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Zerbster schwärmen von der alten Traditionsgaststätte und sind gespannt auf die neue "Zum Tivoli" war und bleibt gute Adresse

11.01.2014, 01:18

Ausflugsziel, Spielplatz, Ort vieler schöner Feiern: In dieser Woche suchten wir beim Heimatfotorätsel den Tivoli. Zahlreiche Anrufer erkannten die Aufnahme und erzählten uns ihre Geschichten.

Von Judith Kadow

und Thomas Drechsel

Zerbst l "Mein Vater hat dieses Haus umgebaut." Klaus-Jürgen Werner aus Zerbst erkannte unser Heimatfotorätsel in dieser Woche sofort: Zu sehen ist die gleichnamige Gaststätte am Zerbster Tivoli. Sein Vater Alfred war Ende der 60er Jahre Kreisbaudirektor und für den Umbau des Tivoli zum Haus des Handwerks verantwortlich. "Wir beide sind vor dem Beginn der Umbauarbeiten durch ein kaputtes Fenster in das damals schon länger leerstehende Haus geklettert und er hat mir alles gezeigt", erinnert sich Klaus-Jürgen Werner. Als der Umbau fertig war, ist Alfred Werner noch einmal mit seinem Sohn durch die Räume gewandelt.

"Es war wirklich ein kleines Schloss."

Renate Baake

"Es wurde ja alles verändert", erzählt Klaus-Jürgen Werner. Im hinteren Bereich des Tivoli ist der Saal weggenommen worden, dafür wurde ein Küchentrack errichtet sowie ein weiterer Raum angebaut.

Den Tivoli in seiner ganzen Schönheit kennt noch Renate Baake. Sie wuchs im Haus gegenüber auf, Hausnummer 6. "Es war wirklich ein kleines Schloss." Als Kind spielte sie oft mit dem Sohn der Wirtsfamilie. "Über eine Treppe kam man ins Wohnzimmer. Das war wunderschön. Auch auf dem Balkon, der zu sehen ist, stand ich." Der Tivoli war der Spielplatz der Kinder. In den Birken hatten sie ein Baumhaus gebaut, es gab kleine Hütten, in denen sie spielten, oder den Pavillon. "Es gab auch Wurstschnappen", erinnert sich Renate Baake. Die Tanzfläche im Garten wurde in der warmen Jahreszeit viel genutzt, Silvester feierte sie mit ihren Eltern auch im Tivoli. "Es war eine sehr schöne Zeit", sagt Renate Baake. "Doch mit dem Umbau hat das Haus etwas von seinem Charme verloren. Wir waren danach auch noch oft dort, aber es war nicht dasselbe."

Heinz Hochgräf aus Zerbst konnte sich noch aus Kindertagen daran erinnern, dass es im Tivoli ein Zimmer gab, das wie eine Grotte gestaltet war. "Das muss in den 20ern gewesen sein", sagt Heinz Hochgräf. Mit seinen Eltern hat er oft den Tivoli besucht, gern auch sonntags zum Kaffee.

Fritz Galle aus Zerbst hat als Kind viel im Garten des Tivoli gespielt. "Und wir haben dort immer Brause geholt." Genau daran erinnert sich auch Dr. Walter Elß aus Zerbst. "Ich bin in der Gegend aufgewachsen, und natürlich waren wir im Tivoli häufig. Es war sehr schön in dem Haus, und ich erinnere mich sogar an eine Hochzeit, bei der unsere gesamte Familie dabei war." Für Elß steht der "alte" Tivoli in einer Reihe mit dem Schützenhaus (später Volkspark), dem Waldfrieden, dem Vogelherd und dem Rephuns Garten, in dessen Garten ein Pavillon gleicher Bauweise häufig zu Konzerten und Ausflügen einlud. "Alle diese Gebäude hatten was vom Jugendstil, den man ja in Zerbst nur noch vereinzelt findet. Diese großen Gaststätten waren seinerzeit die Adressen für größere Feiern, denn beispielsweise die Stadthalle gab es in ihrer heutigen Form ja gar nicht. Die war ja noch Elbe-Elster-Theater und entsprechend möbliert und ausgebaut", erzählt Elß.

Auch Helmut Morbach aus Güterglück erkannte den Tivoli. "1961 sind wir dort oft zum Tanzen gewesen. Das war immer schön. Und hinten in der damaligen Laube konnte sich die Jugend immer prima treffen." Morbach berichtete auch, dass alle Mitglieder der damaligen PGH-en einen Obolus von ihrem Einkommen spendeten, damit das Haus des Handwerks gebaut werden konnte. Dieses Haus wurde zumindest im vorderen Bereich auf den Grundmauern des alten Tivoli errichtet, nach hinten erheblich erweitert und im Obergeschoss mit 19 Gästezimmern ausgestattet. "Jeder hat was gegeben. Das waren damals um die 20 Mark, glaub ich."

"Ich habe dort als Lehrling Rohre verlegt."

Harald Neupert

Harald Neupert aus Zerbst kann sich an den Umbau gut erinnern. "Das HdH ist 1968 fertig geworden. Viele PGH-en hatten hier gearbeitet. So wie ich als Klempner. Ich habe hier als Lehrling diverse Rohre verlegt. Und die Dachklempner haben die Schwanenhälse, diese gewundenen Regenfallrohre am Erker, als Facharbeiterprüfungsaufgabe gefertigt."

Ingrid Neidigk hatte ebenfalls keinerlei Schwierigkeiten, unser Heimatfoto zu enträtseln. "So wie auf diesem Foto habe ich es nicht mehr gekannt, aber ich habe schon mal eine solche Aufnahme gesehen." Sie erkannte den Tivoli aber auch, weil ihre Tochter, Kerstin Tzanis, zusammen mit ihrem Schwiegersohn Achilleas "Ljacko" Tzanis das Haus des Handwerks jüngst erworben, saniert, umgebaut und wieder als Tivoli eröffnet hat. "Ich erinnere mich noch an damals, als wir dort viele Feiern mitgemacht haben", erzählt Ingrid Neidigk. Selbst die Hochzeit einer ihrer Töchter sowie die Jugendweihe eines Enkels sind dort gefeiert worden. "Und nun ist es in Familienbesitz."

Ljacko Tzanis selbst führte gestern Vormittag sehr gern durch das Gebäude. Im Erdgeschoss sind die Umbau- und Sanierungsarbeiten abgeschlossen, die ersten Feiern haben stattgefunden. Im Obergeschoss wartet noch viel Arbeit - Tzanis baut aus den ehemals 19 Gästezimmern 14 neue Hotelzimmer aus. "Wir wollen damit möglichst zum 2. Halbjahr fertig sein. Viel Arbeit, aber wir haben unglaublich viele Helfer", sagt der Deutsch-Grieche.

Das Anrufen hat sich besonders für Helmut Morbach aus Güterglück gelohnt. Er gewinnt einen Volksstimme-Regenschirm.