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Zerbster trafen sich in St. Trinitatis zum Gedenken an die Opfer der Bombardierung 1945 "Wer Wind sät, wird Sturm ernten"

Von Philipp Queitsch 17.04.2013, 01:19

Bürgermeister Andreas Dittmann hielt gestern in Zusammenarbeit mit den Kirchengemeinden in St. Trinitatis eine Gedenkveranstaltung für die Opfer der Bombardierung ab. Am Vormittag wurde auf dem Heidetorfriedhof ein Kranz niedergelegt.

Zerbst l "Wer Wind sät, wird Sturm ernten." Mit diesem Sprichwort beschrieb Bürgermeister Andreas Dittmann (SPD) den Bombenangriff auf Zerbst am 16. April 1945. Er leitete damit die traditionelle Gedenkveranstaltung in der Zerbster Kirche St. Trinitatis ein. Unterstützt wurde er sowohl durch die evangelische als auch durch die katholische Kirchengemeinde in Zerbst. "Es ist für mich persönlich sehr wichtig, dass dies eine ökumenische Gedenkveranstaltung ist", erklärte Dittmann. Nach dem Bombenangriff wurden die Gotteshäuser der evangelischen Gemeinde zum Großteil zerstört. "Damals gewährten die Katholiken den Protestanten nicht nur Einlass in ihre Kirche, sondern arbeiteten von da an eng mit ihnen zusammen", berichtete Dittmann weiter. Das sei heute noch genauso. Pfarrer Thomas Meyer von der evangelischen Kirchgemeinde St. Nicolai / St. Trinitatis und der katholische Pfarrer Hartmut Neuhaus aus Roßlau richteten ebenfalls ihre Worte an die Besucher.

Etwa 60 Bürger sind erschienen, um den Opfern des Luftangriffes zu gedenken, aber auch, um sich einen schwarzen Tag der Zerbster Geschichte ins Gedächtnis zu rufen. Am Vormittag wurde zu Ehren der Opfer bereits ein Kranz vor den Gedenkstein auf dem Heidetorfriedhof durch Andreas Dittmann und Wilfried Bustro (CDU), Vorsitzender des Stadtrates, niedergelegt.

Vor 68 Jahren griff um 10.20 Uhr eine alliierte Bomberformation die Stadt Zerbst an. Zuvor wurde sie vom SS-Stadtkommandanten "völlig sinnlos" zur Festung erklärt, wies Dittmann die Menschen auf den Grund für den Angriff hin. "Es war aber vor allem Hitler-Deutschland, das zunächst Europa und später die ganze Welt in einen bis dahin ungeahnten Krieg riss. Es war die Nazi-Doktrin der verbrannten Erde, die unsere Stadt zum Ziel eines militärisch unsinnigen Bombardements machte", bemerkte er.

"Die vollständige Vernichtung durch Artilleriebeschuss konnte nur Dank des Einsatzes von Dr. Hermann Wille und Heinrich Gelzenleuchter verhindert werden", führte Dittmann in seiner Rede weiter aus. Sie kümmerten sich bereits vor dem Angriff um Verwundete, die in Zerbst Zuflucht fanden und ihre aufopferungsvolle Hilfsbereitschaft riss auch nicht ab, nachdem Zerbst weiter beschossen wurde und vier Tage lang brannte.

Den Anwesenden, die diesen Tag zum Teil noch miterlebten, stand die Rührung und die Erinnerungen ins Gesicht geschrieben. "Ich habe die Bilder der brennenden Nicolaikirche im Sonnenschein noch genau vor Augen", erinnert sich Gudrun Kirchner. Auch Inge Schwichtenberg kann sich noch gut in die Zeit zurück versetzen. "Ich kam ein Jahr nach dem Angriff als Flüchtling aus meiner tschechischen Heimat nach Zerbst. Diese Zeit vergesse ich nie. Es ist jedoch auch wichtig, dass solche Ereignisse nicht in Vergessenheit geraten", erläutert sie.

Dittmann verdeutlichte in seiner Rede den Grund für das alljährliche Gedenken. "Zum einen aus Respekt vor den Überlebenden, zum Gedenken an die Opfer, zum anderen aber auch im Wissen um die Verantwortung ins Heute." Noch könne auf die Erinnerungen von Zeitzeugen zurück gegriffen werden. Doch die Zahl derer, die sich erinnern können, geht mit jedem Tag zurück.

Pfarrer Thomas Meyer führte in seiner Rede einen aktuellen Vergleich zu den Folgen der Trümmer damals an. "Vor einem Jahr explodierte in der Haselopstraße ein Wohnhaus. Am Schicksal aller Beteiligten sehen wir, was die Trümmer nur eines Hauses anrichten können."

Dass Erinnerung vor allem für nachfolgende Generationen wichtig ist, betonte Pfarrer Hartmut Neuhaus. "Es bedarf vieler Köpfe und Herzen, um sich von einer solchen Tragödie erholen zu können."