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Wenn Eltern arbeiten müssen, sind Gabriele und Steffy Willnow zu jeder Tages- und Nachtzeit für die Schützlinge da Wenn nötig: 24-Stunden-Tagesmutter

Von Karolin Aertel 26.01.2011, 05:36

Wer Familie und Beruf in Einklang bringen muss, der hat es oft schwer. Die starren Betreuungszeiten in Kindertageseinrichtungen lassen Familien wenig Freiraum. Überstunden oder Nachtschichten auf der Arbeit sind in Bezug auf die Kinderbetreuung oftmals ein großes Hindernis. Abhilfe schaffen da zwei Frauen aus Lindau. Gabriele und Steffy Willnow sind Tagesmütter.

Lindau. Die kleine strohblonde Ysabell ist anderthalb Jahre alt. Sie sitz an einem großen braunen Küchentisch. Neben ihr spielen drei andere Kinder. Sie sind schon etwas älter. Den Nuckel fest im Mund verankert, malt Ysabell mit dicken Holzbuntstiften. Sie schaut immer wieder schüchtern über die Tischkante. Ihre Augen suchen den Kontakt zu Gabriele und Steffy Willnow – jene zwei Frauen, die sich derzeit leibevoll, um sie kümmern. Ihre Tagesmütter.

Ysabells Eltern sind Archäologen. Sie kommen aus Münster und arbeiten zeitweise im Raum Zerbst. Drei Mal in der Woche ist die kleine dann in dem großen Lindauer Gehöft der Willnows zu Gast. Dass Ysabells Eltern ihrer Arbeit überhaupt nachgehen können ohne kilometerweit von ihrem Spross getrennt zu sein, das verdanken sie Tagesmüttern, die flexibel Kinder betreuen – wenn nötig, rund um die Uhr.

Gabriele und Steffy Willnow sind selbst Mütter. Als im Zuge der Wende die LPG – der ursprüngliche Arbeitsplatz der Schwestern – schloss, überlegten die Frauen, wie es beruflich für sie weitergehen könne. Gabriele, die Zwillinge hat, passte zu dieser Zeit häufig auf die Steppkes ihrer Schwester auf. Und da ihr dies so viel Freude bereitete, wuchs der Wunsch, dies auch beruflich zu tun. Und so kam Eins zum Anderen.

1998 inserierte Gabriele Willnow in einer Zeitung und bot offiziell ihre Hilfe als Tagesmutter an. Die Nachfrage war damals so groß, dass ein paar Jahre später auch Schwester Steffy einstieg. Seither betreuen die beiden Frauen bis zu zehn Kinder am Tag.

Kinder wie die kleine Ysabell, die nur für einen bestimmten Zeitraum betreut werden, sind eher selten. Der Großteil der Kinder kommt über viele Jahr. Einige sind im Hause Willnow groß geworden. So wie der sechsjährige Maurice. Seit seinem achten Lebensmonat geht beinah täglich zu Gabi und Steffy, wie er die Tagesmuttis nennt.

Nun kommt Maurice bald in die Schule. Doch das heißt nicht, dass er nicht mehr kommen darf. "Wenn die Eltern das möchten, dann bieten wir gern auch eine Hortbetreuung an", versichern die Frauen. Überhaupt seien die Betreuungszeiten flexibel. "Wenn die Eltern früher oder später arbeiten müssen, ist das gar kein Problem", so Steffy Willnow. Ein Anruf genüge. Und selbst am Wochenende übernehmen die Schwestern auch mal die Aufsicht. Und wenn nötig, dann kann ein Kind auch gern zum Schlafen bleiben, beispielsweise wenn die Eltern Nachtschicht haben.

Die Rasselbande liebt ihre Tagesmütter

Für viele Eltern sind Tagesmütter die "Rettung". Oftmals kann nur mit ihrer Hilfe Familie und Beruf unter einen Hut gebracht werden.

Die Schwestern machen ihre Arbeit zweifelsohne mit Herzblut. Das merkt man nicht nur an der Art und Weise, wie sie mit ihnen umgehen, sondern auch, wie sie mit ihnen reden. Sie sprechen leise, schauen sie dabei immer an, strahlen eine unendliche Gelassenheit aus und sind jedem Kind gegen-über, auf die gleiche Weise fürsorglich.

Und – das Wichtigste – die Kinder lieben sie. Immer wieder kommen die Knirpse zum Kuscheln, wollen etwas vorgelesen bekommen oder wollen spielen. Auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Kinder wissen sie einzugehen. Jedes Kind fordert sie auf eine andere Art. Und genau das sei es auch, was die Arbeit mit Kindern so Besonders mache, betont Gabriele Willnow. "Jedes Kind ist eine eigene kleine Persönlichkeit." Noch nie habe sie zwei gleiche Kinder erlebt.

Das zweistöckige Haus, in dem sich alles abspielt, liegt fernab der Hauptstraße. Auch wenn die Schwestern vieles gemeinsam machen, hat doch jede ihren eigenen Arbeitsbereich. Im Erdgeschoss liegt die Wohnung von Steffy und im Obergeschoss, jene von Gabriele.

Das normale Tagesgeschehen läuft getrennt ab. Jede hat ihre eigene kleine Rasselbande zu betreuen. Maximal fünf Kinder dürfen sie in ihre Obhut nehmen. So schreibt es der Gesetzgeber vor. An Privatsphäre ist nicht zu denken. Kinder und Eltern dürfen bei ihnen ein- und ausgehen. Tagsüber wird die Wohnung sowieso von den Steppkes in Beschlag genommen.

Doch in der Wohnung wollen die Kinder eigentlich gar nicht so lange bleiben, obwohl sie mit jeweils drei voll ausgestatteten Spielezimmern ein wahres Kinder-Paradies ist.

Das oder besser die Highlights warten jedoch auf dem Hof des Grundstücks. Auf zwei großen Trampolins können sich die Knirpse nach Belieben verausgaben. Ein Spielplatz, der von den Eltern der Kinder selbst gebaut wurde, wartet ebenso wie unendlich viel Freifläche zum Toben. Und dann sind da auch noch die drei Ponys, zwei Ziegen, Kaninchen, Katzen und nicht zu vergessen drei kleine Hunde.

Welcher Kindergarten hat schon einen eigenen Streichelzoo? Gabriele Willnow meint: "Es ist wichtig, dass Kinder so früh wie möglich den Umgang mit Tieren lernen." Sie selbst, Schwester Steffy und auch ihre dritte Schwester seien schließlich so aufgewachsen und hatten eine wunderschöne Kindheit.

Im Sommer sitzen die Tagesmuttis oft mit den Eltern im Garten und schauen den Kindern beim Spielen zu. Gelegenheit für die Muttis und Vatis sich auszutauschen, zu relaxen und Zeit mit ihren Sprösslingen zu verbringen. "Das ist etwas, was viele Eltern sehr schätzen", wissen die Schwestern.

Betreuung rund um die Uhr möglich

Wie viel es kostet, ein Kind bei ihnen unterzubringen, darüber möchten die beiden Frauen nicht sprechen. Es gehöre sich einfach nicht. Nur so viel verraten sie: "Die Eltern meinen es ist sehr preiswert."

Wer möchte, der kann sein Kind stundenweise, tageweise oder monatsweise betreuen lassen. Und auf spezielle Wünsche der Eltern gehen die Tagesmütter selbstverständlich auch ein. So haben sie schon so manchem Kind das Schwimmen, Lesen oder Fahrradfahren beigebracht.

Auf die Frage, wann bei ihnen denn einmal Ruhe im Haus einkehrt, huscht nur ein verschmitzes Lächeln über ihre Lippen. "Wenn das letzte Kind abgeholt wurde, und das kann am späten Abend oder eben erst am nächsten Tag sein", so die Schwestern. Und ist einmal Ruhe eingekehrt, dann machen sie das, was andere auch in ihrer Freizeit machen: Familienabende, radfahren, schwimmen und ins Kino gehen. Lediglich zwei Wochen im Jahr machen sie Urlaub. Und selbst dabei richten sie sich nach den Wünschen der Eltern.

Und wenn die zwei Wochen Urlaub vorrüber sind, freuen sie sich schon wieder auf ein Jahr voller Trubel im Hause Willnow.