich handeln.

Eichenbarleben. Silvia Teutloff wollte nach der Arbeit nur schnell in die nahe Kaufhalle gehen. Dass sie kurz darauf in einem Krankenwagen und mit Blaulicht in eine Magdeburger Klinik gefahren werden muss, daran hätte die 50-J ährige im Traum nicht gedacht.

Ein American Staffordshire Terrier, nicht wenige bezeichnen Tiere dieser Rasse als Kampfhund, hat die Eichenbarleberin angegriffen. " Ich wurde ein Opfer einer lebensbedrohlichen Beißattacke ", berichtet sie. Grundlos habe sie der Hund angefallen, nachdem er sich von der Leine habe losreißen können. Vor Bissen in den Hals habe sie sich nur refexartig schützen können. Mindestens dreimal habe das Tier sie attackiert, an den Armen, an Brust und Rücken, weil sie – am Boden liegend – sich zu schützen versuchte, und am Kopf : " Er zerrte an den Haaren, schlug meinen Kopf hin und her, riss Haare büschelweise heraus. Ich schrie und kreischte in Todesangst, in diesem Moment hatte ich mit dem Leben abgeschlossen. "

Opfer : Kein Grund

für diesen Angriff

Es müssen ihre gellenden Schreie gewesen sein, die die Retter in der Kaufhalle alarmiert haben. Kerstin Steiner, eine junge Frau und Mutter, sei sofort herausgeeilt, habe keine Furcht gezeigt und Silvia Teutloff vor dem weiter angreifen wollenden American Staffordshire Terrier gerettet. Auch der Hundehalter, der sein Tier ohne einen Maulkorb angebunden hatte, sei dann dazugetreten : " Er hat vor allem dafür gesorgt, dass sein Hund ganz schnell vom Tatort fortgeschafft wurde ", beschreibt das Opfer das Geschehen.

Das alles passierte vor vier Wochen. Lange Zeit nach dieser Attacke war die Eichenbarleberin nicht arbeitsfähig. Weniger die Verletzungen an ihrem Körper, vielmehr die Angst, erneut diesem Hund im Dorf begegnen zu müssen, seien der Grund dafür.

Umso wütender ist Silvia Teutloff über die Behörden : Ob Polizei, das Ordnungsamt in Irxleben oder die Kreisverwaltung in Haldensleben, überall habe sie stets das gleiche ungute Gefühl : " Meine Sorgen werden einfach nicht ernst genommen. Alle versuchen, diese Beißattacke eines ganz offenkundig äußerst gefährlichen Hundes zu verharmlosen. " Die von diesem Tier angefallene Frau fordert, dass es schnellstmöglich dem Halter weggenommen werde. " Bei uns im Dorf leben auch Kinder und Rentner. Ich weiß nicht, ob diese bei einer nächsten Attacke nur mit Biss- und Kratzwunden davonkommen so wie ich. Ich hatte noch Glück im Unglück, weil ich dicke Wintersachen wie Rollkragenpullover und Mantel angezogen hatte. Im Sommer, bei leichterer Bekleidung, hätte mir dieser Kampfhund weitaus schlimmere Wunden zugefügt. "

Der Hundehalter, gegen den Polizei und Staatsanwalt wegen gefährlicher Körperverletzung ermitteln, schweigt. Bei seiner ersten Vernehmung ebenso wie bei den mehrfachen Versuchen der Volksstimme, mit ihm zu telefonieren.

Polizei : Keine Zeit für

Zeugenbefragung

Die Polizei weist den Vorwurf der Bagatellisierung zurück. Weil die ermittelnden Beamten in Irxleben keine Auskünfte geben wollen, erklärte der Haldensleber Polizeisprecher Joachim Al brecht : " Als die Beamten vor Ort erschienen sind, war der Hund bereits nicht mehr am Ereignisort. Eine konkrete Gefahr war nicht gegeben, und somit eine sofortige Sicherstellung des Tieres nicht erforderlich. " Der Hundehalter habe so auf das Tier eingewirkt, dass dieses von seinem Opfer abgelassen habe. Damit stelle dieser " eine Gefahr für Dritte nicht mehr dar ", schätzte der Polizeibeamte auf Nachfrage ein.

Hat der Halter tatsächlich Silvia Teutloff vor seinem Hund gerettet ? " Nein ", beteuert die Eichenbarleberin, " das war Kerstin Steiner. " Dass das die Polizei nicht besser weiß, obwohl sie es selbst den Beamten so geschildert habe, liege schlicht und ergreifend daran, dass die Polizei " bis heute nicht dazu in der Lage war, die wichtigste Zeugin zu befragen. " Joachim Al brecht versucht dieses Versäumnis damit zu erklären, dass ein geplanter Termin zur Befragung von Kerstin Steiner wegen ihrer beruf ichen Verpf ichtungen verschoben werden musste.

Im Volksstimme-Gespräch versuchte die Zeugin ihr Eingreifen als " nicht so heldenhaft " zu beschreiben. Sie habe nur getan, was viele andere an ihrer Stelle auch getan hätten. " Ich habe beim Einkaufen diese Todesschreie gehört und bin sofort rausgerannt. Als der immer wieder angreifende Hund von seinem Opfer gar nicht ablassen wollte, bin ich dazwischen. " Angst habe sie keine gehabt, wahrscheinlich weil sie gar keine Zeit gehabt habe, über die Situation vor der Kaufhalle in Ruhe nachzudenken. Kerstin Steiner berichtete auch, dass der Hundehalter ebenfalls schnell am Tatort gewesen sei, ständig gef ucht habe, während er versuchte, sein Tier zu bändigen. Später habe der Mann ihr gegenüber erklärt, sein Hund müsse gereizt worden sein, sonst hätte dieser nicht so reagiert.

Waren diese Bisse eines American Staffordshire Terriers nur ein bedauerlicher Einzelfall ? Im Magdeburger Innenministerium kann man auf diese Frage nur mit den Schultern zucken, da dieser Angriff vor Inkrafttreten des Kampfhunde-Gesetzes zum 1. März passiert sei. Man habe bis zu diesem Datum nämlich über keine rechtliche Handhabe verfügt, solche Delikte zu registrieren. " Bislang war so etwas eine gefährliche Körperverletzung wie sie auch bei jedem Autounfall passieren kann. Für Kampfhundeangriffe in Sachsen-Anhalt haben wir keine extra Statistik geführt, " so ein Ministeriumssprecher.

Ministerium : Keine

Kampfhund-Statistik

Aus der Haldensleber Kreisverwaltung heißt es auf Nachfrage, derzeit drohe keinerlei Gefahr. Ein Mitarbeiter des Veterinäramtes war neun Tage nach dem Angriff des Hundes in Eichenbarleben. Amtsleiter Olaf Ruppert : " Wir haben dort keinerlei Auffälligkeiten oder Aggressivität des Tieres feststellen können. " Da zur Familie des Hundehalters auch ein Schulkind, das in der vierten Klasse lernt, und ein Säugling gehören, wurde das Jugendamt der Kreisverwaltung ebenso einbezogen. Nach einer weiteren Kontrolle vor Ort habe die Mitarbeiterin ebenfalls erklärt, sie könne für diese Kinder keinerlei Gefahr durch das Tier feststellen, berichtet Silvia Teutloff. " Bei allen meinen Anrufen hatte ich jedesmal das Gefühl, die Mitarbeiter in der Kreisverwaltung fühlten sich irgendwie belästigt. " Stets werde dazu aufgerufen, der Bürger möge auf drohende Gefahren hinweisen, doch in ihrem konkreten Falle vermute sie : " Man hält mich einfach nur für hysterisch ".

Eckhardt Marschke ist in der Verwaltungsgemeinschaft

" Hohe Börde " im Ordnungsamt tätig. Er bekennt, er könne " die Emotionalität von Frau Teutloff sehr gut verstehen ".

Kreisverwaltung : Keine konkrete Gefahr

Doch er weist entschieden zurück, man nehme die Sorgen dieser Betroffenen nicht ernst. Bereits einen Tag nach dem Angriff auf die 50-J ährige habe er verfügt, dass der Hund ab sofort nur noch mit Leine und Maulkorb das Grundstück verlassen dürfe. Bis Ende März müsse der Halter zudem den Nachweis dafür erbringen, dass dem Tier ein Chip eingepf anzt wurde, dass er für diesen eine Haftpf ichtversicherung abgeschlossen habe, und er müsse seinen Hund einem Tierarzt vorstellen, damit dieser eine so genannte Wesensprüfung vornehmen könne.

Nach Marschkes Auffassung gehe von diesem American Staffordshire Terrier " keine Gefahr mehr aus ". Der Halter wisse jetzt, " bei dem geringsten Verstoß gegen unsere Auf agen wird das Tier von Amtswegen sofort eingezogen. "

Da es sich derzeit um ein " schwebendes Verfahren " handele, könne das Irxleber Ordnungsamt " jetzt nicht einfach so vorpreschen und den Hund einkassieren ", erklärte der Behördenmitarbeiter. Dennoch musste er einräumen, was passiert wäre, hätte ihn die Polizei sofort nach dem Angriff dieses Tieres in Eichenbarleben verständigt und zum Tatort hinzu gerufen. Marschke : " Ich hätte diesen Hund noch am selben Abend sichergestellt. "